Arbeitsjournal. Donnerstag, der 16. Juli 2009. Mit Emmanuelle Béart, Harvey Keitel und den inneren Wölfen, die wir uns zähmen. Später dann: erste Ergebnisse.

9.09 Uhr:
[Arbeitswohnung. Englund, Dritte Sinfonie.]
Ich bin dann nachts um 23.30 Uhr doch noch mal einen Spielfilm holen geradelt, >>>> A Crime von Manuel Pradal, mit der Béart, die wirklich die schönsten Brüste hat, die ich je auf einer Leinwand sah, und mit Keitel, dessen Präsenz schon beeindruckend ist und der mich an Olmos in >>>> Wolfen erinnerte. Es ist gar keine Frage, daß Spanier, Südamerikaner und Franzosen die besseren Filme drehen, auch dieser hier nimmt gefangen – aber dann windet er sich d o c h um die Uneindeutigkeit des menschlichen Lebens herum, dann geht er d o c h vor einer Moral in die Knie, auch wenn sie letztlich unmoralisch bleibt: Harmonie soll hergestellt, soll unterschoben werden; der Zweifel und die Unentschiedenheit des Gefühls soll geklärt sein, was für diesen Film ausgesprochen schade ist und mir das Ende versauerte. Verdammt nochmal, weshalb ist es so schwierig zuzugeben, daß Béart eben s o w o h l den jungen Mann als auch den kantigen, lebensdurchfressenen älteren liebt und in ihrer Unentschiedenheit, in ihrer Obsession verbleibt? Nein, er muß der Mörder s e i n, so daß sie sich von ihm lösen kann. Interessant wäre die Geschichte doch dann, wenn er es eben n i c h t ist, wenn er zugleich ihr Opfer bliebe und ihr Geliebter und sie das seine und ihr Freund derer beider und sie seines. Jesses. Jetzt fiel der tolle Film in die Eineindeutigkeit ästhetischer Correctness ab. Ganz anders Faulkner: er trägt die Widersprüche a u s, läßt sie also stehen. Bei Pradal muß man von einer unmoralischen Harmonisierung sprechen, anstelle daß er das Unmoralische als Lebenselement, das sich in der erzählten Verfallenheit auslebt, zugibt.

Bis halb sieben geschlafen dann. Ich muß weiter an die Post: Angebote zu Finnland schreiben, irgend ein Auftrag m u ß her, sonst wird die Reise ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann. Ich werd eh völlig abgebrannt aus Italien zurückkommen, na ja, ich könnte jetzt, diadorim, >>>> weil Sie nach sowas fragen, wie das denn sei, das reale Leben und der ständige Spagat, eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung einstellen und nebenbei, während Englunds, der noch lebt, jetzt v i e r t e Sinfonie „läuft“, von meiner neuerdings immer (fast) sauberen Küche schreiben, oh ja, daß der Herd geputzt werden sollte und so… na egal: jedenfalls muß Geld her. Der Sommer ist sowieso immer ein Auftragsloch. Leute, die ein Festgehalt und also auch bezahlten Urlaub haben, machen sich in aller Regel keinen Begriff; Urlaub für unsereinen ist nahezu immer doppelter Verdienstausfall, wobei man natürlich überhaupt erst mal was verdienen muß, um das so locker schreiben zu können. Nein, ich gerate längst nicht mehr in Panik, irgend ein Weg findet sich ja immer, aber nur unter der Voraussetzung, daß man Freunde hat, die einem vorübergehend Brücken bauen. Also wenn man nicht zum Amt will. Man staunt übrigens immer wieder, wem alles es öknomisch schlecht geht in unserer… k a n n man „Branche“ schreiben? Nee, kann man nicht. Auch egal. Aber wie vielen ging es für kurze Zeit mal gut, und dann wurde es grauslich? Daran muß nicht mal eine Schreibhemmung schuld sein, daran ist sowas in den seltensten Fällen… na sowieso: „schuld“. Völlig verfehlt, für „Ursache“ auch nur den Anklang von Schuld zu setzen.
Das ist übrigens keine Klage, ich stelle einfach nur fest – und füge bei: daß ich nix anders gemacht hätte noch machen würde, als ich’s machte in meinem Leben. Es ist schon so in Ordnung, auch wenn die Umstände ärgerlich waren und bleiben. Denn ich lebe, was ich leben w i l l. Ich schreibe, wenn ich schreibe, das, was ich schreiben w i l l. Kein sichBeugen, weder Leuten noch gar einem „Betrieb“. Und das, was ich wirklich haben möchte, habe ich oder bekomme es. Erstaunlich, wie wenig man wirklich braucht, und dieses Wenige, d a s man braucht, ist irrsinnig reich.

Bin heute früh endlich an „Wir haben zu töten verlernt“ gegangen. Skizziert ist der Text, a l s Skizze, fertig; ich möchte aber noch etwas warten, bevor ich ihn einstelle, davor noch ans Cello, dann noch mal lesen, dann vielleicht mittagsschlafen; Αναδυομένη will mittags hereinschauen, ich habe fast den ganzen Tintenfisch-Salat aufbewahrt für sie, also für uns, ich werde dann erst frühstücken. Dazwischen sollen sich ein paar Seiten Faulkner schieben.

[Englund, Siebte Sinfonie.
Bitte beachten Sie den neuen Literaturlink
>>>> Cellini auf der Reise.]

20.52 Uhr:
Also. Heimgeholt:
1) Rezensionsauftrag (Tageszeitung) zur Scelsi-Werkausgabe auf CDs bei Stradivaris/Milano Dischi. Da brauch ich aber noch aus Mailand den Produktionsplan.
2) Kommentar (Tageszeitung) zu Bruno Maderna, dessen Grande Aulodia wieder auf CD erhältlich ist.
In der Diskussion:
1) Poetisches Feature über >>>> Daniela Danz beim WDR, als Folgesendung >>>> meines Stückes zu Christian Filips. Fast sicher.
2) Poetisches Hörstück für den WDR zu den Finnen, Eine Reise in die finnische Musik.
3) angeleiert: Kurze Funkrezensionen zu Scelsi und Maderna.
Offen ist jetzt noch meine Anfrage wegen Finnland an die FAZ.

Weitere Briefe geschrieben, richtig viel, ein bißchen gedschungelt, das sehen Sie, und >>> das Gedicht durchskizziert. Außerdem knapp anderhalb Stunden am Cello gewesen.
Mit den Briefen geht das erst mal noch so weiter, dann sollte ich was essen, dann treff ich den Profi… also wenn er wieder erreichbar sein sollte… ah, da ruft er an. Also der Prater wird es heute. Oh ja, noch etwas Faulkner lesen.

0.57 Uhr:
[Erst Beakers, nun wieder Arbeitswohnung.]
Plaudern vorm Haus, die Kneipe hat Stühle hinausgestellt. Prater war nicht, weil der Profi bis Viertel nach elf über seinen Schriftsätzen hockte. – Dann hier nach oben, und begeistert hat er den Tintenfischsalat aufgegessen, dazu etwas Salami und Serrano-Schinken; ich nahm meine Bierflasche, die noch nicht leer war, mit rauf; werd sie morgen zurückbringen. Jeder einen Diadorimesso, dann brach der Profi auf. Ich aber bin erstaunlicherweise noch gar nicht müde. Also noch mal an den Faulkner für eine halbe Stunde. Links neben mit eine Tafel Schokolade, rechts a Stamperl Cachaça und den Rest Bier. Die Pfeife im Maul. Lesen, bis mir die Augen zufallen werden.

3 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 16. Juli 2009. Mit Emmanuelle Béart, Harvey Keitel und den inneren Wölfen, die wir uns zähmen. Später dann: erste Ergebnisse.

  1. die béart ist wirklich schön, aber vielleicht hatte sie ja ein busendouble?
    das banale ist also nicht intensiv. hm. mag sein, aber das intensive ist von banalität nicht frei. nun kann man das angesichts der intensität, die dann gerade herrscht, vielleicht gerade vergessen. aber ich gehöre zu den menschen, denen, ganz egal bei was, die banalität schnell auffällt. aber da ich die banalität irgendwie mag, finde ich es nicht schlimm. die banalität ist immer ne sichere bank, die tritt eh ein, da ist es besser, wenn man sie etwas lieben lernt, denn die intensitäten lassen sich ja so selten blicken, und je mehr man sie sucht, desto mehr verkriechen sie sich, kommt mir so vor. die intensität ist ja die überraschung schlechthin, es sei denn man geht joggen, und verlässt sich auf den stoffwechsel. aber das sind ja banal herbeigeführte intensitäten, und somit ist die intensität mit dem sex auch ein bisschen geschummelt, weil, klar tuts das, aber so ein gefühl der sehnsucht zb, das kriegt man gar nicht mit ein bisschen stoffwechsel hergestellt, das kommt wirklich überraschend, das kann man gar nicht forcieren, genauso wenig, wie man sich nicht forciert verlieben kann. herrndorf ließ seinen protagonisten in seinen plüschgewittern sagen, bei denen nur der titel mist ist, da muss ich dem dingens leider recht geben, er verliebe sich nur alle acht jahre, oder waren es sieben?, und ich dachte, der hat total recht, das ist ganz überindividuell so, und damit ist einmal nun klar, die nächsten 4 jahre iss erst mal ruhe. kann ich wenigstens noch 2 gute bücher machen oder so, oder einfach gammeln.

    1. @diadorim. Vielleicht ist einfach mein seelischer Metabolismus schneller als Ihrer, wohl auch schneller als der der meisten anderen Menschen, jedenfalls verliebe ich mich entschieden öfter als nur alle vier Jahre; ich kann mich geradezu wöchentlich verlieben, immer in der gleichen Heftigkeit, immer mit der gleichen Traurigkeit oft, wenn es wieder vergeht – nur lieben, das ist etwas, das auch bei mir seltener ist. Das dann aber auch nie aufhört, egal, was war, welche Schweinereien, welche Attacken, welche Erniedrigungen auch immer auszuhalten – und welche Höhen, Schönheiten, Lüste zu durchbrausen waren; ich liebe einfach weiter. Daneben steht dann noch, oft, aber nicht immer mit Lieben und Verliebtsein verknüpft, das Begehren, dessen Intensität noch nie was Banales hatte, jedenfalls für mich; vielleicht erleben andere Menschen das ebenfalls anders als ich. Ich habe aber auch den Eindruck, andere Menschen legen mehr Wert auf Selbstbestimmung und Eigen-Person als ich, jedenfalls scheint ihnen in Beziehungen Abgrenzung wichtiger zu sein als mir.
      Das Gefühl der Sehnsucht habe ich übrigens auch unentwegt, seit der Kindheit, es hat nie aufgehört, sich auch kaum mal gemildert (meine Mutter hat mal, durchaus abfällig, gesagt, ich sei schon als Kleinkind lebengierig gewesen). Dem weiter obsessiv nachzu>>>>gieren, dagegen steht nur dieses für mich seit neun Jahren Neue: Vater zu sein und also Verantwortung zu haben und sie auch haben zu wollen und tragen zu wollen.

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