Arbeitsjournal. Donnerstag, der 18. Februar 2010.

8.27 Uhr:
[Arbeitswohnung. Kraus, Aeneas in Karthogo.]
Um sechs Uhr auf und gleich an Nabokovs Fahles Feuer, das nun ausgelesen ist; allerdings liegt der kleine Marginalienband noch vor mir, der zudem den Vorteil hat, mir das dem Roman zentrale Gedicht in Englisch vorzutragen… und gerade skypt mir >>>> parallalie, die Marginalien seien „deliziös” – also eine nächste versprechensvolle Erwartung. Aber ich muß das alles nun beiseitelegen und das Gespräch mit >>>> Zagrosek vorbereiten, das heute nachmittag für den Programmband zur nächsten Konzerthaus-Saison geführt werden wird; dazu läuft Kraus’ Musik. Alles ein bißchen eng, weil mittags mein Junge wieder bekocht werden will, muß und soll, da sind noch mal Schnitzel zu besorgen, Karotten zu scheiben und dünsten… und ans Cello würd ich auch gern heute; nur daß ich ab sechs/sieben Uhr am Terrarium sein werde, um über die Kinder zu wachen; लक braucht dringend eine Auszeit, Ruhe, ein nächstes Konzert. Ich werde aber den Laptop mit rübernehmen und dort dann arbeiten, vielleicht dort den Marginalienband lesen und auch schon mit dem einen der beiden Cotzee-Bücher beginnen, mit Schande, denke ich. – So, schon mal in die Rucksacktasche getan.
شجرة حبة hat sich gestern aus Wien nicht mehr gemeldet, auch heute noch nicht; so wird es spät geworden sein. Sie wußte noch nicht, ob sie bereits heute zurückfliegen werde („Meine Güte, nicht vorzubuchen… Das wird aber teuer!” „Zahl >>>> ich’s?” Herrliches Lachen.)

An die Arbeit. Außerdem sind noch Einladungen für >>>> meine Frankfurter Lesung am 25.2. zu schreiben; immerhin meine erste öffentliche Lyrik-Lesung überhaupt, da schreibt man sowas schon mal, zumal für die mir so wichtige >>>> AEOLIA.

Nun aber arbeiten.

9.18 Uhr:
[Hosokawa, Landscape III.]
Das „Exzerptieren” noch einmal unterbrochen, weil ich >>>> Aléa Toriks schönen Brief las >>>> und gleich drauf antworten wollte; ich hab bei so etwas nicht so sehr oft das Gefühl, das sich wirklich etwas zu gegenseitiger Bereicherung ausspinnen kann, hier aber schon. Dazu jetzt Toshio Hosokawas Musik, eines Komponisten, der mir noch unbekannt ist; >>>> Robert HP Platz, für den ich zweidrei Libretti schrieb, hat mir >>>> die CD zuschicken lassen, die er mit dem DSO eingespielt hat. Eines der Stücke, das Klavierkonzert, heißt „Am Meer”, was mir reizvoll klingen m u ß, da kann ich gar nicht anders.

Nun aber arbeiten.

18.17 Uhr:
Vom Gespräch mit Zagrosek zurück; jetzt muß transkribiert werden. Ich erzähle ihm von meiner Idee, die Gurre-Lieder szenisch aufzuführen, ob e r das nicht machen wolle; er lacht, „wissen Sie, Marc Albrecht hat mich angerufen, der in Kopenhagen jetzt Operndirektor ist. Und: Ja, e r macht das. Was glauben Sie, w i e gern ich das gemacht hätte!” Und schließt unser Gespräch mit einer Bemerkung, die ich gerne wiedergäbe, es aber nicht tu, weil ich genau weiß, was für hämische Bemerkungen d a n n wieder hier drunter zu lesen wären. Aber Sie können sich vorstellen, daß mich die Bemerkung stolz gemacht hat, „stolz” ist das richtige Wort, nämlich von „Stolz”. Wer das jetzt aristokratisch liest, hat es richtig gelesen.
Also an die Transkription der Tondatei, zum 1.3. muß der Text abgegeben sein.
Des weiteren ein neuer Auftrag von der FAZ, diesmal eine Jazz-CD.
Am Cello gewesen, eine gute Stunde; mit dem Marginalienband zu Pale Fire angefangen, dabei die Hosen auf den Unterschenkeln, sitzend im sternigsten Buntlicht, das mir Αναδυομένη angebracht. Mittags gab’s Putengeschnetzeltes (ich liebe meine Messer) in Kreuzkümmel-Sahnesauce. Zum Schlagen mittags kam ich aber nicht mehr. Doch ich kam so zeitig aus dem Konzerthaus wieder heraus, daß ich mit लक die Zwillingskindlein aus dem Musikkindergarten abholen konnte.

Es hat zu tauen begonnen. Ich hörte die ersten Vögel geradezu rufen: grüßend, fast schon mit Jubel. Und ziemlicher Matsch jetzt auf den Straßen. Und durch den fahr ich nun ans Terrarium.

22.02 Uhr:
[Am Terrarium.]
Die Kinder schlafen, लक ist losgezogen, wir aßen alle noch gemeinsam. Mein Bub, bevor ich richtig gute Nacht sagen konnte (immer noch eine halbe Stunde lesen oder eine Cassette hören oder anderes tun, bis halb neun), war eingeschlafen, das Licht war schon aus, als ich von meinem Buch aufsah. Immer mal wieder ein Gang auf den Balkon, um zu rauchen. Den Tisch belegt: Terminkalender ganz links, CDs rechts und links (ich wollte Musik hören, genieße aber gerade die Stille), der Marginalienband ist bereits ausgelesen, nun fange ich Cotzees Schande an. Schokolade, Feigenkonfekt aus der Türkei, zwei Mon Cheri’s, Handcreme, Lesebrille (peinlich) und nach dem Abendglas Ardbeg eine Flasche Rotwein (biologischer Anbau: ich werde schwach).
Einfach nur lesen. „Einfach”. Noch keine Meldung aus Wien.

Geregnet hat’s.

5 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, der 18. Februar 2010.

  1. wer auf so wunderliche weise die erschöpfte लक mit der rastlos reisenden شجرة حبة versöhnen will, der kann gar nicht anders, als an die einheit der weiblichkeit zu glauben, an eine welt, in der auch reizende aléa ihren platz hat und in der gefühl und leidenschaft, innere und äußere natur sinnvoll ineinander greifen. darum ist die dschungel nie bloße kulisse, materialaufnehmend und -bewegend, sondern ein zustand vorwärtsirrender experimentierfreude, eine kathedrale der heftigkeit, die nie unmittelbar auf vollmondnächte angewiese wäre.

    1. @Charlotte. Gewiß nicht, zumal Die Dschungel ein ja durchaus mittelalterlicher Character sind, und damals war der M o n d der Inbegriff von Schönheit, auch der Viertelmond und der halbe, von dem Hans Bethge für den Orient – freilich des fin de siècles – singt, er steige wie eine Barke am Himmelszelt hinauf. Auf die reinen Vollmondnächte angewiesen zu sein, wär für Die Dschungel lykanthrop.
      Doch für uns Brüder haben Sie recht: Die sind mit der Sonne.

  2. Lieber Herr Herbst,

    Ihre Worte freuen mich sehr und stoßen bei mir auf ein ähnliches Gefühl. Das ist also ein freundlicher Zusammenstoß zwischen Ihnen und der

    @ Charlotte
    „reizenden Aléa“. Ich habe gerade mit meiner Mutter telefoniert, die, Sie werden es nicht wissen, Rumänin ist wie ich auch (ich hab‘s ja von ihr), aber, anders als ich, auch in Rumänien lebt. Die ruft mich in der Regel sonntags an, weil Sonntage die von ihr bevorzugten Tage für Befürchtungen sind. Das wurde in dieser Woche vorgezogen. Das Äußern von Befürchtungen ist bei meiner Mutter irgendeine seltsame Art von Befriedigung. Was ich sagen will: ich glaube nicht, dass meine Mutter diesem Attribut zustimmen würde. Aber reizend ist ein schönes Wort. Das liegt für mein Sprachempfinden zwischen unschuldig – naiv reizend – und seinem Gegenteil – aufreizend. Kann da von „Einheit der Weiblichkeit“ die Rede sein? Oder wird die Einheit durch den Versuch ihrer Herstellung beschrieben? Oder nicht einmal das, sondern durch ihre bloße Möglichkeit. Ist sie vielleicht nur eine Chimäre? Aber diese Figuren haben vielleicht auch eine Einheit, ich kenne mich da nicht so gut aus.

    Aléa

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