Arbeitsjournal. Sonnabend, der 20. Februar 2010. Mit Nicolai mit c.

7.30 Uhr:
[Arbeitswohnung. Dieter Ilg, Otello.]
Bis fast ein Uhr mit >>>> Eigner in der >>>> Bar gewesen, geredet, geredet, Nabokov, Cotzee, Horstmann, Frauen, als unvermittelt die Löwin anrief: sie sei zurück und was denn in Der Dschungel lossei. Sie hatte, übermüdet, wie sie offenbar war nach der Jagd, nicht genau geschaut und war verwundert, daß ich in der Bar saß, anstelle, wie einige Kommentare glauben machen (wollten), an meinem Schreibtisch, um mich >>>> dort mitzustreiten. Dabei soff ich wirklich nur vor mich hin, ein Dichter zwar, doch Dichtender nicht, und fand gar keinen Grund, als etwas in Der Dschungel mitzumischen, das twoday‘s Programm unterdessen „Gast” nennt, obwohl das frühere Attribut „anonym” so sehr viel präziser war; zumal wird mein zweiter Name nicht mit „c” geschrieben; also es hätte auffallen müssen und i s t vielleicht auch aufgefallen, jedenfalls, denke ich, >>>> diadorim. „Aber der Mann schreibt wie du”, was eine gemeine Bemerkung war, aber umgeben S i e sich mal mit amüsierten Löwinnen, die offenbar grad satt sind, „er hat sich stilistisch angepaßt, der scheint dich genau zu lesen und immer wieder.” Ich bin für meine „Gegner” von richtig riesiger Bedeutung, da imitiert man schon mal auch den Morgencigarillo und latte macchiato sowieso; dennoch habe ich >>>> den Kommentarbaum eben etwas zurechtcoupiert, es solln ja neue Triebe treiben. Statt 57 Kommentaren sind nun 28 (achtundzwanzig) stehengeblieben, von denen, glaub ich, keiner mehr die Fäulnis hat. Nein, >>>> Alban Nicolai Herbst (Gast), das richtete sich nicht gegen Sie, auch wenn Ihr Eingangstext sich gleich im ersten Satz verrät; das richtete sich allein an die Adresse der Dramatik, will sagen: Überschaubarkeit. Schließlich solln die Dschungelleser ihre F r e u d e haben.
Weniger unernst, und drückt sich nicht um wichtige Fragen, ist >>>> dieser Kommentar Melusines, auch wenn einmal mehr eine seltsame Antinomie Rainald Goetz ./. ANH darin zur Sprache findet, von der, der Antinomie, ich gar nicht sicher bin, ob sie denn existiert. Zugegebenermaßen, aber, auch dies ehrt mich; immerhin ist, seinen Lesern zufolge, Goetz ein Autor des >>>> Zeitgeists, ich hingegen bin ein Ultra-Konservativer, dessen Herz aus Marmor starrt und, gewissermaßen, antihum auf Büsten steht: museal bereits bei der Zeugung (es war denn, erzählte ich das schon?, eine entsprechend schwere Geburt: der Stein, der da herauskam, zerriß meiner Mutter nicht nur den Damm, ich war ja so trocken vor Fruchtwasserdürre; den zuvor über die Ufer.getretenen Nil hatte mein Vater vom Kinoboden aufgewischt, während meine Mutter, der von mir verschuldeten pränatalen Schwere wegen, auf einer…. fast hätt ich „Bahre” geschrieben, doch das entging ihr… also… Liege, die von achtzehn Sanitätern getragen werden mußte, ins Krankenhaus fuhr. „Sagt nicht, daß er häßlich ist!” soll sie gedroht haben, als sie post natum die ersten Besucher empfing, dabei mein Babyich im Arm, den Stein, den, besser, Block). Aber zurück. Für Frau Melusine möchte ich mir gleich Zeit nehmen; sie fragt ernst, und sie wird ernst die Antwort bekommen, auch wenn zu erwarten steht, daß sich die Ulker wieder melden, die sich, eine Abwehrform, um Nabokovs Grundfrage mit Gewitzel drücken. Immer hübsch unverbindlich bleiben, ist ihre Devise, dann nimmt’s uns keiner übel, wenn wir den Gerhard Schröders folgen; wir müssen halt nur auf der anderen Seite die Lippen bekennen; ach, ich sagte ja schon oft, was ich von der Sozialdemokratie so halte.

Wenn ich Melusine geantwortet haben werde, werde ich im Cotzee weiterlesen, auch wenn er mich eigentlich schon gar nicht mehr interessiert; danach ans Cello. Dann ist’s wahrscheinlich Mittag und will erneuten Schlaf. Am Nachmittag dann will ich die CD-Kritik für die FAZ schreiben, ich hab schon lauter Ansätze im Kopf: شجرة حبة, die mich gestern nacht „Egozentriker” nannte, und zwar in einem Ton, der zwischen Begeisterung, Lüsternheit und Wissen oszillierte – und Distanz mischte sich ein: „Nein, das ist kein Egoist!” -… شجرة حبة also bat darum, ihr heute früh den Löwenschlaf zu lassen; sie träume seit Wien „entscheidende Bilder, ich muß mich morgens nur hinstellen und sie abmalen”. Dann erzählte sie von Anish K., den sie getroffen und mit ihm eine Nacht verbracht, „dieses verschmitzt-verpfiffte Lächeln, verstehst du das?” Er lächle sogar d a. Das können sonst nur Frauen, nämlich senkrecht: halt eine andere Anatomie. „Und wen gab’s n o c h?” fragte ich. Sie lachte. “Ich bin nur für den Größenwahn zu haben.”

11.27 Uhr:
So, >>>> steht drin. Jetzt ans Cello.
>>>> Schöner Text diadorims wieder. Will sie einen Dialog mit der Löwin beginnen? Manchmal bedaure ich es, daß sie Kommentare nicht zuläßt. Dafür erlaubt es Alèa Torik, >>>> die überdies Witz hat; lesenSe mal das Spottgedicht, “und zwar soeben”.

16.32 Uhr:
Stille.
Sehr sehr tief geschlafen. Meine Gegner toben. Gegenüber Sun-ray bin ich unfein gewesen, aber ich will mich nicht entschuldigen dafür, >>>> daß mir der Kragen platzte. Dafür ist >>>> das, hoffentlich, Leser, ein Ausgleich für Sie und gibt mir Pardon. Auch lasse ich Sun-rays Entgegnung selbstverständlich stehen.
Ein Dschungeltag also, obwohl ich doch die CD-Kritik schreiben wollte; tu ich auch noch, vielleicht. Und lese dann den Cotzee weiter. Cello habe ich geübt, es wird langsam, langsam, zäh längsam besser; manchmal kommt sogar ein Klang.

17.53 Uhr:
Ich lese gerade und bin sprachlos:

(Statistik des Seamonkey-Browsers.)

18.13 Uhr:
Ach, und wie schön, daß >>>> Cellini wieder da ist. Liebe Cellini: d o c h, es hat sich etwas geändert. >>>> Aléa Torik ist hinzugekommen und >>>> eine echte Melusine. Daß sich die Schlammwerfer, die Schönheit nicht ertragen, deshalb vermehren, ist an sich nur verständlich: Gesetz des Ausgleichs.
(Reichenbach, leider, ist noch nicht völlig gesund, aber er lebt, was wir sowieso hoffen. Und er liest mit.)

23.50 Uhr:
Nur an Der Dschungel gesessen, >>>> dafür und moderierend hier drunter; drei g u t e Briefwechsel (ich finde das gerade fein, die Briefform im Literarischen Weblog zu beleben, und meine Korrespondentinnen, wie Sie lesen können, machen es mit). Zum Lesen des Buches bin ich dabei nicht mehr gekommen, aber schon immerhin noch eine halbe Stunde am Cello dazwischen. Werde mich jetzt aufs Lager legen, morgen früh lösch ich dann wieder, was hier an Quatsch angefallen ist, bzw. sortiere aus, verschiebe einiges, straffe anderes usw. Danach zum Frühstücken zur Familie. Vielleicht komm ich ja, unterdessen „ausnahmsweise”, wieder mal um halb fünf/fünf hoch; dann wäre sogar die Zeit für die FAZ-Kritik. Aber ich will d o c h noch etwas lesen jetzt. شجرة حبة ist mit Freunden >>>> auf den Landsitz gefahren.

33 thoughts on “Arbeitsjournal. Sonnabend, der 20. Februar 2010. Mit Nicolai mit c.

  1. nein, eigentlich, vielleicht lieber mit anish k. es geistert nur derzeit durch verschiedene blogs ein geist der achtziger, der zusammen mit tiger woods und anderen beautybattleboombangexzessen so einen hauch von der rückkehr des exklusiven verbreitet, der mir, und wahrscheinlich nur mir far from earth selber sehr exklusiv, um nicht zu sagen total gated vorkommt. oder wie kollege kobus den panther mal so treffend umdichtete:
    “du vergißt: die tiere kennen es nicht anders.
    im zoo geboren ist der zoo die welt.
    auch wenn du noch so lange wanderst
    der käfig ist was dich am leben hält.”
    hätte ich eine deutsche literaturgeschichte der letzten 30 jahre zu schreiben, ich leitete sie mit diesen versen ein.

    ich nehme dazu an, dass der mann, der da wie sie schrieb, gar kein mann ist. und, na ja, wer hier wirklich mitliest, hat die parodie erkannt, denke ich.
    es ist im übrigen nicht ganz schwierig sich sofort eine art lookalikeschreibe anzuverwandeln bei apodiktikern, liest man goetzisch, hat man das auch erst mal druff, das spricht weder für noch gegen ihn, es hebt sich nur ab, also ist es auch wiedererkennbar in der parodie, so geht kabarett ja auch vor, man pickt sich heraus, was die sprachliche besonderheit ist, die thematische positionierung und dann kanns losgehen. das muss niemanden wirklich grämen, denke ich, zumal hier ja eh klar ist, die leute können sich ja so nennen wie die contributoren, allein, der gast bleibt ja an ihnen kleben. und die meisten verlässt ja auch nach wenigen zeilen die lust an der mimikry, man will ja doch auch immer noch lieber ein eigen sein.

    bei der dame mit dem sprechenden dichternamen musste ich schmunzeln bei dem ‘und zwar soeben’. bei der theorie habe ich gedacht, sie macht sich nicht klar, dass viele verhaltensweisen doch aus ganz anderen dringlichkeiten resultieren. schauen sie mal mit voller blase einen absolut leisen japanischen film mit überlänge und sitzen in der mitte der stuhlreihe, sie verschwenden keinen gedanken mehr an irgendwas anderes, als an ein möglichst unauffälliges verlassen des kinosaals, wenngleich sie wissen, das ist nun eben völlig unmöglich. viele verhaltensweisen im öffentlichen raum, habe ich schon manchmal gedacht, resultieren eigentlich ausschließlich aus dem sich aufhalten in relativer nähe zu den öffentlichen wc-zugängen. die städte wären wohl total entvölkert, versperrte man sie.

    1. Waren das noch Zeiten. Als Sie selbst noch als Gast, der damals so unschön anonym hieß, die Nächte mit Ihren solitären Sternen erhellten. Heute, in seinem Käfig sitzend, fauchen Sie nur noch, mit eingezogenem Schwanz und devoter Rethorik.

    2. @ Solus. Das ist eine aufschlußreiche Bemerkung, für die ich Ihnen danke: Sie erweist die Bedeutung, die dieser bescheidene Urwald für Sie hat. Die “anonyme” Zeit diadorims liegt knapp drei Jahre zurück, was ja bedeutet, daß Sie seitdem immer mitgelesen haben. Ich meine, Sie werfen sich da anscheinend, ist’s chronisch oder Manie?, permanent einen Hammer auf den linken großen Zeh – so daß ich natürlich jetzt verstehe, weshalb Sie dauernd aufschreien. Man möchte Ihnen halt nur raten: legen Sie den Hammer einfach hin, sonst wird das noch mehr Matsch und ist als Glied dann nicht zu retten.

    3. Herbst, was glauben Sie, was ich alles seit Webzeiten so mitlese. Ich kann Ihnen sagen….es ist sozusagen mein Job. Der Beitrag hat sich ja auch nicht gegen die Dschungel gerichtet, lediglich eine Feststellung gemacht, wie der “Eintritt” sich verändernd auf Diadorims – nun – sagen wir – eigentliche Anwesenheit ausgewirkt hat.

    4. wundert sie das wirklich? es ist die ewig gleiche mär von stabigabi und ihren heldentaten und diadorims devoter rhetorik, und wer sie gerne hören mag, der liest sie sich halt vor. es ist ein blog. es gibt andere. wovon reden sie? dies hier ist eine nische für mich. ich bin kaum zu finden. ich könnte mein eigenes machen, wie so viele, mach ich ja auch vielleicht, aber ich würde mich sofort langweilen in der einigkeit mit mir selbst. darüber hinaus, ich fand den streitbaren menschen dahinter in der relativen distanz zu mir einen angenehmen menschen, es gibt wahrlich andere, die und deren werke ich schätze, und die zumeist auch mich und mein tun, die aber trotzdem aus einem dummen reflex mir dafür ans bein pinkeln, ganz im sinne der sache versteht sich, den reflex verstehe ich gut, hat anh nie gemacht, ist auch eine leistung, das nicht zu tun, das andere passiert reflexhaft von selbst. ich bin auch dankbar für freundlichkeit, ja, wahrlich, sehr sogar. freundlicherweise lud man mich gerade zu muscheln ein.

  2. Lieber Herr Herbst,

    ich stelle fest, Sie tun gerade bei mir, was ich bei Ihnen tue: Ich schaue mich in Ihrer Vergangenheit um. Also in Ihren vergangenen Texten. Und ich stelle fest: Sie haben ein deutlich komplexeres Privatleben als ich. Jetzt frage ich mich natürlich: fehlt mir da etwas? Oder stammt die Komplexität eher daher, dass ich die ganze Sache von Außen betrachte?

    Den Besuch bei Ihrem Hautarzt, den fand ich sehr amüsant, vor allem die Stelle mit Ihrem Hintern!

    Bei Faulkner sind wir auch einer Meinung!

    Herzlich

    1. @Aléa Torik. Nein, Ihnen fehlt da wahrscheinlich nichts, sondern ich bin einfach nur älter als Sie und habe gerne gelebt und lebe immer noch gerne, s e h r gerne: “So, Sohn, vernarrt bin ich ins Le­ben, ich ginge freiwillig eher, als daß ich’s beklagte”, heißt es in einer der >>>> Bamberger Elegien, von denen ich unterdessen annehmen kann, daß sie noch dieses Jahr als Buch erscheinen. Wenn Sie in mein Alter kommen werden, werden auch Sie auf einige Komplexität zurückschauen können und, vor allem, mit in ihr stecken, weiterhin und hoffentlich bis zu Ihrem Tod.

      Das mit dem Hintern war einfach so (ist so, weshalb soll ich’s verschweigen?), dergleichen macht mir viel Freude, um so mehr, als mein zehnjähriger Bub diesen Spieltrieb ganz offensichtlich geerbt zu haben scheint. Und… ja, ich schaue gerade durch Ihre Erzählungen, blättere mal hier, mal da, es bereitet mir Vergnügen, so daß ich>>>> sehr sehr gerne drauf verlinke. Zwar, ich bin mit einer “Blogroll” ausgesprochen heikel, was daran liegt, daß ich Ansprüchen aus dem Weg gehen und auch eine gewisse Willkür walten lassen will; selbst meine Freundin >>>> Buschheuer, die ich allerdings lange nicht mehr sprach und seit einiger Zeit nur noch auf Fotografien sehe, steht nicht drin; es würde, bei “freierem” Umgang damit, meine Koordinatenleiste auch noch unmäßiger verlängert, als sie ohnedies schon ist. Andererseits sind da nun Positionen freigeworden. Lassen Sie mich einfach noch etwas blättern. In den direkten Beiträgen verlinke ich dafür mit voller Hand.

      Doch wie Sie sehen, kommt mein Popo nicht bei allen gut an, auch wenn man den Verdacht hegen kann, dieses “alle” beschreibe eigentlich nur einen, vielleicht zweie.

      Ich warte heimlich darauf, daß Sie mir Fallen mit Foster Wallace stellen, wobei ich andererseits unbedingt davon abreden will, Ihren schönen Namen zu ändern. Selbst wenn er “nur” erfunden wäre, wäre er doch. Er lädt zum träumenden Fantasieren ein – davon haben wir zu wenig. Bonaventura wurde zu einer Idee wie Novalis. Was soll daran schlimm sein? Es bereichert. Wenn ich meine Opo-Fraktiönler hier lese und >>>> die Schlammschlachten, die sie veranstalten, dann denke ich immer, was seid ihr arm! Ich bin mir sicher, daß Sie sich solche Armut allein schon mit Ihrem Namen vom Herzen halten.

      Auf weiteres Lesen, weiteres Schreiben:

      Ihr
      ANH

  3. @ diadorim

    Was meinen Namen betrifft: Intellektuelle ziehen die Stirn in Falten und glauben selbst meinem Personalausweis nicht. Die anderen können ihn in der Regel nicht behalten. Die Sache ist in Wirklichkeit ziemlich banal: Mein Vater, Matthias Müller, ist vor dreißig Jahren aus Deutschland weggegangen, aus dem reichsten Land Europas in das ärmste. Dort, in Rumänien, hat er meine spätere Mutter kennen gelernt, Magdalena Torik. Soweit ich über die Vorgänge informiert bin, war für den Nachwuchs ein Name im Gespräch, der in beiden Kulturen akzeptiert und in Rumänien und in Deutschland Anklang finde sollte. In den rumänischen Ohren meiner Mutter klang Katrin gut. Bis mein Vater den hebräischen Namen Aléa entdeckte. Der Nachname meines Großvaters Torik stammt aber nicht aus Siebenbürgen, der Heimat meiner Mutter, sondern irgendwo aus Moldawien und seine Ahnen wiederum kommen aus dem russischen Raum oder dem ukrainischen. Der kyrillische Name meines Großvaters lautet: Торик. Er schweigt sich über die näheren Umstände seiner Herkunft aus. Das hat wohl etwas mit den Flüchtlingsströmen der damaligen Zeit zu tun, die nicht nur in Südosteuropa unterwegs waren.

    Ich liebe meinen exotischen Namen und würde ihn für kein Geld der Welt gegen einen andern eintauschen. Schon gar nicht gegen den, dem er am nächsten ist und dem ich einzig durch den Humor meines Vaters entgangen bin, nämlich Katrin Müller. Das klänge heute, vor allem aufgrund der ähnlichen Interessenslage, nach der Tochter von Herta Müller.

    Mit der Zeit klingt auch mein Name nicht mehr wie Alliteration oder Anapher. Mein bester Freund Julian hat mir vorgeschlagen ein Pseudonym anzunehmen. Aber wir sind uns nicht einig geworden. Er war für Will Kür, ich für Stocha Stik. Beides würde mich aber nicht signifikant entlasten.

    Und was die Blase betrifft: die Situation kenne ich auch.

    Herzlich
    Aléa

    1. und diadorim halte ich mittlerweile für völlig überschätzt.
      eine art in schnoddrig-flockige mundart gewältzter snobismus, karrieregeil, arrogant,
      und einen auf lyrikwallraff machend.
      völlig überflüssige ichbezogene “diskussionen” mit herbst über devianz führen.
      und ein bisschen jetsetgeplapper im TB.

    2. Haß ist übertragbar. Diese Art Linke, die sich hier unter verschiedenen Pseudonymen hassend geriert und damit “ihrem” Pop alles andere als einen Dienst erweist, hängt der Freude der Sippenhaft an; es ist eigentlich eine “Rechte”, politisch gesehen. Ich lasse diesen Angriff auf diadorim nur deshalb stehen, weil er sich selbst ungewollt nackt macht, und was wir da dann zu sehen bekommen, ist kümmerlich. Alles übrige findet sich im >>>> Anti-Herbst.
      Bei allem sind diadorim und ich nach wie vor über einiges verschiedener Auffassung. Ich finde das gut, daß sich das auch austrägt. Bei manchem sind wir ähnlicher Auffassung. Jedenfalls steht sie dem Pop – wahrscheinlich einem anderen als die so kläglich Benackten – klug zur Seite, und sogar ich höre da immer mal hin. Auch wenn ich, was einen Teil des Hasses erklärt,, begonnen habe, mit Neuer Fröhlicher Wissenschaft eine heilige Kuh… nein, nicht zu schlachten, sondern zu schächten. Was nicht leicht ist, das Tier ist ja schwer. Aber der Vorgang füllt die Rinne am Bordstein, was wiederum den Haß vergrößert. Wer einmal durch Bombay/Mumbai spazierte, offener Augen, offen Mundes, meinethalben indes klugseits geschlossener Nase, der weiß genau, was ich meine.

  4. Hallo, ich habe über das Literatur Archiv Marbach hierher gefunden und blicke noch nicht ganz durch. Ist das hier ein Literaturprojekt (einer bestimmten Literaturavantgarde?)?

    1. @Teresa. Ob Avantgarde, weiß ich nicht. But a rose is a rose, und es finden sich immer solche, die die Rose für ein Symbol des Ehekeifens halten und sich dann entsprechend danebenbenehmen. Sie glauben, eine Lache Urins zu sehen, und wälzen sich darin, weil es sie dazu innerlich zwingt. Man kann ihnen nicht helfen, aber man kann sie verschieben und/oder löschen. Manches erinnert an die Wut, die Jean Genet aushalten mußte, Henry Miller übrigens auch. Wieder anderes erinnert an abgestandene Cola, die diese “Herren” indes für einen Schierlingsbecher halten, um ihn mir zu reichen. Lassen Sie sich davon nicht irritieren. Und denken Sie an die Machete, die ist nicht nur bei Unkraut gut.

    2. “Lach” – ja, mir scheint auch, dass es für eine Fremde in Ihrem Urwald nicht ganz ungefährlich ist – und Sie meinen, eine “Machete” sei ausreichend?
      Jedoch ernsthaft: Es ist schade, dass die interessanten Kommentare und Gedanken, die hier auch zwischen Ihnen und anderen LiteratInnen ausgetauscht werden, nicht in einem Rutsch von einer Fremden durchgelesen werden können.
      Bzw. in mein Fernglas immer wieder urige Gesellen drängen. Die haben Sie wohl zu dem “Wolpertinger” inspiriert?

    3. @Teresa. Nein, keine Wolpertinger-Figuren wurden durch Die Dschungel inspiriert (wohl aber Figuren des dritten Anderswelt-Romans), was schon daran liegt, daß der Wolpertinger einundzwanzig Jahre vor Der Dschungel begonnen worden und elf Jahre vor Der Dschungel als Buch herausgekommen ist. Es ist aber so, daß ganz umgekehrt Figuren aus dem Roman bisweilen hier erscheinen, “herumspuken” muß man in nicht wenigen Fällen sagen, als hätten sie tatsächlich auf Professor Murnau gehört (Sie erinnern sich des Things? Septor 6, Kapitel 2). Wegen der (N)Etikette. Ich kann nicht auf sie achten, wenn es andere nicht tun. Den Müll, den mir mein Nachbar vor die Wohnungstür kippt, muß ich halt wegmachen, sonst bleibt er da liegen. Er zeigt aber, daß man mich weghaben will, Die Dschungel weghaben will. Man könnte sie ja auch einfach ignorieren.

      Neuerdings versuche ich, Die Dschungel ein bißchen zu strukturieren – hoffnungsloses Unterfangen! Kennen Sie das Gedicht von Kipling, worin er beruft, wie Die Dschungel ein Dorf überwächst? Mir hat das immer gefallen. (Ich komm heute zu fast gar nichts anderem mehr.)

    4. In Kipling´s “Dschungelbuch” gibt es ein Dschungelgesetz, das Balu, der Bär immer sang (ich liebe seinen Gesang im gleichlautenden Film). Dieses Gesetz wurde für das aufrührerische Wolfspack geschaffen und sollte es fern halten, wenn ich mich recht entsinne.

      Meinten Sie diese Zeilen(?):
      Hüllet sie, decket sie, schlinget sie ein,
      Blüte und Ranke und Kraut!
      Der Geruch und Geschmack soll vergessen sein,
      Dieser Brut, ihr Blick und ihr Laut!

      Vielen Dank auch für die “guidance”, Herr Herbst, es dauert wohl Wochen bis ich mich hier zurecht finden werde. Sehr spannend, Ihr Projekt. Ihr Schaffensdrang erinnert mich – verzeihen Sie, wenn ich diesen Vergleich ziehe (weil man sie Beide nicht vergleichen kann, da jeder von ihnen anders ist) – an den von Thomas Bernhard (ich lese gerade den Schriftwechsel mit Unseld) und das ist einfach unglaublich. Da wird sicher manche/r, d(i)e/r Jahre für einen Roman braucht, neidisch. Vielleicht wird deshalb hier so gewütet von den “Wölfen”?

    5. @Teresa zu den Wölfen. Die n i c h t gemeint sind, jedenfalls bei Kipling nicht, der sich übrigens davor gehütet hat, die Tiere auf eine Weise zu vermenscheln, wie die Disney Production das tat. Will sagen: Ich teile Ihre Freude an der Disney-Version des Dschungelbuches (leider sogar beider Dschungelbücher) nicht. Es kann bei Kipling von Wolfs”pack” nicht die Rede sein, “Pack” ist bei ihm allenfalls der Menschenjäger Schir Khan, eben weil er Menschen jagt – nämlich nicht, weil das wirklich ein Wild wäre, das – als Wild – ernstgenommen werden sollte, sondern weil es – zu leicht ist. Pack ist bei Kipling auch Tabaqui, der Schakal, und die Affen sind es.
      Dennoch geht das Gedicht, das ich tatsächlich meinte, gegen den Menschen, der permanent das Gesetz der Dschungel mißachtet. Dschungel ist bei Kipling weiblich, von da habe ich es übernommen, wobei Hindi “jangal”, bzw. “jangala” eigentlich eine wasserarme Gegend meinte, die deshalb noch nicht kultiviert war; erst später war, speziell, bewaldetes Gebiet gemeint. Das Gedicht, wie ein Fluch, ruft zum Kampf gegen diese Kultivierung auf, die den Tieren (bei Kipling: Völkern) den Lebensraum gestohlen hat. Das ist alles, wenn man Kipling liest, sehr viel unbequemer und härter als der hochgradig verfälschende Weichzeichner Disneys. Disney spielt für die Große Literatur ungefähr die Rolle, die die sog. Kinder- und Jugendfassungen berühmter Romane spielen, bzw. gespielt haben. Denken Sie an Moby Dick, der k e i n Roman für Jugendliche ist, denken Sie an Coopers Lederstrumpf; all dies ist verfälscht worden und wurde uns als Kindern so ins Bewußtsein gepflanzt. Wobei Kipling ganz sicher zu den bedeutendsten Autoren zählt, die jemals gelebt haben.

      Von Bernhard habe ich mich instinktiv immer ferngehalten; ich kenne Das Kalkwerk und Alte Meister, mehr nicht.

    6. Da sehen Sie mal, Herr Herbst, wie die Erinnerung aus Kindheits Tagen (bei mir) nachwirkt. Jedenfalls habe ich eben Ihre Ausführungen zu Kiplings Dschungelbuch mit großem Interesse gelesen.

      Und was Bernhard betrifft, wußte ich, warum ich vorhin vorsichtig formulierte; ich bin auch kein Bernhard-Fan, aber dieser Briefwechsel hat doch seinen Reiz; zumal ich mich vor Monaten mit der Person Unselds aus der Perspektive Walsers danach mit ihr aus der von Johnson beschäftigte. Damit schließt sich nun der Kreis für mich.

      Jetzt möchte ich mich hier nicht länger in andere Kreise dazwischen “schalten”. Bevor ich mich für heute auslogge, will ich die Seite noch “favorisieren”, um Sie beim nächsten Mal schneller wieder zu finden. Noch angenehme Nacht-Gespräche und bis bald.

  5. @ANH ja…. neue pflanzen finden immer von allein ihren weg, entweder trägt der wind sie an land, oder das meer. allerdings auch das unkraut, aber dafür gibt’s ja die verschiedensten pragmatischen möglichkeiten der bekämpfung. es gibt pflanzen, die in die nähe ihrer eigenen anpflanzungen gesetzt, das jäten ersparen, dazu gehört beispielsweise die ringelblume. oder sie setzen streckenweise bodendecker, damit sich darunter durch das zersetzen des unkrautes guter humus bilden kann (ist übrigens schön weich für ein gemütliches nachtlager). eine variante wäre noch das termische jäten, sprich eine kurze brandrodung, und dann gibt’s noch die angelica archangelica, sie hat kleine kelchzähne. wenn man’s richtig macht, bekommt das unkraut die funktion des nährens des bodens. jeder klicker ein gewinn!

    danke für das willkommen!

    aléa torik…. welch schöner name. und melusine?, ich glaub ich sah sie schon, von fern, als ich da unten lag, auf dem grund… mit geöffneten augen.

    @paul reichenbach: gute besserung!!!

  6. Leider habe ich noch keine zufrieden stellende Antwort auf meine Frage erhalten, ob das hier ein Literaturprojekt ist? Anscheinend gilt auch keine (N)Etikette von Umgangsformen!?
    Oder ich habe den falschen Abend erwischt?
    Eben habe ich nach einer Art FAQ gesucht? Anscheinend “chatten” Sie alle in diverse Kommentarfunktionen hinein, zu den unterschiedlichen Themenrubriken, die hier angelegt sind.

    1. Nachtrag @Teresa. Wegen der interessanten Diskussionen, die Sie offenbar auch gefunden haben, oder doch einige davon: Da Die Dschungel in Buchform unterdessen Zehntausend(e) Seiten ergäben, leider nicht Saiten, ist daran gedacht, Einzelnes auch in seiner Folge herauszulösen und nach und nach getrennt zu publizieren, und zwar auch solches, das nicht von vornherein als Buch geplant und in Der Dschungel entwickelt worden ist (etwa die >>>> Bamberger Elegien), sondern auch, zum Beispiel, die >>>> Paralipomena, dann ohne die “störenden” Kommentare, die allerdings für Die Dschungel ganz wesentlich sind, und zwar unter dem Titel “Neue Fröhliche Wissenschaft”, angereichert um einige >>>> Notate und so fort. Allerdings hat das keine Eile und darf sie auch nicht haben, da allein in diesem Jahr drei Bücher von mir erscheinen werden und von einem vierten, vielleicht fünften geht die Rede… vielleicht ist die Sichtung Der Dschungel auch eine Aufgabe, die gar nicht mehr ich selbst durchführen sollte.

      Ja. Es ist ein Literaturprojekt. Es ist zudem schon Gegenstand literwissenschaftlicher Untersuchungen geworden, siehe etwa Renate Giacomuzzis Aufsatz >>>> dort.

      Ich hoffe, daß ich Ihre Frage jetzt so beantwortet habe, daß Sie sie nicht mehr für ignoriert halten.

  7. Lieber Herr Herbst,

    zuerst zum Hintern: da war viel Häme dabei. Ich weiß nicht, wo so etwas herkommt. Ich finde es gut wenn man seinen Köper mag, egal welche Teile. Wer soll einen lieben, wenn man nicht einmal sich selbst liebt?

    Ich habe mich sehr gefreut als ich gelesen habe, dass Sie gerne leben. Das sagen nicht viele in diesem Land, die meisten klagen. Vielleicht hat das etwas mit Ihrem Hintern zu tun, das Sie gerne leben. Den eigenen Hintern zu haben und das Leben führen zu wollen, das man da lebt. Und nicht ein anderes, ein luxuriöseres, lauteres oder leiseres. Ich lebe auch gerne! Ich wüsste auch gar nicht, was ich sonst den ganzen Tag lag tun sollte.

    Machen Sie sich keine Gedanken über die Blogroll. Ich will da nicht unbedingt drauf.

    Zu Wallace stelle ich Ihnen keine Fallen. Ich darf, anders kann ich das wohl nicht formulieren, einen Aufsatz in einem angesehenen Magazin über David Foster Wallace schreiben. Das wird meine erste richtige Veröffentlichung! Wenn sie denn genommen wird. Ich muss den Essay Ende April abgeben. Dazu werde ich den Roman noch einmal lesen müssen. Ich beginne damit Mitte März. Während dieser Lektüre werde ich Ihnen einfach in loser Folge einige meiner bevorzugten Stellen notieren. Vielleicht bekomme ich Sie ja doch noch dazu, diesen Text ein wenig höher einzusortieren als Sie das bisher getan haben.

    Ich fange doch gleich mal damit an. Als Randy Lenz loszieht, um Tiere zu Tode zu quälen und er eine Ratte mit einem Stein erschlägt, da beschreibt Wallace das dabei entstehende Geräusch mit folgenden Worten: „Der große Brocken landete mit der flachen Seite auf dem meisten von der einen Ratte und einem bisschen von der anderen. Ein fürchterliches Schnatterquietschen war die Folge gewesen, aber der größere Treffer auf der einen Ratte hatte auch ein sehr solides und vielsagendes Geräusch erzeugt, die akustische Kombination einer gegen eine Wand geworfenen Tomate und einer mit einem Hammer zertrümmerten Taschenuhr.“ (S. 779)

    1. Liebe Aléa Torik, einzelne Sätze sagen nicht viel über einen ganzen Roman, zumal nicht über einen 1000seiter. Darüber hatten wir schon mal gesprochen. So muß ein zitierter Satz denn, wenn es um… na ja “Urteil”sfindungen geht, für sich alleine stehen (muß er natürlich nicht, da er sich ja nicht selbst aus dem Zusammenhang gerissen hat, sondern jemand anderes tat das). Dies davorgeschoben, bin ich mit dem zitierten Satz nicht so zufrieden wie Sie. Ich empfinde ihn als hölzern, besonders dieses “auf dem meisten von der einen Ratte und einem bißchen von der anderen”, hier stört mich auch die “bißchen”-Bestimmung. Klar, das soll ein ein bißchen sadistischer Ulk sein, aber weshalb diese Klamotte gleich, zumal bei diesem Anlaß? Mir kommt das wie Trash vor, den ich genau aus denselben Gründen nicht mag; wenn ich den Namen Tarantino höre, heb ich das Gesicht zum Himmel und danke für Peter Greenaway. Dazu kommt, daß ich den anderen Witz eher läppisch finde, das dann entstehende Geräusch “ein sehr solides” zu nennen, indes “vielsagend” eigentlich g a r nichts sagt und auch als Witz das Schicksal der ersten Ratte teilt. Ich kann mir auch, aber das mag an mir liegen, die akustische Kombination, von der die Rede ist, nicht vorstellen – und ich kenne einige Geräusche. Das der mit dem Hammer zertrümmerten Taschenuhr fehlt da. Nein, Frau Torik, das ganze Bild ist im Satz hergezerrt und schrecklich ausgedacht.
      Das sagt aber, siehe oben, nichts gegen den ganzen Roman. Ich bin nur bis Seite 231 vorgedrungen, aber wenn jemand solch eine Begeisterung ausstrahlt, werde ich geneigt, trotz solcher Sätze wie dem hier zitierten die Lektüre noch einmal aufzunehmen – nicht des Buches, sondern der Begeisterung wegen, die mir entgegenkommt.

      Ja, das mit dem Gerne-leben ist eine eigenartige “Sache”. Ich habe in armen Ländern mehr Menschen kennengelernt, die gerne lebten, als hier; es gibt sie hier aber auch. Doch dürfen Sie sich nicht bemerkbar machen, sonst fallen die Fluchtkiffer über sie her und die Berufs-Depressiven, derer es im Literaturbetrieb Tausendscharen zu geben scheint, der ja aus der Elendsvermarktung sein Einkommen zieht, und die soeben >>> diadorim mit einem kleinen Virtuosenstück überaus treffend benannt hat.

    2. @Alea Wenn Sie Wallace besprechen wollen, dann dürfen sie das auf keinen Fall explizit an der Sprache versuchen, sie werden sonst scheitern und nur Sondermüll ablassen. Sie machen dann genau den Fehler, den alle in dem Wallace-Blog gemacht haben, sie haben den Roman ästhetisch zu lesen versucht, und damit sind sie zum Inhalt des Romans geworden. Sie haben den Infinite Jest einfach erweitert in die spießbürgerliche “Wertung” von Worterfindungen oder Satzbau oder Grammatik oder oder. Vergessen Sies. Schreiben Sie keine explizite Besprechung über diesen Roman, der übrigens wirklich Scheiße ist. Also der Roman ist Sondermüll und als das ist er auch philosophisch gedacht und konzipiert. Wer sich damit explizit auseinandersetzt, kann sich nur kontaminieren. Ich gebe ihnen einen Tipp für eine intelligente Besprechung. Nehmen sie genau nur 5 bis 10 Seiten des Romans und besprechen diese , als würde der Roman nur aus diesen 10 Seiten bestehen. Pieken Sie nach dem Zufallsprinzip mit dem Finger in das Buch und zählen sie zehn Seiten ab und besprechen das als Roman. Geben Sie zu dieser Methode eine intelligente Einleitung und sie haben eine gute Besprechung. Wallace ist ein Hochvoltliterat, der nur in kurzen Sequenzen seine Amplitudenspitzen erreicht, die aber dann sehr heftig sind, der Rest ist Müll, Stoff. Gährung. Lesen sie “nterviews mit fiesen Männern” oder “in alter Vertrautheit” Da ist er in seinem Format. Infinite Jest ist – genialer – Sondermüll.

    3. @Solus zu “der Rest ist Müll, Stoff. Gährung”. Sowie Sie Gärung ohne “h” schreiben, finde ich Ihre Ausführung einen spannenden Ansatz; darauf bin ich, als ich das Buch zu lesen begann, nicht gekommen – wahrscheinlich weil ich mich von den kursierenden Vergleichen mit Pynchon blenden ließ, zumindest beeinflussen, der nun ein M e i s t e r des Romans ist, seiner Konstruktion wie seiner Sprache. Das ist mir bei Foster Wallace kläglich und mühsam vorgekommen. Jetzt wäre es also nötig, folgte ich Ihnen, die “richtigen Stellen” zu finden. Vielleicht sollte ich meine Angewohnheit auf Foster Wallace übertragen, die ich bei oft gelesenen Büchern habe, wenn ich sie abermals wiederlese, etwa bei Marianne Fritz, auch bei Arno Schmidts Riesenschinken: tatsächlich irgend eine Seite aufschlagen, lesen, wenn’s nicht gefällt, eine andere Stelle aufschlagen usw. Jedenfalls finde ich Ihre Erklärung erst einmal einleuchtend. Wobei mich das andererseits deshalb nicht wundert, weil Sie ja meine Erfindung sind; wie sollten Sie da anderes denken können als ich?

    4. Übrgens Herbst, die Art, wie Sie Ihrer Figur als auch den Kommentaren die Tippfehler hinterhertragen, zeigt von aller zartester Verunsicherung. Auch schön.

    5. @Solus. Verunsicherung kann man das kaum nennen, wenn ich meine Figur bis ins Detailstrukturiere. Tippfehler und die Ermahnung dafür gehören zusammen, sonst wären wir einander zu sehr nahgezeichnet. Ich bin ja mit Ihnen >>>> vom Profi geoutet worden, da wird man immer präziser. Zu solcher Präzision, gerade, gehört die Inszenierung der Fehler.

  8. Guten Morgen,

    ich hatte nichts anders von Ihnen erwartet, als dass Sie ein sehr fundiertes und gut begründetes Urteil abgeben können. Aber ich würde mich nicht mir Ihnen anlegen, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass ich es in irgendeiner Weise, vielleicht mit einigen Blessuren, auch durchstehe. Raufen und Reimen, das ist eine schöne Alliteration. Und für rhetorische Figuren habe ich ja eine Schwäche. Mir macht diese Art von Auseinandersetzung einfach Spaß.

    Randy Lenz ist ein Mensch der eine schwierige psychische Struktur aufweist. Wallace konzipiert seine Figuren nun nicht allein als Erzähler, der sie auch mal in direkter Rede präsentiert, sich aber ansonsten auf eine auktoriale oder sogar auf eine scheinbar objektive Erzählposition zurückzieht. Wallace steigt vielmehr ganz tief in die Figuren ein. Randy Lenz spricht kein sophisticated upperclass English. Es spricht es nicht einmal dann, wenn der Erzähler über ihn spricht, denn der Erzähler spricht nicht über ihn, er spricht aus ihm. Das wimmelt vor Fehlern – „war die Folge gewesen“ – und unschönen Formulierungen – „auf dem meisten von der einen Ratte …“. und vor Malapropismen, die in den zwei Sätzen allerdings nicht auftauchen. Diese Falschheiten konfrontiert Wallace nun mit seinem hypergenauen Realismus „ die akustische Kombination … “.

    Lenz zieht immer gegen 23.00 Uhr los, um Tiere zu quälen. Wir wissen nicht, warum das so ist. Wallace unternimmt keinen Aufklärungsversuch. Er will mir nicht erklären, warum Lenz so ist, warum er Tiere quält und warum das immer zu dieser Zeit dringend ist. Ich kann mir, wie vermutlich die meisten Leser, nicht vorstellen, was in diesem Mann vorgeht. Ich kann mir ebenfalls nicht vorstellen, wie eine Ratte stirbt. Als Autor habe ich an dieser Stelle ein Problem. Entweder fange ich an, zu erklären oder ich beschreibe die Situation. Wallace löst das Problem auf eine sehr ungewöhnliche Weise: er beschreibt das Geräusch, das entsteht als die Ratte stirbt.

    Anderes Beispiel: Sie kennen meinen Landsmann Paul Celan, Sie kennen eines der berühmtesten Nachkriegsgedichte in deutscher Sprache, die „Todesfuge“. Ein Gedicht über das vielleicht furchtbarste Verbrechen in der Menschheitsgeschichte, über Auschwitz, über die Judenvernichtung, und, wie die Literaturwissenschaft herausgefunden hat, über den Tod seiner Mutter. Celan hat an dieser Stelle ein Problem: wie erzähle ich Auschwitz? Wie erzähle ich das Unvorstellbare, ohne in Klischees abzurutschen, ohne Mitleid und Tränen und Unverständnis zu evozieren? Und die Lösung, zu der Celan greift? Er erwähnt Ausschwitz mit keinem einzigen Wort! Weil es schlechterdings nicht zu erzählen ist. Deswegen ins Schweigen zu verfallen, wäre die falsche Lösung. Und sie wäre auch keine erzählerische Lösung. Celan umgeht dieses Problem, indem er die Sprache auf das Äußerste strapaziert: „Schwarze Milch der Frühe …“

    Zurück zu Wallace: „die akustische Kombination einer gegen eine Wand geworfenen Tomate und einer mit einem Hammer zertrümmerten Taschenuhr“. Wallace betont oft die auditive Qualität von Ereignissen. Möglicherweise wird da leidglich ein Mangel kompensiert, man hat, auch in dem Blog an dem Sie und ich mitgemischt haben, betont, dass Wallace nicht gerade für sinnliche Beschreibungen zu loben ist. Dennoch ist der Roman teilweise sehr sinnlich, zum Beispiel was Geräusche angeht.

    Ich war zwei Jahre mit einem Blinden zusammen. Das werde ich hier nicht breittreten. Ich habe mich dadurch sehr verändert: ich reagiere nicht auf Bilder, ich reagiere nicht auf Werbung, ich habe keine Fotos in meinem Blog und ich interessiere mich nur nebenbei für schöne Klamotten. Aber ich reagiere sehr empfindlich auf Geräusche. Und auf die Beschreibung von Geräuschen. Die Akustik ist keine äußerliche Angelegenheit, anders als die Optik, sondern dient der Orientierung!

    So!

    Was mache ich heute? Ich frühstücke, ich räume ein bisschen auf, ich bastele mir noch ein oder zwei Blogbeiträge zusammen, ich habe da schon eine Idee, ich beteilige mich an einem Wettbewerb, wo es nichts zu gewinnen gibt, ich muss zwei Bewerbungen für Stipendien fertigmachen, ich will noch zwei Verlage anschreiben, ich will versuchen mich als Journalistin für die re:publica zu bewerben, vielleicht bei der TAZ – man muss viel bitten und das fordern fällt mir leichter -, ich muss etwas fürs Doktorandenseminar am Montagnachmittag lesen, ich telefoniere bestimmt ein bisschen, eine Freundin aus Bukarest bekommt ein Kind und ich muss etwas besorgen, so ein Atemkontrollgerät.

    1. Alèa Torik, guten Abend. Über den Tag war ich beschäftigt für Arbeit und Familie und am Cello, ich kam nicht mal zum Lesen des Romans, an dem ich gerade, mittlerweile schon nicht mehr willig, „hänge”. So wurde es mit meiner Antwort Abend.
      Ich möchte gar nicht, daß Sie sich mit mir anlegen oder ich mich mit Ihnen, einfach schon, weil es in Der Dschungel mit der Anlegerei ein wenig zu viel geworden ist und ich es deshalb sehr genieße, freundlich miteinander zu sprechen, bzw. zu schreiben. Nebenbei dient das dem Stil, den ich gerne elegant habe, durchaus in einem „alten” Sinn, denn es ist sehr leicht, frozzelig, grob oder hämisch bis kalt zu formulieren; dann aber schwingen Sätze nicht, sondern sie tumben, toren und machen Trara: multo rumore per nulla.
      Was Sie übers Gehör schreiben und die Wahrnehmung von Welt in erster Linie über dieses, beschäftigt mich und ist mir, der ich alles andere als blind, der ich ein Augentier bin, doch sehr nah. Sie werden die Gedankenspiele kennen, die einem bisweilen kommen: Wähle, ob du lieber aufs Augenlicht oder aufs Gehör verzichten würdest. Auch, wenn das für mich erotische Konsequenzen hätte, unter denen ich ganz sicher litte, wäre mir die Wahl fast leicht: auf jeden Fall weiterhören. Mir ist ein Leben ohne Musik nicht vorstellbar noch wünschenswert, ein Leben ohne Bilder fände ich erträglich, eines ohne Literatur ebenso. Ich würde halt dazu übergehen, wie Distojewski tat, ein Verfahren des Diktierens meiner Geschichten zu entwickeln, die sich dann sicher ändern würde, ich könnte wohl auch Die Dschungel nicht weiterführen, aber alles das ist nichts gegen den Verlust der Musik. Zudem ist es auffällig, daß es sehr wohl glückliche, ja gutgelaunte Blinde gibt: die Tauben hingegen werden mißgestimmt gram, dauerhaft düster, sie verlieren den Kontakt – vielleicht sogar den zu sich selbst. Möglicherweise werden sie lebensunfähig. Dies mein freilich ungesicherter Eindruck. – Ich erführe also gerne mehr. Wiederum ist „Raufen und Reimen”, namentlich „Raufen”, voll recht angenehmer Neben-Konnotationen. Womit man dann wieder beim Eros wäre. Ich stelle es mir innig vor, ein Gesicht nur zu ertasten, und die Fähigkeit zu erlangen, es wirklich zu ertasten. Wahrscheinlich müßte ich nicht einmal aufgeben, weiter mein Cello zu erlernen (es klingt immer noch furchtbar, wenn ich spiele).

      Das also interessiert mich mehr als Randy Lenz, der mich allenfalls aus klinischen Gründen interessieren könnte; ich hatte immer und habe noch eine Neigung zu psychotischen Figuren, nicht zu neurotischen, die mich schnell nerven würden. Haben Sie, nebenbei gefragt, Infinite Jest im US-Amerikanischen gelesen? Interessiert mich, weil Sie sehr genau über sophisticated bzw. downclass English bescheidzuwissen scheinen. Andererseits, den von Ihnen zitierten Satz sehe ich ja eben n i c h t als „hypergenauen Realismus” an, sondern halte ihn nach wie vor aus den genannten Gründen für bemüht konstruiert. „Er beschreibt das Geräusch, das entsteht als die Ratte stirbt”: Das eben, Aléa, glauben Sie – oder wissen Sie es? Ich habe den Eindruck, Foster Wallace hat Sie an einer ganz anderen Stelle „erwischt”, und so geben Sie ihm an allen anderen Wahrheitsfunktionalität (verzeihung, da kommt mein alter Logiklehrer Trapp aus der Essler-Schule einmal wieder durch). Ich denke darüber hinaus – aber das ist eben m e i n Credo, das durchaus nicht der gängigen Meinung entspricht und das auch gar nicht will -, daß auch in einem Kunstwerk verwendete „Untersprache” eine Art Schönheit entwickeln muß, auch sie kann ich nicht einfach „abschreiben”, sondern muß ihr ein verfremdendes Element geben, das sie dann überhaupt erst „realistisch” wirken läßt. Meinen Studenten gebe ich gerne das Beispiel mit der Küche auf einer Bühne. Wenn Sie auf eine Bühne eine normale Küche bauen, dann sagen die Zuschauer mit Recht: Guck an, eine Küche auf der Bühne. Ich will aber, daß sie sagen (und sehen): Oh, eine Küche. Also muß ich etwas, ja vieles an der „tatsächlichen” Küche verändern, damit die Küche auf der Bühne Küche überhaupt erst wird. So ist das auch mit der Sprache. Übrigens weisen wir alle, komplett alle, schwierige psychische Strukturen auf; die meinen bin ich dabei, ganz offen zu erzählen.

      Was Sie zur Todesfuge schreiben, ist mir nicht neu. Aber vielleicht wissen Sie etwas nicht. Als Celan die Todesfuge vor der Gruppe 47 vortrug, einer ziemlich gehässigen Truppe von, möchte man unterdessen denken, Kriegsgewinnlern, die ihre Macht konsolidieren wollten und rechts wie links alles wegtraten, das nicht in ihren neuerdings linken Kram paßte, – als Celan also die Todesfuge vortrug, wurde er – ausgelacht. Gehässigst. Er hat das, soviel ich weiß, nie verwunden. Daß er die Sprache „strapaziert” habe, kann ich gleichfalls nicht finden. Er hat sie, so weit es ging, belastet. „Das ist ein andres”, sagt Gurnemanz zu Parsifal. Im übrigen ist „Schwarze Milch der Frühe” bereits celanseits ein Zitat; ich mag das aber hier nicht vertiefen, es ist genug darüber geschrieben, auch gelästert worden; unterm Strich: der Größe dieses Gedichtes nimmt das nichts, nichts seiner Aura, nichts seiner Strahlkraft. Man wird noch in einhundert Jahren Doktorarbeiten darüber schreiben. Nur daß in Celan der Stachel, dafür ausgelacht worden zu sein, steckengeblieben ist. Nein, auch Autoren, auch Kollegen, sind in den seltensten Fällen gute Menschen.

      Ich hatte heut über den Tag momentlang die Tendenz, mal in den Mauerpark hinüberzuspazieren, um zu schauen, ob ich Sie erkenne. Vom Terrarium aus sind das keine fünf Minuten. Aber ich ließ es sein, ließ es auch, darum, sein zu fragen, was um der Göttinnen willen denn eine schwangere Frau mit einem Atemkontrollgerät will. Sie wird ihr Kind bekommen, und wenn die Regeln der Hygiene befolgt sind, kann sie es auch zuhaus… ein falsches Wort, ein richtiges: empfangen.

      Mit einem Gruß des armen >>>> Otellos in die Nacht:

      Ihr
      ANH

  9. Lieber Herr Herbst,

    Sie hätten mich gestern im Mauerpark nicht entdeckt. Wenn Sie allerdings dort gewesen wären und niemanden entdeckt hätten, dann hätten Sie mich entdecken können: weil ich nämlich auch nicht da war!

    Ich war am Samstag mit meiner Freundin in einem Sportstudio beim Yoga und habe am Sonntag meine malträtierten Knochen pflegen müssen.

    Das war kein Atemgerät, ich habe da etwas falsch verstanden. Es ist ein Gerät, das den Herzschlag von Säuglingen kontrolliert. Und es ist auch nicht mehr im Gespräch. Jetzt redet man über einen Sterilisator, also so ein Gerät, mit dem man Milch sterilisiert. Hauptsache Elektronik.

    Die Länge Ihres letzten Kommentars, und nicht nur die Länge, zeigt: die Angelegenheit wird langsam komplexer. Ich müsste jetzt etwas zu Wallace sagen, zu Celan (ich wusste tatsächlich nichts von den Lachern), zur Rezeption von Literatur und zu ihrer Wirkung. Das spare ich mir aber. Ich habe montags Kolloquium und dann komme dann ich immer platt nach Hause. Und Wallace erwähne ich auch erst wieder, wenn ich an meinem Essay schreibe.

    Auch wenn ich das jetzt nicht alles beantworte, was Sie da gestern Abend noch geschrieben habe, ich hab‘s dennoch gerne gelesen.

    Was Sie zum sich-miteinander-anlegen sagen, das unterschreibe ich: ich mag auch den gehobenen Stil. Und ich freue mich, dass wir da offensichtlich hinfinden. Auch wenn ich zu Anfang hier ebenfalls herum gepöbelt habe.

    Ich will mich auch noch im Dschungel registrieren lassen, obwohl das eigentlich gegen meine Auffassung von Urwald verstößt. Aber ich habe keine Lust, dass andere meine Identität nutzen. Dieses Procedere verschiebe ich allerdings auf morgen oder meinen nächsten Beitrag.

    Was sind das eigentlich für seltsame Schlachten, die manche Ihrer Kommentatoren hier veranstalten?

    Aléa Torik

    1. Liebe Aléa Torik, wegen der Pöbeleien habe ich eben die anonyme Kommentarfunktion deaktiviert, auch wenn ich, ganz wie Sie, meine, daß ein Urwald Freiheit braucht. Allein, die “seltsamen Schlachten” sind derzeit so gezielt geführt, daß es ist, als fiele in ein Biotop, das ein intakter Regenwald zweifelsfrei noch ist, eine nicht endemische Schlingpflanze ein, die alles andere zu ersticken droht. Da sind dann eben d o c h Maßnahmen erfordert, zumal wenn ich nicht einmal mit dem Löschen nachkomme, weil schon wieder neue und aberneue Kommentare aus demselben Ungeist, und exponentiell sich vermehrend, eingestellt wurden. Ich hatte in der unterdessen sechsjährigen Dschungelgeschichte schon öfter mit derartigem zu tun, es auch immer gemeistert, aber es muß da dann eine Art Notstandsgesetzgebung greifen. Tut mir leid.
      Die seltsamen Schlachten gehen gegen mich in erster Linie, gegen meine Auffassung von Literatur, aber vor allem gegen meine Präsenz, bzw. die Präsenz Der Dschungel und gegen gewisse dem Schlächter”geist” unliebsame Haltungen, die man wegkriegen will. Wie meine anderen Kommentatoren damit umgehen können, liegt eigentlich auf der Hand; Sie schrieben das ja selbst.

      Auch wenn Sie hier nicht mehr schreiben möchten als >>>> dort, was ich gut verstehen kann, hoffe ich doch, Sie bleiben Der Dschungel gewogen.

      Auf Morgen!
      Ihr

      ANH
      der sich gerade dringend um etwas anderes kümmern muß, für das Die Dschungel in den nächsten drei Wochen vielleicht eine entscheidende Rolle spielen wird.

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