Arbeitsjournal. Dienstag, der 23. Februar 2010.

5.58 Uhr:
[Arbeitsjournal. Bach, Ein musikalisches Opfer.]
Wie es um uns steht, sagt, was mir लक vorgestern erzählt hat: daß der Brötchenteig, den viele, wenn nicht die meisten sogenannten „Backstuben” – also nicht: „Bäckereien” – im Lauf des Tages verbacken, und die Discounter sowieso, in Afrika hergestellt und dann per Flugzeug nach Deutschland gebracht wird. So etwas sagt einiges über die seelische Befindlichkeit einer Art, will sagen: über ihre Gleichgültigkeit gegen das Leid des Geschöpfes. Ja, diese Weise der Teig-Herstellung und -Distribution für wohlgenährte Europäer wird einigen Afrikanern (also Angehörigen sehr verschiedener Völker) Arbeit geben, aber wie der Teig dann in wahrscheinlich Containers vielleicht weite, vielleicht kürzere Strecken an den Armutssiedlungen vorbeikarrt, in denen Menschen verhungern, ist kaum als Bild wiederzugeben.
Hier, bei mir in der nahen Umgebung, haben sich nicht viele „Ostbäcker” halten können, aber in der einen, Bäckerei Hacker in der Stragarder Straße, sieht man den fast schon selbst in die Jahre gekommenen Erbbäcker morgens um vier noch in einer richtigen Backstube stehen und kneten; die Ladentür ist meist angelehnt, so daß der Duft des Backwerks, das bereits im Ofen gart, durch die Straße zieht. Eine zweite Bäckerei, die ich sehr liebte, ist mittlerweile geschlossen; immerhin scheinen auch da die Kunden treu gewesen und lange geblieben zu sein, bis die Bäckersleute ihr Geschäft aus Altersgründen schlossen.

Ich muß gleich wieder ans Terrarium, die Kinder besorgen, die Zwillingskindlein in den Musikkindergarten bringen, mich um die Kranke kümmern; dann wieder her, um wenigstens das Nötigste zu richten, dann wieder dort hin; mittags zum Konzerthaus, wo ich zu einem Kamingespräch ohne Kamin geladen bin; so kann ich heute nicht kochen, sondern werd meinem Buben ein bißchen Geld für ein halbes Hähnchen geben. Abermals Terrarium. Vielleicht bekomme ich meine Rezension dennoch heute hin. Und Socken und Unterhosen muß ich kaufen, für Frankfurtmain; es war keine Gelegenheit zu waschen. Ich will morgen um fünf den Frühzug nehmen und während der Reise sowohl den >>>> horen-Beitrag als auch die Fahnen >>>> des neuen Erzählbandes korrigieren, dann gleich bei der Frankfurter Ankunft hinausschicken. Vielleicht bekomme ich doch noch die Lösung hin, die mir gestern zu spät oder eben vielleicht nur verspätet noch eingefallen ist.

Es wird ganz sicher wieder viel telefoniert werden (müssen). Seit zwanzig vor sechs bin ich auf.

11.01 Uhr:
Am Terrarium gewesen, im >>>> Musikkindergarten gewesen, beim Schlüsseldienst gewesen, jetzt noch am Schreibtisch, zu Ilgs Otello recherchiert, die Bahnfahrt für morgen gebucht, die Fahrkarte ausgedruckt, mit dem Profi zum „Fall” Peter Grosz telefoniert, dabei den zweiten Latte macchiato getrunken, für Die Dschungel eine Administratorin neu bestellt, weil die Anfeindungszahlen bald exponentiell hochschnellen werden; noch nicht rasiert, aber das macht nichts, steht mir ganz gut so; und Anzüge aus der Reinigung, bzw. vom Schneider abgeholt. Die Musikaufnahmen zu >>>> Křenek fürs Konzerthaus auf einen 16GB’er USB-Stick überspielt, den ich zu dem „Kamin” gespräch um 13 Uhr mitnehmen will und muß, und auch noch, wenn auch kurz, mit der Löwin telefoniert. Jetzt gleich wieder ans Terrarium, nach dem Rechten sehen, dem Linken und oben und unten; dann zum Konzerthaus. Hab ich eigentlich schon meine Zähne geputzt? Hab ich. Bevor ich heute früh aufbrach.

(In der U-Bahn Cotzees Schande weitergelesen. Das Buch wird, nach dem, wie ich finde, öden ersten Drittel, entschieden besser, kommt aber sprachlich auch dann nicht im entferntesten an Nabokov heran. Etwas seltsam prüd-Protestantisches ist daran, unsinnlich in der Personennähe, entfremdet.)

22.05 Uhr:
Komme gerade vom Elternabend aus der Schule meines Jungen zurück. Packe. Um 5.27 Uhr morgen früh will ich die S-Bahn zum ICE nehmen und während der Reise die Fahnen, die heute nachmittag ankamen, korrigieren. Die >>>> Kulturmaschinen haben einen s e h r schönen Satz zuwegegebracht; dies mein erster Eindruck, erst einmal nur optisch. Wirklich s e h r schön. Und während ich aus Der Dschungel fortwar, hat die neue Administratorin >>>> d o r t etwas ebenso Beachtliches zustandegebracht; ich kann nur Danke sagen, ich selbst wäre zu einer solchen Collage nicht fähig gewesen, schon rein zeitlich nicht.
Jetzt warte ich auf den Profi, der zur Zeit die Fahnen ausdruckt, weil mir das Papier ausgegangen ist, was ich eben erst merkte. Also ihm den Packen rübergemailt. Wir wollen noch eine Kleinigkeit essen, bevor ich mich >>>> dahin auf den Weg mache. Sehr lange nicht mehr habe ich mich so auf eine Lesung gefreut. Es sind aber, vorher, unbedingt, um den „Fall” Peter Grosz Gespräche zu führen; in meinem Kopf rattern bereits die Formulierungen.

Mittags war das Kamingespräch im Konzerthaus. Davon erzähle ich dann später. Die Zeit eilt. Übrigens >>>> hat auch Melusine wieder geantwortet.

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