Arbeitsjournal. Donnerstag, der 25. März 2010. Mit Von Schwänzen und Charlottens galligen Schatten. Mit außerdem in der Bar einer Irin und Ausblick auf Neue Musik. Schließlich auch noch Marcus Braun.

9.19 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Bin auf seit halb sieben; meine Arbeitszeiten verschieben sich, seit ich nur noch so spät ins Bett komme, daß man von „früh” sprechen muß. Um halb drei Uhr nachts sagte die Irin, die von dem Profi mitgebracht worden war, also die ihn so tief ausgeschnitten begleitete, daß ich mir vorkam wie Gulliver bei den lockeren Privatspielen der höfischen Damen Brobdingnags, – sagte also die Irin: „Wie? Du fährst den ganzen Weg immer mit dem Rad? Hochachtung!” Worauf ich antwortete: „Ich möchte keinen Bauch bekommen, und ich liebe den Knackarsch, den ich immer noch habe und den die Frauen so lieben.” Nicht ohne Anzüglichkeit setzte ich hinzu: „Ich liebe Frauen. Deshalb ist Hochachtung ein gänzlich falsches Gefühl für meine Radfahrerei. Denn Rad fahr ich aus reinem Egoismus.” Egoismus ist falsch ausgedrückt, angemessen wäre Gier: Ich fahre aus G i e r Rad. Womit wir dann wieder >>>> dort wären. Meine erste Tätigkeit war heute früh, durch die dortigen Kommentare mit dem Eisenbesen durchzugehen. Erstaunlich, immer wieder, sind zum Beispiel Charlottes und Bettys Fantasien um mein Gemächt; dennoch mocht ich sie an der gemeinten Stelle nicht stehenlassen, aber halt auch nicht löschen, also d a s nicht, und verschob deshalb >>>> dahin. Wobei ich meine Geliebten, gewesene, seiende, werdende, davon abzustehen bitte, gegen die genannten Fantasien auch nur ein Wörtchen einzuwenden – einfach aus Selbstschutz. Denn wenn jemand wie Charlotte und BettyB, oder beide in einer, a l s eine, umzufantasieren gezwungen wären, rein, weil sie sich gegen die Faktizität nicht mehr wehren können – die bitterste Form der Nötigung -, ich müßte fürchten, sie lauerten meiner auf vor der Tür: Es ist ja doch die Abwehr nichts als der galligste Schatten des Begehrens.

Schönes Konzert, s e h r schönes Konzert. Arbeitsplan für heute: 1) die Kritik schreiben 2) >>>> auf Melusine antworten 3) ans Cello gehen. Dann wird bereits mein Bub fürs Mittagessen hiersein, Hausaufgaben machen, wieder abziehen, um meinem Mittagsschlafen Raum zu geben. Um halb vier muß ich zu Barenboims Kindergarten aufbrechen, um die Zwillingskindlein abzuholen, mit denen und mit dem Jungen ich dann den Abend am Terrarium verbringen werde, weil लक heute länger jobbt und nachts auf ein Konzert >>>> Marcus Brauns gehen möchte, das erst spät beginnt. Er hat auch mich eingeladen, wir kennen uns recht gut, aber das ist bei Eltern mit kleinen Kindern so, meistens: sie gehen getrennt. In unserm Fall hat das auch eine binnenstrukturelle Wahrheit. Was mir ohne jedes schlechte Gewissen erlaubt, um tiefe lockende Seen zu schnüren.

Die >>>> Kulturmaschinen waren gestern abend auch >>>> in der Bar; sie gaben mir zu schlucken, daß sie auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst eher n i c h t vertreten sein werden, trotz des dann erschienenen zweiten Erzählbandes: „Es lohnt sich dort einfach nicht, ist vor allem viel zu teuer. Für d a s Geld, weil es verschenkt wäre, können wir locker vier weitere Bücher herausbringen. Und du glaubst doch selbst nicht mehr an den Buchhandel. In Leipzig ist das etwas anderes, da sind tatsächlich L e s e r.” Trotzdem schmeckt mir das nicht, zumal auch >>>> etbooks nicht dortsein will, bei denen meine >>>> Kleine Theorie des Literarischen Bloggens, ebenfalls zum Herbst, erscheinen wird. So bleiben denn die BAMBERGER ELEGIEN, die noch bei Matthes & Seitz liegen, da ist noch kein endgültiges Wort gesprochen, und die ich heute noch bei >>>> Elfenbein vorbeiradeln will; ausgedruckt hab ich sie gestern schon. Luchterhand hat nämlich abgesagt, weil die Reihe, für die die Elegien vorgesehen waren (das wissen Sie noch gar nicht, ich weiß) von Random House eingestellt wird. Jedenfalls würden sie zu Elfenbein ebenfalls gut passen. Ich hab übrigens Norbert Wehr die Zwölfte Elegie zum Vorabdruck im >>>> Schreibheft geschickt. Mal sehn. Die Neunte h a t er bereits, in einer damaligen Endfassung, jetzt sieht ja alles wieder anders aus, in einer Ausgabe publiziert, deren Inhaltsverzeichnis mich allerdings aus klugem Kalkül unterschlägt.

Vielleicht lade ich Aléa Torik für morgen abend – später, nach >>>> dem Konzert – in die Bar ein. Wer will, kann dann ja sehen, wie schön sie ist. Jetzt aber erst mal an >>>> g e s t e r n abend. Schon, um meine gierige Sehnsucht nach شجرة حبة zivil mir zu mäßigen.

10.49 Uhr
Anruf von Αναδυομένη, sie sei zu >>>> Mitte Meer unterwegs, ob sie mir etwas mibringen solle…. Expresso vielleicht? gemahlen? Ungemahlen? „Mein Schinken ist alle”, sag ich, „auch die Salami… vor allem… oh ja, bekomm ich ein Kilogramm Muscheln?” Ich liebe Muscheln. Schon deshalb will Αναδυομένη, wenn sie zurückfährt, hier vorbeikommen, dann werden wir etwas essen. Für den Mittag hat mein Bub eh noch ein Kasslerkotlett hier und Erbsengemüse. Also nichts mehr einkaufen, aber doch die Wohnung richten und danach schnell zu Elfenbein rüber.

19.48 Uhr:
[Am Terrarium.]
Mit welch einem offenbar Haß mich diese(r) >>>> Charlotte verfolgt, ist schon sagenhaft; dabei bin ich doch so leicht zu finden und wäre es auch „real”. Wobei ich ihre (bislang) letzte Bemerkung weggelöscht habe, weil mir das allmählich zu dumm wird. Ich ve r s t e h ja, daß man sich an Größeren reiben möchte, doch bitte, wenn schon, dann angemessen, nicht dummdreist-pubertär und schon gar nicht mit suggestiven Bemerkungen, die den Kindesmißbrauch zu mir assoziieren lassen wollen. Aber Haß ist so: je weniger er sich befriedigt, um so mehr ist man bereit, selber schwerstes Unrecht zu begehen: die übelste Nachrede gehört ebenso dazu wie Denunziation. Daß sich diese Dynamik in Der Dschungel oft so offen ausspreizt, zeigt ihre Macht.

Nachmittags meldete sich Volker Weidermann von der Frankfurter Sonntagszeitung: ob ich bitte für die FAS >>>> die morgige Gala-Vorstellung in der Lindenoper besprechen würde. Nun hatte ich für morgen abend bereits eine Karte, nämlich für >>>> das nächste Konzert der Maerzmusik und wäre auch wirklich gerne hingegen; aber ich muß hier strategisch entscheiden; zum einen brauche ich, wie gering es auch wieder ausfallen mag, das Geld, zum anderen ist die FAS gerade auch für die Reputation Der Dschungel wichtig, ebenso wie FAZ.Vielleicht bekomme ich es hin, daß die FAZ einen Link zu meinen Besprechungen der Maerzmusik mitpubliziert. So habe ich das, insgesamt, der Pressedame der Maerzmusik/Berliner Festspiele auch am Telefon gesagt. Sie war nicht vergrätzt, im Gegenteil; ich brauche wirklich nicht n o c h mehr Gegner, als ich bereits habe. Bei allem Luxus, sich Feinde zu halten, irgendwann kostet es zu viel Zeit.
लक ist noch da, wird aber gleich aufbrechen; die Zwillingskindlein schlafen, der Große liest seinen Roman über Drago weiter; aber das Licht muß auch er in zehn Minuten löschen. Dann fange ich wohl endlich mit der Kritik zu gestern abend an. Ich bin zu fast gar nichts heute gekommen, das mit konzentrierter Arbeit zu tun gehabt hätte.

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