… ich hatte noch viel mehr, v o r diesem Arbeitsjournal: Sonnabend, dem 1. Mai 2010, erzählen wollen… (Mit einer NPD auf dem Prenzlauer Berg ODER La Bohèmes Mimi und die „neue” Rechte.) Zur Sanges- und Prosakunst.

von Artemis, den langen Beinen, die mit meinem Anwalt gingen, nicht mit mir, >>>> nachts vom Amici Amici, da war es schon gestern gewesen, in den Straßen lag der Duft erblühter Bäume…

6.06 Uhr:
[Am Terrarium.]
… und daß ich dann, ein wenig frustriert, als diese Schönheit mit ihm davonfuhr, um ihm zu tun, was ich eigentlich gedacht hatte, sie täte es für mich… nun ja: das war zu viel Eierlikör gewesen, sowieso und, wenn ich ausnahmsweise mal zotig bin, der ist nicht gut für die… nein, das erzähle ich alles n i c h t weiter, ich hab keine Lust, weil es da doch geklingelt hat, gestern: M. die Treppen heraufkam, eine Zigarette anzündete und sagte: „Dann zeig mal her.” Nämlich das neue IPhone. Womit der Tag gelaufen war. Zumal ich noch – frustriert, schrieb ich das schon? – zur >>>> Bar weitergeradelt war, es war da aber schon nach halb zwei nachts gewesen, und da hatte dann sogar der Profi gesessen, kam eine Stunde vorher, murmelte er, von der Economia herübergekommen und seiner Sitzung dort, von der er so wenig erzählen durfte und andeuten mochte, –

ah, die Zwillingskindlein… beide, zum ersten Mal beide, haben heute duchgeschlafen, von acht Uhr abends bis eben, 6.25, लक ist aus dieser ersten Mainacht noch immer nicht zurück, in die und zu Katharina Thalbachs Shakespeare sie gestern abend losgezogen…
>>>> Bach, Cello solo BWV 1008, Janos Starker

– s o wenig, daß er mich nur umdüstert ansah und eigentlich betrunkener wirkte, jedenfalls auf mich, den Betrunkenen, als ich selber… „selbst” und „selber” -: so sehr wirkt >>>> der Eierlikör selbst einen nächsten Tag noch nach, daß ich die korrekte Verwendung der Wörter meinem Instinkt alleine anvertrauen muß -; wir tranken bis kurz nach zwei, der Profi und ich, und wir sprachen nicht oder kaum, ich sah ihm an, wie er metaphorisch etwas kaute, das sich ganz offenbar nicht kauen l ä ß t. Dann bestieg ich den Volvo und radelte, ich weiß nicht, wie, heim – und wachte überhaupt erst um halb acht Uhr auf, kam aber da auch noch nicht von meiner Bettdecke frei, sondern lag bis, das schrieb ich ja >>>> gestern, Viertel nach acht, „bedüddelt” war mein Wort. Und als ich mich dann endlich eingefunden hatte –

Nein, das habe ich selbstverständlich n i c h t vergessen: den beiden Kleinen ihren Morgenkakao zu bereiten, und sie haben auch erst etwas hier auf dem Sofa mit mir herumgekuschelt, scheinen aber nun, während Starker sein Großes Cello spielt (das Mägdlein: „Papa, bis d u das?” „Nein, leider nicht. So kann der Papa nicht spielen, so wird er es n i e können, Süße”), abermals einzuschlafen… ah nein, das Mädelein steht auf…

eingefunden, um die Arbeit anzugehen (vierte Arndt-Erzählung für Azreds Buch), klingelte M. „Dann zeig mal her.”

Damit begann das nächste Katatröphchen, „arbeitstechnisch” betrachtet, und es währte bis nahezu 17 Uhr – beinah sieben Stunden lang hatten wir, das heißt er mit mit als allenfalls Halte-Assistenten, zu tun: iTunes, ohne das eine Synchronisierung des IPhones mit dem Laptop nicht möglich ist, legte meinen Laptop lahm, dann waren alle meine Adressen für Mac aufzubereiten, aus meinem geliebten Lotus Organizer, der aber mit quasi nichts anderem kommunizieren kann, aus dem Sony Ericsson Telefonbuch, mit Outlook arbeite ich nicht, sowieso nicht mit Mailprogrammen außerhalb des Netzes, und dann fing iTunes auch noch an, meine eigene Archivordnung meiner Musikdateien durcheinanderzubringen, da wurde ich ein erstes Mal sauer, auch darüber, daß das Gerät keine Schnittstelle bereitstellt, über die ich die Telefonnummern direkt vom Laptop aus ansteuern kann, weshalb ich, was ich unterdessen ja sowieso hasse, keine SMS’e eintippen kann; für die Bedienfelder der Mobilchen sind meine Fingerspitzen zu breit, und ich werde verrückt, wenn ich alle naselang korrigieren muß: Ich will auch SMS’e formulieren, auch da soll Rhythmus rein… aber wenn ich dann dauernd löschen und neu ansetzen muß, reißt mir der Faden, der mein Temperament sonst wenigstens notdürftig zusammenhält… und schließlich verlangte iTunes auch noch meine Kreditkarte… da flippte ich aus, zumal ich sie nicht fand. Das ist aber eine wiederandere Geschichte. Jedenfalls stand ich sehr kurz davor, das neue IPhone zu entsorgen: es in die nächste Ecke zu pfeffern, zumal auch noch ein Anruf gekommen war, >>>> Ortnits wegen (13.01 Uhr im Link), das verdarb mir allen Appetit auf die technische Spiellust sowieso, wieder sah ich meinen inneren >>>> Eisenherz, dem doch kein Hildebrandt mehr zusprach – wie auch? die beiden gehörn in ganz verschiedene Bücher…
sprich: meine Stimmung war am Nullpunkt, als ich zur Familie aufbrach. „Nicht eine Z e i l e habe ich geschrieben!” schimpfte ich. „Der ganze Tag, wieder einmal einer, ist für die Arbeit verloren!” „Aber du h a s t doch gearbeitet”, mäßigte شجرة حبة am Telefon.
„Das i s t keine Arbeit!” schimpfte ich weiter. „Das ist administrativer, organisierender Zeittotschlag!”
Aber half ja nix. Zudem war nachmittags, von einer freundlichen Postbotin, die für meine schlechte Laune wirklich nichts konnte,

jetzt liegt das Zwillingsbüblein über meinen Oberschenkeln, den Kopf an meiner Brust, „wann kommt die Mama?”, ich wiege ihn, „aber bitte, Süßer, bleib so sitzen, daß ich tippen kann”, das Kerlchen hustet vor sich hin, atmet ein bißchen schwer, es hat ein ganz intimes Verhältnis mit dem Weltschmerz, schon seit Geburt

der Roman abgegeben worden, den ich bis spätestens kommenden Freitag für den WDR rezensiert haben muß, eine über 400seitige Eheglücks- und Ehetreue-Geschichte, von der ich weiß, daß gerade ich für sowas eigentlich nicht zuständig bin… mir diesen Auftrag zu geben, ist nicht völlig frei von Zynismus, Hildebrandt würde diskret die Lippen verziehen, ich sehe den Alten genau… auch d a s kam an. Aber ich brauche das Geld, der Mai wird noch knapp sein…

Artemis! Daß Du ausgerechnet mit diesem jurisprudentischen Ölgesicht losziehen mußtest! Ich meine, ich verdanke seiner juristischen Geschicktheit nicht wenig, „aber”, das sagte ich dem Profi halt d o c h in der Bar, „muß ich das denn immer mit Frauen bezahlen?” Er war für meine Not nicht zugänglich: gegen Afghanistan gehalten, hielt er sie für läppisch. Da bin ich mir sicher.

Ein Lesetag wird das heute werden. Glückliche Ehe. Mein Junge ist gestern abend für übernacht zu seiner Freundin abgezogen. Ich werde mal was rauchen auf dem Balkon.

11.08 Uhr:
[Arbeitswohnung. >>>> Puccini, La Bohème.]
Ich gebe zu, mir diese Aufnahme – das liegt Jahre zurück – allein der bildschönen Barbara Hendricks wegen gekauft zu haben, ohne daß ich sie, jene nicht insgesamt noch diese speziell, vorher gehört hätte. Ich stehe eigentlich nicht auf den negroiden Frauentyp, überhaupt nicht sogar, aber da sah ich das B i l d und – kaufte. Ich wurde auch stimmlich nicht enttäuscht, ebenfalls überhaupt nicht. Das nur eben zu d i e s e r Musik des Tages. Wieso ich auf sie kam, weiß ich nicht, sondern fing plötzlich an, noch Am Terrarium, Melodiebögen aus der Bohème vor mich hinzusingen. Hatten mich die Hubschrauber dazu inspiriert, die derzeit über dem Prenzlauer Berg kreisen? Bemerkenswerte Ganglienverschaltung.
Wie geht man mit einer NPD-Demonstration auf, die ich wie viele andere sehr schnell „einen Aufmarsch” zu nennen geneigt bin? Demonstriert man „gegen”? Einmal abgesehen davon, daß solche Gegendemos die Gewaltbereitschaft auf beiden, nein: mehreren Seiten – es gibt nicht nur zwei – erhöhen: ihn, den „Aufmarsch”, überhaupt als Zeuge wahrzunehmen, wertet das Geschehen letztlich nur auf und spielt den Gegnern z u. Sollen die doch alleine „marschieren” da oben außerhalb des S-Bahn-Rings. Öde genug i s t die Gegend, durch die er zieht. Die demonstrierende Linke („demonstrierenden Linken) wurde ein Bereich innerhalb des S-Bahn-Ringes zugewiesen, der rein baulich schöner ist; ich meine, da kann man doch zufrieden sein. Wobei das massive Polizeiangebot, an jeder Ecke steht eine (feines halbaltes Wort) Grüne Minna, es ohnedies unwahrscheinlich macht, daß die Brandcockteils fliegen. Im Mauerpark jedenfalls soll die Walpurgisnacht friedlich durchgefeiert worden sein, was den Hexen s o ganz sicher a u c h nicht gefallen hat, wenngleich aus anderen Gründen.
Ach. Schön, der Puccini. Ich spring mal unter die Dusche.

„Chi è là?”
„Scusi…”
(Schon die Tränen).

12.10 Uhr:
Dritter Akt. >>>> Diese Aufnahme ist wirklich so schön, wie ich sie in der Erinnerung habe. Meditativ Instant-Kakaopulver in ein großes Glas Milch einrühren, der Strudel, der die Gedanken hinunterzieht, während sie die bei allen Einwänden oder g e r a d e ihretwegen große Musik weiterschweben läßt. Josè Carreras, gegen Hendrix, fällt geradezu ab; sie singt mit einem ganz leichten, höchst angedeuteten negroid-guttralen Anteil, ansonsten hell, silbrig und ohne sonderliches Vibrato, so daß es genau der „schwarze” Anteil in ihrer Stimme ist, was sie zugleich erdet: das ist deshalb so schön, weil sich das Klischee der TB-Kranken nur andeutet: es gibt keine Feier der Sterbeschönheit, sondern n u r der Schönheit, Liebesschönheit, der der Tod dazwischentritt. Anders als die berühmte Callas-Partie ist dies hier nicht nekrophil, nicht einmal todes„verfallen”. Conlon dirigiert mit espressiver Betonung das französische Nationalorchester, und dieses schlägt uns den Vorgang vor dem Unbewußten zweier beiseite, die hätten l e b e n müssen. Selbst sterbend ist Mimi ganz Erde. Aber ich soll und will ja lesen. Sehr schön, schon auf den ersten Seiten, ist es, wie >>>> Yglesias das Klischee des Männerblickes zugleich erfüllt, aber synkopisch nicht ironisiert, eben nicht, das wäre leicht… sondern wie er daran festhält, ihm zugleich aber den Schwung einer Tanzfigur gibt:

(…) und er hätte allemal ein Wort darüber verlieren können, dass sie perfekt proportionierte Beine hatte, dass sie schlank war, trotzdem einen Hintern und Brüste hatte und dass – soweit Enrique sich hinzuschauen gestattet hatte – man geneigt war, angesichts dieser reizvoll gespreizten Schenkel, schmal und dennoch wohlgerundet, den Verstand zu verlieren, weshalb doch, Himmelherrgott, eine Warnung angebracht gewesen wäre.

Yglesias 1
>>>> Yglesias 2

Dieses eingeschobene „Himmelherrgott” ist ein kleines Lehrstück über Prosakunst.
4. Akt.
Übrigens war, meines Wissens, Puccini der allererste, der die Hupe eines Automobiles musikalisch in eine Oper mit eingebaut hat: Il tabarro. Näheres weiß aber ganz ganz sicher >>>> Helmut Krausser.

15.06 Uhr:
[La Bohème, die zweite:]
… eine Schallplattenpressung, die das Stück leicht kürzt, aus meinem Geburtsjahr. In Mono, noch für den Plattenwechsler gefertigt. Es ist eine meine ersten Schallplatten überhaupt, die mir meine Mutter einst, da sie Puccini scharf ablehnte, geschenkt hat; sie wiederum hatte sie von meiner Großmutter geschenkt bekommen. The Opera Society war seinerzeit ein Schallplattenunternehmen, das seine Produkte buchclubartig unter die Leute brachte. Mich hat nach dem Mittagsschlaf der Vergleich interessiert. Ich fand die Platte >>>> dort im Netz gelistet. Die Besetzung:

1955 Carl Bamberger; Chor & Orchester der Opera Society New York.
Alcindoro: Henk Angenent. Benoît: Henk Angenent. Colline: Leonard Volovsky. Marcello: Paolo Gorin. Mimi: Marilyn Tyler. Musetta: Corry Bijster. Rodolfo: David Garen. Schaunard: Gerhard Holthaus.
Guilde Internationale du Disque SMS 141 (2 LP)

Abgesehen von dem bei einer nicht nur historischen Aufnahme, sondern auch so alten Pressung reduzierten Frequenzgang und den entsprechenden Stimmverzerrungen, die von Nostalgikern gern „charmant” genannt werden, ist doch sehr zu hören, wie „zu krank” und zugleich – eigentlich – „zu alt” die Tyler ihre Mimi anlegt, aber auch die Männer sind irgendwie alle Wenn die Sonne bei Capri im Meer versinkt – versingt. Dennoch. Erstaunlich, welche Schönheit ein 55 Jahre altes Vinyl, wenn man es gepflegt hat, auf einer guten Anlage immer noch entfalten kann. Nur fehlt eben die (als solche freilich immer nur empfundene) Unmittelbarkeit. Doch, nicht zu fassen, die ganze meisterhafte Komposition der Massenszene Ende Akt II, ist weggekürzt. Das ist nun in der Tat ein Verbrechen. Da versöhnt es wenig, daß ich in dem Klappalbum das Programmheft einer Aufführung wiederfinde, die ich 1983 besucht habe: Städtische Bühnen Mainz.Oh! Soeben erreicht mich eine Email wegen >>>> Undine… – – –

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