Aus der Serengeti in die Realität. Arbeitsjournal. Mittwoch, der 12. Mai 2010. Frankfurtmain, Heidelberg und Jarrett in Neapel.

6.50 Uhr:
[Rheinmain-Passage, Streu-Ecke.
Kopfhörer &mp3: Jarrett, >>>> Napoli-Konzert (1996).]

Was eine Nacht, welch ein Rückflug! Ja, Flug. Denn zwar. Die Lappenschleuse fand sich, doch war es die falsche, wenn man „falsch” zu so etwas sagen kann; manchmal liegen diese Löcher so wahnsinnig eng beieinander, diese, um noch einmal mit Monthy Python zu sprechen, Leerstellen im Schöpfungs(stadt)plan, der schon dort eine Landkarte gewesen, vierdimensional, womit wir auch dann nicht praktisch-wirklich umgehen können, wenn wir das Prinzip verstanden haben und es auch für die eigene künstlerische Arbeit nutzen. So also kam ich nicht im Hotel Apollo heraus, was übrigens ein ziemlich ordinäres Stundenhotel ist, sondern, wie nach Beth-al-Sâm, >>>> abermals auf Rheinmain. Und erinnerte mich dieses Wahnsinnsflugs, als hätte mich die Lappenschleuse in einem fliegenden Flugzeug abgesetzt. Was so auch, träumte mir, der Fall war; und tatsächlich wurde mein Rucksack per Förderband geliefert.
Ich hab noch das Geld für einen Latte macchiato, will aber erst mein Arbeitsjournal zuende führen. Sowie mich das Koffein ganz zu den Realisten zurückgeholt haben wird, werde ich mich auf den Weg erst zu einem Treffen mit Do, darauf dann, es ist eh nur um die Ecke, zu dem Dichter >>>> Paulus Böhmer machen, mit dem ich für den Mittag lose verabredet bin. Ich will aber erst Die Dschungel führen; es ist doch wenig höflich, dies während eines Freundesbesuches zu tun. Wobei ich Ihnen momentan beides noch schuldig bleibe: sowohl die Erzählung dessen, was sich beim Verlag der Autoren begab, als auch die kleine phantastische Novelle meiner Zweiten Reise in die Serengeti… und, aber stimmt das? daß ich Ihnen davon etwas angedeutet hatte?, und… der Juwelen, nun ja,händler, ich l i e b e arabische Juweliere und trage nun einen Smaragden in meinem alten Ring am linken kleinen Finger, der n e u e Ring, von dem ich >>>> dort, um 7.32 Uhr, schrieb, hatte die Veränderung nötig, ja notwendig gemacht: Farben, Leser, f o r d e r n: fordern wie die Kunst. Auch für Schmuck gelten die weichen Gesetze der Ähnlichkeit, des Leitmotivs, der Formklammern; Frauen wissen das, Männer oft nicht. Frauen wissen überhaupt mehr als Männer. Auch Farben alliterieren.
Musik alliteriert, auch interkompositorisch. Und was ich jetzt in den Ohren höre, ohne daß es, der in-ear-phones halber, auch zu Ihnen hinausklingen kann, wäre wahrlich eine Musik des Tages wert, gäbe es sie denn zu kaufen. Ich selbst bekam die Aufnahme zuge„spielt”: wie Keith Jarrett 1996 in meiner Lieblingsstadt Neapel improvisiert hat und w a s er improvisiert hat (Feinheiten: „in meiner Lieblingsstadt, Neapel,” zu schreiben, sagt etwas anderes, als schriebe ich „in meiner Lieblingsstadt Neapel”, nämlich Bombay wäre vergessen, und auch Berlin). >>>> Ich schrieb dem ein Gedicht, das in >>>> DER ENGEL ORDNUNGEN erschienen ist; da unsers Streites wegen unklar ist und das auch erstmal bleiben wird, ob Verleger Dielmann weiterliefern kann und wird, ist es sinnvoll, sich die beide Bände, die amazon offenbar noch hat, irgendwie zu sichern; oder Sie müssen sich direkt an mich wenden. (Selbstverständlich möchte ich den Band anderweitig wieder zugänglich machen, weiß aber derzeit noch nicht, wie das zu deichseln ist, weil die Deichsel dazu, momentan, fehlt.) Jarrett in Napoli, 1996, spielt unaufgeregt, über sehr weite Strecken suchend-meditativ, dazwischen laufen Standards, von denen man spürt, wie sie vor allem dieser Suche dienen, die schließlich findet, aber w a s sie findet, dann in einer einzigen Handbewegung verwirft. Diesem Stück zuzuhören, ist wie eine Reise, wie der Film einer Reise, deren Leiter selbst um Orientierung schaut und alle Wege ausprobiert, die ihm vertraut sind oder es zu sein scheinen, aber jeder führt in ein vor lauter Vertrautheit verschlossenes Feld, ein stillgesetztes Feld, also geht die Reise immer weiter und geht immer weiter nach innen. – Ein kleiner Tip, wegen der Unzugänglichkeit dieser Aufnahme, die sehr wahrscheinlich irgend ein Hörer schwarz mitgeschnitten: es gibt Tauschprogramme im Internet, und wenn Sie da suchen…. – Doch à propos Musik sowieso. Es gab heute morgen >>>> einen Hinweis auf ein Konzert, das Petterssons Siebte aufführt; ich möchte Sie darauf gern noch eigens aufmerksam machen, auch wenn ich selbst, eigener Termine wegen, nicht da hinfahren kann.

Nachmittags dann, nach meinem Besuch bei Böhmer, geht es nach Heidelberg weiter. Ich habe mit Zeuner gemailt, die immer noch in Frankfurt lebt (in >>>>> BUENOS AIRES. ANDERSWELT wurde sie Figur) und, weil sich ein Wiedertreffen allein entre nous zeitlich nicht mehr hineinschieben läßt, mein Heidelberger Seminar mitbesuchen will; sie will mich bei Böhmer abholen, so daß ich mit dem Auto weiterreisen werde. Ob sie noch immer ihren Renault winner fährt oder gar auch, wie die Löwin, einen Peugeot? Ich habe noch ihr Parfum bei mir stehen, Quelques fleurs von Houbigant – so tief war sie damals, vor bald zwanzig Jahren, in mir. Das Parfum duftet noch immer, und manchmal, selten, leg ich es auf. Um 17 Uhr, völlig real, schließlich mein traditionalles VorseminarTreffen im Café Knösel mit E. und vielleicht wieder >>>> read An; Reichenbach, der sonst immer dabeiwar, wird mir fehlen. Den rufe ich heute vormittag aber noch an. Kühlmann will nach dem Seminar zum gemeinsamen Essen hinzustoßen; mit ihm dann werde ich nach Mannheim weiterfahren, nachts, und morgen in aller Frühe, allein, den Rückzug nach Berlin beginnen, wo ich abends aus dem >>>> Selzer öffentlich vorzulesen habe: >>>> Kaffee Burger, Torstraße 58/60, 20.30 Uhr.

Guten Morgen, Leser. Ich brauche jetzt dringend den Latte macchiato. Ziemlich belebt schon, so früh, dieses Rheinmain.

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