Nach Medeas verratener Liebe die Rückfahrt. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 6. September 2010. Frankfurt am Main und Berlin.

6.21 Uhr:
[ICE 1543, Frankfurtmain-Leipzig.]Ich darf das einen fast festlichen Abschluß, das Abendessen bei Leukerts nämlich, nennen, der Feste, die es jetzt gab: Nach Ardistans Meditationen ein Gericht aus dunklem Lammfleisch und Mangold, der ebenso selbstgezogen wie die kleinen, runden Kartoffeln, dunkelst die Sauce, ein Sud beinah noch, aber viel, und der Primitivo dazu schwer: er durchglühte den Gaumen; eine Tarte und Espresso danach, die Zigarette auf dem Balkon; dazu unsere Fragen, unser beeindrucktes Ohr nach >>>> Reimanns Medea. Ich werde jetzt, im Zug, noch einmal hören, dann drüber schreiben; ich denke, die Fahrtzeit bis Berlin genügt, um spätestens dort, zurück in der Arbeitswohnung, von der Aufführung genügend erzählen zu können; Sie sollten sie, so Ihnen möglich, sehen. Die Idee ist, daß wir sprechen, Leukert und ich, schriftlich sprechen: damit wir nicht „verzögert” erscheinen, lege ich meine Kritik voran und er kommentiert, worauf ich wieder schreibe – oder andere schreiben, die da warn, dazu. Reimans Oper, in jedem Fall, ist diesen Aufwand wert.

Um etwa eins gingen wir schlafen, um kurz nach fünf stand ich auf, leise, um die Freunde nicht zu wecken. Den Espresso auf dem Balkon zur Morgenzigarette, den großen Rucksack gehalfert, den kleinen mit dem Arbeitszeug, sowie eine Tüte mit frischem Mangold und Äpfeln aus dem Garten, einem Stückchen der Vorabend-Tarte für den Sohn; im Rucksack ferner zwei Literflaschen Ardistaner Obstbrands, davon ich dem Profi kredenzen will. In Leipzig den ICE wechseln, um halb zwölf an Gesundbrunnen, um Viertel vor zwölf in der Arbeitswohnung sein. Einkaufen, kochen; wenn mein Junge aus der Schule kommt, ist sein Papa mit dem Essen daheim.

7.24 Uhr:
Hinter Fulda geht die Sonne auf, leuchtend; aber opak hebt sich unter ihrem Blick heller Nebel aus den Feldern. Vereinzelt stehen Pferde bis zu den Knie in ihm. Dreißig Cents hat die schmale indische Frauenhand für die Butter genommen, mit der sie und weil sie meine Brezel bestrich.

8.18 Uhr:
Nach Eisenach.Ich döse vor mich hin.

12.22 Uhr:
[Arbeitswohnung. Reimann, Medea.]
Immerhin das Programmbuch durchgelesen, einiges Erhellende fand sich denn doch darin: etwa, weshalb ausgerechnet ein solches Bühnenbild. Nur ist das Erhellende nicht immer das, was zu einem Stück dann tatsächlich paßt – jenseits eines Autobiografischen paßt, das eben, offensichtlich, >>>> hier gewirkt hat. Darauf ist einzugehen, neben vielem anderen. Den ersten Akt habe ich ebenfalls noch einmal gehört, jetzt läuft die Musik bereits über die große Anlage. Immer wieder berauschend, wenn die Passacaglia-Strukturen sich vorwärtstreibend unter die Klangfläche legen. Aber ich will mich nicht hier schon „verschießen”, sondern den Entwurf gleich niedertippen. Bis zum Abend will ich fertigsein; vielleicht geh ich dann morgen in der Früharbeit noch mal drüber, bevor ich die Kritik einstelle.
Die Niebelschützbücher sind angekommen, auf die ich gewartet habe; offensichtlich ist auch >>>> der Hettche angekommen, aber beim Nachbarn abgegeben. Er muß eh warten, bis der Niebelschütz-Artikel steht. „Einschieben” freilich werde ich >>>> Ricarda Junges neue Buchpräsentation, die morgen abend stattfinden wird. Doch bevor ich nun arbeite, dann das Essen vorbereite usw., will ich noch der Löwin bescheidgeben: daß ich gut, wenn auch etwas müde, angekommen sei.

Seltsam, daß es Bücher gibt, von denen ich genau weiß, daß ich sie in Der Dschungel und nicht etwa anderswo besprechen muß, und wiederum solche, die unbedingt woanders zu rezensieren sind. Vielleicht: je näher die Autoren mir, in irgend einer Weise, verbunden sind, um so dringlicher wird der Dschungelbezug.

19.33 Uhr:
>>>> Die Medea-Kritik steht drin. War ein bißchen mühsam, mich zu konzentrieren, aber plötzlich lief es. Nachdem ich eine ¾ Stunde geschlafen hatte, während der mein Junge seine Hasaufgaben macht und Cello übte. – Jetzt schnell Ans Terrarium, wegen der Nachlaßgeschichte; dann wieder hierher, dann zur Bar, um den Profi zu sprechen.

(Spannend zu beobachten war, daß >>>> Medea auch anderswo in Der Dschungel wie plötzlich zu einem Thema wurde.)

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