Musik, ein neuer Monitor und die Familie. Das Arbeits- und Ausflugsjournal des Sonnabends, dem 17. September, der mit einem Einundertjahres-Geburtstag in die Eröffnungsfeier der neuen Spielzeit hineinklingen wird. Für einen toten Komponisten kämpfen.

6.46 Uhr:
[Arbeitswohnung. Pettersson, >>>> Sechzehnte Sinfonie, für Saxophon und Orchester.]
Mehr als freundliches Gespräch mit EB, gestern mittags: mein Pettersson-Text ist verschoben, die Gründe sind intern; er soll aber nächstes Wochenende kommen, in voller Länge; das dürfte eine knappe Zeitungsseite ergeben und also auffallen. „Wissen Sie, selbstverständlich sind es auch sehr gute Dirigenten, die diese Kompositionen zur Aufführung bringen, aber um etwas beim Publikum wirklich durchzusetzen, beim Weltpublikum, braucht es berühmte Dirigenten… wie damals, als sich der populäre Bernstein so leidenschaftlich für Gustav Mahler engagierte; erst da, eigentlich, begann man, ihn zu entdecken.” Sie gab mir recht, insgesamt, was die nordische Musik anbelangt (für die englische Musik gilt, allein von Britten abgesehen, ähnliches), zumal Adornos Verdikt gegen der Tonalität verbundene Musik der Gegenwart nach wie vor wirkt; es hat einiges dazu beigetragen, große Musik zum Vorteil des Pops vom Tisch zu wischen: „Wenn das nicht Dialektik ist, meine Damen und Herren!” pflegte, in Raum 309, unser Philosophie-PD Rohs bei dergleichen paradoxalen Zusammenhängen, so bitter sie sein können, auszurufen. Mir geht aber ein anderer Satz EB’s nach, erst kam er mir fast absurd vor, dann dachte ich immer weiter, im Hintergrund meines Denkens, über ihn nach, bis er schließlich, heute morgen, eine enorme Plausibilität angenomnmen hat: „>>>> Thielemann müßte das machen.”
Jetzt will ich das Erscheinen des Artikels abwarten; ist er heraus, werde ich ihn Thielemann, mit einem knappen persönlichen Schreiben, schicken, vielleicht meine Elegien mit beilegen. Dann mal sehen. Auch Barenboim wäre eine Option; als ich noch den Kontakt mit >>>> Zagrosek hatte, hab ich’s auch bei ihm einmal versucht, andeutend erst, dann knallte es zwischen dem Konzerthausorchester und ihm. Für solch ein Unternehmen braucht man aber ein „eigenes”, und zwar großes Orchester, das zumal Ruhm hat.
Mit Simon Rattle weiß ich zu wenig anzufangen, musikalisch, obwohl seine Philharmoniker selbstverständlich ideal wären.
Soweit noch mal dazu.
Habe das Gestern mit dem neuen 24zöller Monitor verbracht; erst bekam ich das Ding nicht installiert, dauernd hing sich mein Laptop auf, schon, wenn ich die Installations-CD nur in das Laufwerk tat, immer wollte sie auf den Internet Explorer zugreifen, der in meinem System absichtsvoll deaktiviert ist; mit einem kleinen Trick bekam ich dann immerhin den Treiber geladen und auch ins richtige Verzeichnis. Da erhielt der Monitor aber noch immer kein Signal, behauptete er jedenfalls. Irgend ein Trick, einer, den ich sofort danach schon gar nicht mehr nachvollziehen konnte, brachte die Installation dann zuwege. Zwar hatte ich mich um Hilfe an M. gewandt, und er hatte auch kommen wollen, aber erst drei Stunden später, und ich kann ja nie warten. Also wühlte ich mich allein durch. Nun leuchtet das Prachtding und tut auch genau das (zeigt genau das an), was ich will. Das ist besonders für die Montage von Tondateien mehr als nur hilfreich, ja erleichternd. Nebenbei skizzierte ich den Anfang meines Aufsatzes für die Komische Oper, zu deren Saison-Eröffnungsfest wir morgen ziehen werden, alle, die ganze Familie aus Mutter, Vater, unserm Jungen und den Zwillingskindlein. Aber auch heute schon wird Familientag sein: Eltern- und Schüler-Picknick der Klasse unsres Sohnes in der botanischen Anlage Blankenfelde; so bleibt nicht sehr viel Arbeitszeit. Gegen Viertel vor zehn werde ich hier aufbrechen und die Familie an der Tramstation treffen. Bis in den Nachmittag wird es gehen, dann muß ich wieder hierher, um mein Rad zu schnappen; gemeinsam mit >>>> BRSMA geht’s dann zu den >>>> Kulturmaschinen.
Auch noch gestern: Mit meinem >>>> Elfenbeinverleger vorm Ladengeschäft des Verlags in der Nachmittagssonne auf Stühlen gesessen und Espresso getrunken. Es nervt, daß zu den >>>> Elegien bislang nicht eine einzige Kritik erschienen ist; es geht schlichtweg auf den Verkauf. Wir liegen zwar nicht schlecht, aber wirklich rechnen tut sich das schöne Buch noch nicht. Dennoch will der Verleger >>>> ARGO sehr gerne herausbringen, nach wie vor; er bastelt an der Finanzierung dieses dinosaurigen Unternehmens, möchte dann aber auch die Rechte – und wird sie selbstverständlich bekommen – an den ersten beiden Bänden der Trilogie haben: ein Standbein der Finanzierung wird wohl eine parallele Taschenbuchausgabe sein müssen.

[Allan Pettersson, >>>> Erste Sinfonie.]
Frappierend an der von Christian Lindberg hergestellten Spielfassung des Fragments dieser Ersten ist, daß der ganze Pettersson da schon fertig ist, der ganze vertikale Petterssonklang: den Raum in die Tiefe genommen, Simultanraum. Lindberg habe, sagt er, nicht eine Note verändert, ganz, wie Pettersson verlangt hat; dennoch ist es schwer zu entscheiden, inwieweit in die Faktur der nachbearbeiteten Partitur nicht doch Lindbergs Hörerfahrungen und seine genaue Partiturkenntnis der späteren Sinfonien eingeflossen sind. Nach allem, was ich zu lesen bekam, hatte ich immer gedacht, Pettersson habe seine Erste verworfen, weil er darin mit seines Lehrers Leibowitzens Methodik gearbeitet habe, also nahe an der Zwölftonmusik.

[Pettersson, Fünfte (Kähler).]
Nun stellt sich heraus, daß Pettersson das von Anfang an nicht gemacht hat, sondern von Anfang an auf einem tonalen Expressionismus beharrte. Leibowitz, der die Enwürfe kannte, wird sie ihm um die Ohren gehauen haben.
Zweiter Latte macchiato.
In der Fünften jetzt fällt grad ein Anklang an Bruckner auf. Ich muß unbedingt mal wieder Harnoncourts hochexpressive Einspielung der Neunten, Bruckners, hören, mit den Fragmentsätzen. Ach so, noch etwas, das mich beeindruckt hat, auch als Hörerlebnis: In einem der Pettersson-Sätze fehlen sechzehn Takte Musik, die Partiturseiten sind schlichtweg leer. Und was tut Lindberg? Er dirigiert diese sechzehn stummen Takte einfach durch –
Bei dem Auftrag der Komischen Oper bin ich noch etwas unsicher, aus welchem Formniveau ich’s angehen soll: Wer soll dieses Buch später zu lesen bekommen? In einer „reinen” Jubilar-Edition f ü r den Jubilar, also Andreas Homoki, wär es einigermaßen absurd zu erzählen, wie und warum es mit der Oper soUNDso gekommen ist; das weiß er schließlich besser als ich. Ich bin aber indirekt gebeten worden, auf die gesellschaftspolitischen Aspekte dieser Kunstform zu focussieren. Hm. Und manchmal find ich’s etwas komisch, daß ich in „Sachen” E-Musik lieber angehört werde, als in denen der Literatur.

: 8.10 UHr.

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