Premiere. Chinoiser Klamotten-Fidelio. Aubers Das bronzene Pferd in der Inszenierung Frank Hilbrich an der Komischen Oper Berlin.

[Probenfotos: © Thomas M. Jauk.]

Die Musik ist grauslich. Das einmal vorweg. Sie läßt, was vielleicht doch eine Art der Meisterschaft ist, nicht ein einziges Klischee aus und schafft es sogar spielerisch, nicht einmal guter Kitsch zu sein, sondern bleibt das, was sie ist: Opernmuff. Denn was die Handlung anbelangt, nun ja, so kommt sie bei viel gutem Willen und trotz der drei überfetten und selbstverständlich dummen Ehefrauen, sowie einer, die nicht ganz so fett, aber immerhin nicht blöd ist, sogar mit einer kommod erträglichen Form von Frauenemanzipation daher, aus der sich mit viel Krach und noch mehr Biegen etwas, fürs Volk, Aufklärerisches schon herauszerren läßt. Am Ende aber, das sieht der Regisseur selbst ein, benehmen sich alle wie die Affen, während diese würdevoll herumgehn.
Nun läßt sich sagen, >>>> die Sache war für die Komische Oper ein voller Erfolg, denn alles Hirn zum Abschuß freigegeben. Zum Beispiel mit solchen Zeilen:Und ich gesteh, ich bin auf die Ehe scharf,
Weil ich als Ehefrau a u c h mal zuhaun darf.
Von besonderem, nämlich rhythmischem Rang war auchNachts, wenn im Dunkeln
Mondstellen funkeln.
Sowas berührt einen tief, das kann ich verstehen. Wie dankbar wir drum waren! Endlich mußten wir nicht grübeln. Und jubelten, vom Niveau ganz entbunden, das nur, so ohne Nabelschnur, noch schrie. Schließlich sind wir in der Oper, da gehört man irgendwie zur besseren Gesellschaft, noch immer, ja. Jedenfalls fühlt man sich so, als Crème, auch wenn die längst schon flockt. Und alle Affen dürfen, weil’s so ein Spaß ist, dauernd rammeln und mit ihren rütchenhaft flexiblen, >>>> würde Joachim Scholl sagen: Schniedeln spielen. Was man halt so tut als Affe. Sofern nicht mit Bananen geworfen wird, nach denen schon die halbe DDR einmal herwar. Man hält’s halt mit der Tradition.
Wobei die Affen wirklich halfen. Nichts, beileibe nichts gegen diese Idee. Wär gern selbst einer von denen gewesen, da oben auf der Bühne. Die hatten also echt ihren Spaß. Und absolut nichts gegen die beiden von ungemeiner Melancholie getragenen Pandabären, deren müde Liebeslust sehr genau die Ödnis der Musik zu spiegeln verstand und lange, bevor Julia Giebel es ausspricht, von der Wahrheit seufen: „Ach, das ist ja soooo langweilig“. Kann aber sein, daß Violetta Madjarowa das gesagt hat. Ist auch egal. So sehr, daß imgrunde sie, Bären und Affen, die Stars des Abends waren – wenn man vielleicht von den Kostümen der Venusfrauen absieht: wirkliche Venuskostüme waren das, ich versichere Sie, Füße wie von Botticelli, die im Gymnasium der Achtklässler abmalt. Sie kennen diese Schürzen alle: man bindet sie um, und untenrum wird man >>>> David, bloß halt hier seine Schwester und in nur vorne der Ganzkörperkleidung. Das hatte Witz, das geb ich zu, auch wenn mein Stil darunter leidet und nicht Männer sowas trugen: auf der Venus wollte man Tunten vermeiden, was ja schon mal e t w a s ist.
Ach, wie bitter ist’s zu sagen, einiges sei sehr mit Recht in den Opern-Antiquariaten vergessen. Nicht jeder Fund ist ein Fund. Doch immerhin war Auber Erfolgskomponist, darin vergleichbar >>>> Franz Grothe, der auch das Kind schon geschaukelt hat. Hier jetzt schaukelt nicht, sondern schunkelt das Geschlechterverhältnis, vor allem in China. Wobei es wirklich das Problem nicht ist, daß exotisch-sensationshaft vorgegangen wird, indem das Chinabild nicht stimmt. Geschenkt. Stimmt auch bei Michael Ende nicht, aber da zwackst es Jim Knopf nicht einen solchen ab. Sondern wir befinden uns recht eigentlich in einem großbürgerlichen Salon des späten 19. Jahrhunderts. Weiter geht des Regisseurs Modernisierung nicht, und weil er uns nicht zutraut, sie zu erkennen, macht er aus dem Blick von der Terrasse eine Jalousie. Kritik ist da schon wohlfeil. Indes es auf der Venus aussieht, wie sich die großen Revues der Fünfziger das vorgestellt haben. Mittransportiert wird eine gehörige Portion erotischer Verklemmtheit: nämlich als zu wünschender. Klassisches Setting: nur der darf zurück, der widersteht – sprich: entsagt. Ein Venusberg bei Woolworth, restlos profaniertes Tamtam um noch Sonderpreise, happlich gereicht. Darüber freun sich dann alle, weil wir ja sparen müssen. Da kann man die Uhr nach stellen, was den Applaus angeht, um das in der dem Stück angemessenen Schludrigkeit auszudrücken.
Denn diesem Opernmuff fehlt etwa gänzlich Jacques Offenbachs politische, bzw. höhnische Schärfe; in der Musik ist sozusagen keine Spur Swift. Das ist bereits der Ouvertüre anzumerken, die von Rossini ausgeht, aber, weil des Komponisten Einfälle schon nach den ersten Takten leer sind, sich sofort in die harmonisch billigste Fügung bequemt und einen auf gecleanten Cancan macht – was sich später immer wieder, schlager- oder reißerhaft nämlich, wiederholt. Ähnlich wird mit Mozert umgegangen, Wolfgang Amadeus, der nun tatsächlich Witz besaß, und nicht nur musikalischen. Das Ziel Aubers ist die simpelste Vergnügtheit der Kirmes. Nicht, daß man sich davon nicht inspirieren lassen könnte oder vielleicht sogar muß, aber wenn die Sache dabei stehenbleibt, ist es rundweg überflüssig, in die Oper zu gehen. Da bleibt man besser gleich auf der Kirmes. Ja: Selbstverständlich sind rumtollende Affen vergnüglich. Aber das kennen wir vom Zoo.
Wirklich ärgerlich wird es aber, wenn das Programmheft in die Überlegung mit einbezogen wird. Schon beim Durchschlagen der Seiten, wenn man die fettgesetzten Zitate liest, bekommt man ein richtig schlechtes Gewissen, weil ja dauernd vom Humor gesprochen wird, und den Zitaten ist rundweg rechtzugeben. Nur daß sie eben allein rhetorisch gesetzt sind, suggestiv nämlich: als wäre jemand, der dieses Muffstück nicht mag, genau deshalb humorlos. Hier ist der Regisseur insistierend zu fragen, was er unter Humor eigentlich versteht und ob die Oscar Wildes, Jean Pauls und Ludwig Feuerbachs, die sich leider nicht mehr wehren können, sich als Zeugen solchen Mistes wirklich eignen?
Und dann findet man darin Aussagen vom stanzigsten Charakter der bereits historisiertesten Theatermoderne: „Dadurch, daß sich die Welt ihnen als unhaltbar und willkürlich zusammengeworfenes Durcheinander darstellt, zeichnen sie ein Bild von der Wirklichkeit, die durchaus auch dem unseren gleicht.“ Vielleicht ist das mit Herrn Hilbrichs so, ich will das gar nicht in Abrede stellen; die meine jedenfalls ist entschieden weniger simpel, das dürften die meisten Menschen ähnlich empfinden.
Da das Stücks aufs Outrieren angelegt ist, kurz: auf Klamotte, haben alle Darsteller ihren Spaß. Kann ich ihnen nicht übelnehmen. Wie soll man sich denn sonst vor diesem Quatsch retten? Schließlich hat man Verträge, also r e i n! doch wenigstens mit Lust, anstatt zu leiden. Kapier ich. ‘s ist halt Schunkeln angesagt. Nur Fasching schon vorbei, wo man die Sau… Pardon, die Affen rauslassen kann.
Kurz: Der Abend war verlorene Lebenszeit. Dabei haben wir davon so wenig. Doch gebe ich zu, besonders empfindlich gewesen zu sein, weil ich vormittags die feine, wundervolle Aufführung der beiden Brahms-Sextette hörte, worüber ich j e t z t schreiben werde. Gute Musik sensibilisiert und schlechte macht roh. Das bekam ich gestern wieder einmal am eignen Ohr zu spüren.
Daniel François Esprit Auber
DAS BRONZENE PFERD

Opéra comique in drei Akten.
Libretto von Eugène Scribe.
Deutsche Nachdichtung von Bettina Bartz und Werner Hintze.
Inszenierung Frank Hilbrich – Bühnenbild Volker Thiele
Kostüme Gabriele  Rupprecht – Dramaturgie Werner Hintze
Chöre André Kellinghaus – Licht … Franck Evin

Sung-Keun Park – Julia Giebel – Tom Erik Lie – Juri Batukov
Stephan  Boving – Annelie Sophie Müller – Erika Roos – Violetta Madjarowa

Die nächsten Vorstellungen:
11., 26. Mär.
07., 27. Apr.
06., 15., 28. Mai.
03. Jul.
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