Das Dahlem- und Irseer Vorbereitungs-Journal des Freitags, dem 3. August 2012. Mit einem solchen Mädchenblick! Und danach? Ach wir Verschiedenen, die verschiedenen-vielen-i n-uns — : C r e d o.

6.45 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Noch schlafen sie, die Zwillingskindlein, die sich so gewünscht haben, beide, noch einmal hier

zu übernachten, bevor ich abermals >>>> auf Reisen gehe, wenn auch diesmal nichts ins Ausland, bzw. dahin nur aus eines alten Preußens Sicht; zum Beispiel muß ich dringend waschen, wenn ich denn im Kloster Irsee einen hellen Anzug tragen möchte: da sollten schon die Unterhosen nicht durch das Leinen dunkeln. Sowie sind die Fahrkarten zu besorgen, und so weiter. Aber >>>> der Dahlem-Text ist noch nicht rund; ich konnte daran gestern abend nicht mehr weiterschreiben, weil, aber noch immer, mein rechtes Auge nicht recht will. Seit dem Besuch bei meiner Augenärztin ist die Pupille immer noch geweitet, sehr geweitet; ich krieg‘s nicht hin, sie scharfzustellen. Das irritiert. Dabei hatte ich gehofft, es sei heute morgen damit vorüber, erinnere mich allerdings, daß es nach der letzten Voruntersuchung zur >>>> Augen-OP ganz ähnlich oder genauso gewesen. Die nächste, in zwei Wochen, wird etwas anders sein: nur „Lasern“, nicht wieder eine neue Linse; es hat sich in das rechte Auge eine Dioptrie zu viel geschoben, das wolln wir korrigieren. Da wird‘s dann viel zu tröpfeln geben hernach, und ich soll noch einen Tag lang liegen, am besten, um die Augen ruhigzustellen („beide, bitte, nicht nur das operierte“). Also ich unterschrieb gestern mal wieder die Risikoerklärung, das tat ich wirklich gern. Nervös zu werden, damit fang ich eh erst direkt vor der OP an.
Nur blieb Frau Dahlem eben liegen; ich werde nachher bei >>>> Faustkultur anrufen und um einen Tag des Aufschubs bitten; ob ich heut abend oder Montag früh abgeben werde, wird für den Drucker keinen Unterschied machen, da arbeitet man wochenends eh nicht. Mir fehlt noch ein Ende, das den Text schließt, sinnreich, vielleicht auch überraschend schließt: der, sagen wir, Dreh, aus einem Dialog wirklich eine Geschichte zu machen. Ich hab auch was im Kopf und werd mich jetzt, ich Moshe Dajan, daransetzen, bis die Zwillingskindlein erwachen; danach wird bis zehn Uhr, wenn sie wieder abgeholt werden, hier Remmidemmi, ein liebevolles, sein. Direkt danach aber die nötigen Wege, vor allem für die Biglietti der Bahn. Abends ist ein Treffen wegen der nächsten PEN-Wahl geplant: ob ich mich wohl, fragte >>>> Frau Jäckle, im Vorstand des Präsidiums mit engagieren wolle. Hm, dachte ich – nicht prinzipiell, sondern weil es da Leute braucht, die integrativ sind und nicht so, wie ich, polarisieren. Dazu hängt zu viel Wichtiges, >>>> Writers in prison etwa, daran. So etwas kann nicht brauchen, daß einer dauernd Feindschaften pflegt. Der bekäm aber ohnedies nicht die nötigen Stimmen; insofern besteht keine Sorge.
An Argo kam ich gestern nicht mehr; ich werde allerdings die letzten zu überarbeitenden dreißig Seiten mit nach Irsee nehmen; vielleicht bekomm ich es dort hin, zeitig genug aus den Federn zu springen, um, sagen wir, zwischen sechs und acht Uhr, an dem Roman zu arbeiten; danach dann erst >>>> der Kurs. Immerhin dauert er acht volle Tage.

Bruno >>>> Lampe schreibt wieder hier. Ich habe seine neuen Erzählungen ganz bewußt, für die Tagebuchrubrik an sich nicht üblich, auf die Hauptseite gezogen, um diese zu, sagen wir, diversifizieren. Mir scheint das so lange sinnvoll zu sein, wie die Rubrik nicht wieder von vielen Autoren belebt wird, und überdies ergibt es einen, denke ich, angenehmen Wechsel in Ihren Lektüren, die außerdem dann miteinander direkt sprechen und aufeinander wirken können. Dafür werde ich einige Arbeitsjournale, dieses etwa hier, wieder öfter in den Hintergrund schieben und dort auch belassen.

Ah, und gestern kam meine Open-Water-Tauchlizenz mit der Post (grausliches Foto!):

Ich fürchte nur, daß ich sie vor dem nächsten Sommer nicht werde nutzen können, es sei denn, daß ich im Winter ins Land eines ständigen Sommers reise. Denn nach der Augenlaserei ist mir zu tauchen drei Monate lang untersagt. Peccato! Aber imgrunde… ich wollte dort mal gewesen sein, tief unter Wasser; viel mehr, als dies zu meinem Hobby zu machen (ein Begriff, mit dem ich nichts anfangen kann), ist es mir wichtig gewesen, auch diesen Teil des Lebens wenigstens berührt zu haben, damit auch er mich komplettiert.

Guten Morgen, Leser:innen. – Oh… aber wer kriecht denn da unter dem Schreibtisch durch? So schaut‘s mich an, das Zwillingsmäderl:

Wes‘ Herz könnte da denn nicht schmilzen? Dann bereit’ ich wohl mal den Kakao…

8.10 Uhr:
[Bach, Sonate 3 C-Dur für Violine solo. Kantorow.]

Was mich, seit ich „erwachsen“ wurde, umtreibt: zu erzählen, wie Verschiedene wir sind, wie viele Andere in uns selbst, und wie so viel mehr Verschiedene wir immer noch werden: jemand anderes für den einen und den anderen Freund, jemand anderes für unsere Kinder, anderes, sowieso, für die Frauen, ob in der gelebten, der harten und der nahen Sexualität, ob in den Zärtlichkeiten, die vom Herz mehr als von unsren Schwänzen stammen, ob gegenüber unseren Studenten und Schülern oder s e l b s t als ein Schüler, eine Schülerin, mitunter lebenslang, ob gegenüber dem Vermieter, unserm Bäcker, wenn wir noch einen haben, ob am Telefon, ob am Wasser – und wie wir lernen müssen, diese alle in uns auszubalanzieren, manche den Anderen und anderen-in-u n s völlig unverständlich. Daß wir nicht einig sind, schon gar nicht stetig die Alle-in-einem/-einer. Wie die Rede täuscht, als Ideologie, die sie ist, von uns selbst als einem Subjekt seines/ihres Denkens, wenn’s sich fühlt -. Und wie M u s i k es ist, die uns zusammenhält, die wir sonst, wenn wir uns nicht beschneiden, auseinanderflögen. Ach, welch ein Stolz, daß man es nicht tut: sich beschneiden. Daß man sich nicht fügt und niemals „fertig“ ist – oder erst dann, allenfalls, wenn wir sterben, und auch dann nur dann, w e n n wir uns nie beschnitten. – Das unsern Kindern weitergeben.

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