Mein Dünkel ODER Von Craigs Bond zu Monteverdi. Das Arbeitsjournal des Sonntags, dem 4. November 2012. Mit Monteverdi fast ganz der Tag, nur morgens aber Cowell. Sowie zur Selbstdiskretion. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (145).

4.46 Uhr:
[Arbeitswohnung. Cowell, Klavierstücke.]
Der, nun ja, Kommentator „egal!!!!“ hat sich gestern nacht wieder gemeldet, gleich zweimal hintereinander, und zweimal hintereinander habe ich ihn gelöscht. Dabei unterhielte ich mich gern über die Vorwürfe, die er mir macht, nur daß sein dafür gewählter Ton inakzeptabel ist, will sagen: ungeeignet, ein Gespräch zu führen. Wobei ich besonders interessant fand, daß er mir „Dünkel“ vorwarf; eigentlich habe er – sonst – nichts gegen mich. Nun ja, das hat vorgestern nacht noch anders geklungen. Doch jetzt – was versteht er unter Dünkel und was meint er, gegen wen ich ihn vorgeblich habe? Im Gegenteil bin ich dafür bekannt, und es ist mir heftig vorgeworfen worden, daß ich meine Tür noch dann offenlasse, wenn andere sie solchen Menschen längst vor der Nase zugeschlagen haben. Also, Herr Egal – oder Frau Egal -, schreiben Sie doch Ihren Vorwurf so auf, daß ich auch angemessen drauf reagieren kann; „Arsch!“ dürfen Sie selbstverständlich denken, auch meinetwegen im Kreise Ihrer Lieben sagen; es ist nur einfach keine Grundlage für ein Gespräch, auf das es Ihnen aber wahrscheinlich, muß ich jedenfalls den Eindruck haben, gar nicht ankommt, sondern ganz offenbar möchten Sie bei Ihren Urteilen bleiben, egal, ob sie berechtigt oder unberechtigt sind oder ob sie sich gar auch für Sie selbst widerlegen ließen.
Dünkel, nein, das beschäftigt mich wirklich, vor allem: inwiefern. Auf was, um das Wort etwas herunterzubrechen, bilde ich mir etwas ein? Auf meine Arbeit, ja, vielleicht. Ist das unberechtigt? Mag sein, aber inwiefern? Auf meine Haltungen, denen aber Erfahrung zugrundeliegt? Oder ist es mal wieder mein vermaledeiter Geburtsname? Ich kann wirklich nichts für ihn und muß mich seiner auch nicht schämen, sondern muß allerdings feststellen, daß einer meiner – im übrigen fernen – Verwandten eine sehr böse Rolle in der deutschen Geschichte gespielt hat und dieses mehr als zwei Jahrzehnte vor meiner Geburt, so daß ich dagegen, wenn ich auch wollte, hätte keinerlei Widerstand leisten können. Insofern ist auch dieser adoptierte Joachim wirklich kein Grund für irgend einen Dünkel, da gebe ich Ihnen recht.
Sie sind >>>> anderer Meinung als ich (um18.10 Uhr im Link), Daniel Craigs wegen; das ist Ihr Recht, und ich hätte auch diese Ihre Einlassung nicht gelöscht, sondern stehengelassen und vielleicht auch über ihn ein Gespräch mit Ihnen begonnen, wäre denn, wie ich schrieb, Ihr Ton so sehr wenig geeignet, das auch zu tun. Nachher, gleich, sowie ich diesen ersten Arbeitsjournals-Eintrag eingestellt haben werde, will ich zu dem neuen Bondfilm, auch wenn er schlecht ist, ein bißchen was schreiben und werde darin, allerdings, mein gestriges Urteil über Craig revidieren; danach wird Ihnen Gelegenheit sein, etwas dagegenzusetzen. So lange ich nicht auf hämische Weise attackiert werde, habe ich auch nichts gegen Anonymität, für die es im Netz ja einige Gründe geben kann; ich erkläre sie aber immer dann für feige, wenn aus ihrer Deckung persönlich attackiert wird. Feigheit, wie ebenfalls schon gesagt, ist nicht satisfaktionsfähig.

Latte macchiato, Morgenpfeife. Der Junge schläft hier; ich hoffe, es geht ihm nachher, wenn er auchwacht, besser als gestern zur Abendnacht; er ließ sogar seine Pizza stehen; imgrunde hielt ihn nur der Bond, weil er ihn unbedingt sehen wollte, aufrecht. Ist ihm nach wie vor schwummrig und hat er nach wie vor Kopfschmerzen, werde ich >>>> den Operntag, auf den ich mich gefreut habe, selbstverständlich ausfallen lassen und meinen Jungen pflegen.
Vorher also, jetzt, zum neuen Bond; danach noch etwas Vorbereitung >>>> für den kommenden Dienstag. Je öfter ich Henry Cowells Musiken höre, um so besser gefallen sie mir. Ich weiß nicht, ob das ebenso intensiv wäre, hätte ich nicht >>>> Glöcklers gerade in dem Abschnitt höchst leidenschaftliche Ich-Erzählung, die aus Cowells eigener Sicht, geschrieben ist. Das wäre – falls nicht – ein bemerkenswertes Phänomen: daß uns Persönliches einem Werk näherbringt; es wäre etwas, das auch für die Ästhetik Der Dschungel spräche – vorausgesetzt, man steht dem Persönlichen, bzw. einer Person, nicht von Anfang an feindlich gegenüber, bzw., daß man es nicht zu ihren Lebzeiten, schon gar von ihr selbst, erfahren will, weil einen daran das Indiskrete, ein, sagen wir, gewisses, stört, dessen Gewißheit allerdings in seinem ungewissen, irgendwie nur gefühlten, besteht, ein Übertritt und On ne fait pas!, nämlich Verletzung der Gepflogenheiten, die deshalb schmerzhaft ist, weil, denke ich immer, sich etwas verrät, das man um so lieber für sich behalten möchte, als es ein Allgemeines ausdrückt, ein Menschlich-Allzumenschliches, das nicht, meinen Sie wahrscheinlich, ins Licht, sondern unter die Teppiche gehöre, der Sachlichkeit und des Scheines wie einer als allgemeingültig gefühlten Trennung von Substanz und Akzidenz, „Wesentlichem“ also und „Unwesentlichem“. Nur daß, was wesentlich und unwesentlich sei, so ausgemacht eben nicht ist.

Kleine Theorie des Literarischen Bloggens 145.
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Weniges zeigt, so wie dieses hier, wie eng Sachlichkeiten und Beobachtungen, die zu einer kleinen Theorie führen, mit persönlichen Notaten verbunden werden müssen, um den Charakter von Wahrheit, und sie wohl selbst, ausdrücken zu können.

Guten Morgen, Leser:innen.

6.12 Uhr:
[Cowell, The Tides of Manaunaun.]
Irre. Zweiter Latte Macchiato vor Skyfall, eigentlich: Ich räume, derweil sich in der Pavoni das Wasser wieder erhitzt, das nach dem Abwaschen gestern abend unterdessen getrocknete Geschirr ein, also auf, da ich keine Schränke habe; es steht offen in Regalen – räume also das Geschirr weg und sehe oben auf dem Stapel der flachen Teller einen – Skorpion. Ja, einen wirklich, echten, tatsächlichen, von nur Wespengröße aber und auch bereits gestorben, nein, bewegt sich nicht, als ich ihn achtsam mit dem Fingernagel anstupse, ist auch, wie sterbende Insekten das tun, leicht wie eingerollt, aber deutlich ein Skorpion mit Scherchen hohem gewölbtem Hinterleib, hakigem Giftstachel. Ich wußte gar nicht, daß wir hier sowas haben in unserem Ausläufer, so nennt Wilhelm Kühlmann Berlin, des westlichen Sibiriens. Ich schlucke, aber vor Traurigkeit, weil ich mich aus meiner italienischen Zeit dieser Spinnentiere, es sind eben k e i n e Insekten, entsinne; auch gestorbene Spinnen haben sich zusammengezogen. Sollte ich ein solches Tier aus Italien mitgebracht haben, vielleicht sogar aus Tanger oder, zuletzt, >>>> aus Libyen, und es ist aus meinem Gepäck entwichen und hat bis jetzt überlebt? Weshalb starb es dann?
Seltsam. Bemerkenswert. Auch schon einer Szene in Skyfall wegen, in der ein Skorpion eine Rolle spielt – aber ein hellfarbner, der zu den gefährlichen Arten gehört, nicht ein schwarzer wie dieser „meiner“, dessen Stich dem einer Wespe, allenfalls, vergleichbar wäre und der nun aber eben tot ist… – ach, ich hätt das Tier gerne beherbergt. Und bedrückt puste ich es von dem Teller herunter.

[ Cowell, Variation in Thirds.]

Wenn ich nachdenke, leistete ich den Zusammenschluß persönlicher, höchstpersönlicher, Notate mit Erfindungen und Theorie noch sehr viel enger – am besten wär‘s, direkt noch in denselben Sätzen.

8.17 Uhr:
So, nun >>>> ist er geschrieben und eingestellt, mein fallender Himmel.

[Bei Cowell, Toccanta.]

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