An sich muß über diesen Film nicht gesprochen, also auch nicht geschrieben werden. Er ist, kurzum, schlecht. Und dennoch verschuldet er nun einige meiner Sätze – nicht so sehr deshalb, weil Daniel Craig hier weniger untief als in seinen vorigen Bondfilmen wirkt, etwa in der kurzen Szene, in der er sich nach mal wieder wüstem Gekrache und Explodieren (und so dauernd weiter) aufrappelt und dann, das ist in der Tat gut-bond‘sch, seine Manschetten zurechtzieht, sich also wieder Form gibt, und weil er zugleich insgesamt brüchiger wirkt, fast ein bißchen, wie Batman seit Beginn seiner Dekonstruktion; der ist meines Wissens der einzige Superheld des Comics, dem das je so ausgebig widerfahren ist und weiterwiderfährt.
Sondern tatsächlich stellt der Film die Altersfrage, vielmehr konstatiert den Verfall, und zwar nicht nur eines speziellen Menschen, sondern einer ganzen Ära. „Ein Knopf“, sagt der nach Bond-Kriterien ausgespochen gut gewählte Schauspieler des Bösen, >>>> Javier Bardem, „da drückt man drauf und man hat bereits mehr Schaden angerichtet als eine ganze Legion von 007s k ö n n t e.“ Dazu stellt Frau M. die Sicherheitsfrage, ihrer Ministerin, die das alte Schlachtschiff in den Ruhestand schicken möchte. „Fühlen Sie sich sicher?“
Und Craig sitzt in der Gemäldegalerie vor einem Ölbild, das ein solches, aber nun nicht-metaphorisches zeigt, wie es von einem kleinen Schlepper auf seinen Schiffsfriedhof geschleppt wird. „Was sehen Sie?“ fragt der ebenso junge wie herablassende Computer-Nerd, der an Qs Stelle nachgewachsen ist, und macht Mr. Bond verständlich, seine, Bonds, Zeiten seien vorüber. Craig, guter Drehbucheinfall, stoisch: „Ich sehe zwei Schiffe.“ Von sämtlichen Dialogen war dies der zweifelsfreie Höhepunkt, und ich will ihn anerkennen. – Auch Bonds neue, nach einem freiwilligen Urlaub in vermeintlichem Tode, nötig gewordene Leistungsprüfung geht nicht gut für ihn aus: „Sie sollten sich zur Ruhe setzen, Ihr Leben genießen“, sagt Mallory, Frau M‘s filmendlicher Nachfolger, „das ist ein Job für junge Männer.“ Ich fühlte mich an den legendären Zweikampf John McEnroe ./. Boris Becker erinnert, 1987, glaube ich, hat er stattgefunden, Klugheit gegen Jugend. Und hoffe, dieses öffnet nun auch dieser Film – womit ich leider, erwartungserfüllungshalber aber, danebenliege; vielmehr stellt Bond vermeintlich alte Verhältnisse wieder her, worin es reicht, den >>>> John McClane zu geben –
darüber weitre Worte nicht mehr außer eben: Peng, Knall, PengPeng, Wumm, PengPengPeng, Knatter, PengPengPengPeng, Krach, PengPengPengPengPeng, Feuerlodern –
doch d a z u: daß der so ausgezeichnet gecastete Böse, dessen ehemaliger Agentenname ausgerechnet Silva ist, freilich nicht, obwohl es danach klingt, >>>> John, der den Spitznamen Barbecue trug, sondern anstelle Silbers ‚Wald‘ allein, – daß er die Frau M an entscheidenden Stellen der Handlung „Mutter“ nennt.
doch d a z u: daß der so ausgezeichnet gecastete Böse, dessen ehemaliger Agentenname ausgerechnet Silva ist, freilich nicht, obwohl es danach klingt, >>>> John, der den Spitznamen Barbecue trug, sondern anstelle Silbers ‚Wald‘ allein, – daß er die Frau M an entscheidenden Stellen der Handlung „Mutter“ nennt.
Dieses, daß sie seine Mutter gewesen, trägt das Motiv seines Hasses: sie hat dann nämlich, wenn das stimmt, ihren eigenen Sohn der Staatsraison geopfert und nicht nur seinen Tod inkauf genommen, sondern ihn lange in chinesischen Gefängnissen foltern lassen, ganz furchtbar, wie Silva selbst erzählt, halb bereits in dem bondfilmtypischen Wahnsinn Dr. Mabuses, halb aber, aus tiefster Brust, anklagend.
Das, in der Tat, ist ein ungeheuerliches Thema, ebenso ungeheuerlich wie die Ablösung „menschlicher“ Kämpfe durch kybernetisch-maschinelle; dieses ist ein historisch neues, jenes ein uraltes, ja antikes: eines >>>> der Alten, das uns bleiben wird, so lange wir nicht aus Retorten kommen: ein Kulturerbe ist es. Den dramatischen Gipfel erreicht das Motiv, als Silva die Mutter umarmt, Wange an Wange legt und an ihren Schädel den Revolver: „Schieß, Mutter, du mußt es tun, schieß durch unser beider Köpfe, dann wird uns Frieden sein.“ – Selbstverständlich erscheint Bond rechtzeitig, um uns solch ein antikes Ende zu verwehren, das ja Eingeständnis wäre der furchtbaren Schuld. Statt dessen, bevor sie dann aber, so daß Mr. Mallory nachrücken kann, einer anderen Schußverletzung erliegt, n o c h davor, hat Frau M den bürgerlichen Namen Silvas fallenlassen, einen, der auf eine Mutter-Sohn-Beziehung nicht schließen läßt – so daß das Motiv selbst vor seiner abgeschlossenen Durchführung im Losen hängenbleibt. Dennoch ahnen wir die Wahrheit, ahnen sie aber nur, dürfen auch nur ahnen, denn Mr. Bonds Loyalität soll begründet bleiben, und es versteht sich von selbst, daß er von Mr. Mallory trotz seiner schlechten Prüfungsergebnisse und seines Alters wieder neu in Dienst genommen wird. Schließlich möchte Daniel Craig noch einige Bondbusters mehr drehen. Ich möchte ihm, aber er, glaube ich, hört nicht auf mich, davon abraten. Denn hier, soweit man ihn ließ, hat er einige Male gezeigt, zu einem Schauspieler gereift zu sein, der auch Charaktere darstellen könnte, die, um sich anders als durch KRACH BUMM KRRRWUMMSKRRR durchzusetzen, unsere Aufmerksamkeit mit allem Recht verdienten.
Jedoch – wie nahezu immer für solche Streifen – war die Lautstärke der Tonspur viel zu hoch eingestellt, denn niemand mehr soll analytisch schauen können. Und eben auch nicht sehen, was in Daniel Craig wahrscheinlich tief noch drinsteckt. Sähe man es nämlich, klingelte nicht mehr, nach Millionen, die Kasse, seine nicht und nicht die der Verleih- und Produktionsfirmen. Und die Leute wären, so auf Probleme gestoßen, die unser aller sind, weniger glücklich. Da stört es denn auch nicht, daß eine mißhandelte und abhängige Schöne mal so eben, bei einem, aber mit Glase, Wilhelm-Tell-Duell, weggeschossen wird. „Schade um den guten Scotch“, kommentiert das Bond.
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James Bond
Mit Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem, Ralph Fiennes,
Naomie Harris, Bérénice Marlohe, Albert Finney, Ben Whishaw,
Rory Kinnear, Ola Rapace, Helen McCroy u.a.
Offizielle >>>> Filmsite.
Naomie Harris, Bérénice Marlohe, Albert Finney, Ben Whishaw,
Rory Kinnear, Ola Rapace, Helen McCroy u.a.
Offizielle >>>> Filmsite.
Da Sie, Herbst, Long John Silver erwähnen, möchte ich Ihre Leserinnen und Leser unbedingt auf seine >>>> von Björn Larsson verfaßte, ausgezeichnete Autobiografie aufmerksam machen. Meiner Erinnerung nach haben Sie das Buch seinerzeit besprochen; wie also konnten Sie seine Erwähnung vergessen?
Ich zitiere hier meine Zusammenfassung auf facebook:
“Gerade Skyfall gesehen. Genau das, was man von einem James Bond-Film erwartet. Nicht schlecht, bis auf ein die action scene zu Beginn, die für meinen Geschmack etwas zu lange gedauert hat. Recht nette Anspielungen auf vergangene Bond-Filme. Eine große Unlogik zum Schluss, aber das sollte einen nicht kümmern.
Der Bösewicht war eigentlich recht sympathisch. Böse, gescheit und in seinem Rachebedürfnis verstehbar. Zu Bond war er ja anfänglich auch ganz nett. Und wenn man bedenkt, wie Cameron sich gegenüber der EU verhält, würde ich nicht verstehen, warum man so England-treu sein sollte. Also ich würde mich eher auf die Seite von Silva schlagen:)
James Bond kommt recht sympathisch rüber. Relativ wenig Sex, aber die wenigen Frauen sind durchaus attraktiv.
Und der Aston Martin tritt wieder auf. Ich glaube Aston Martin saniert sich mit Hilfe der Autos, die sie für James Bond-Filme produzieren müssen. Ist aber wirklich ein verdammt schönes Auto.”
Ich fand den Film n i c h t schlecht, wenn man berücksichtigt, dass er ein ganz bestimmtes Genre von Film vertritt. Im Übrigens fand ich die Geschichte der Ratten ausgesprochen originell für einen derartigen Film.
Ich konnte auch jede Menge Selbstpersiflage in diesem Film feststellen. Praktisch jede Szene ist schon einmal vorgekommen. Die Szene mit Skyfall hat mich übrigens an einen fantastischen Film erinnert: “Wer Gewalt sät …” mit Dustin Hoffman.
@steppenhund zu Skyfall. Gerade, we i l der Film ein bestimmtes Genre vertritt, halte ich ihn für schlecht, nämlich für einen – basalen – Bruch des Genres, der allerdings schon seit einigen Filmen der Serie zubeobachten ist: Absage des märchenhaften, bzw, Agenten-Fantasy Moments der früheren James-Bond-Filme zugunsten eines kruden Vorschein-Realismus’; wesentliche Haltungen, die Bond eigen waren, werden zurückgedrängt zugunsten einer Action-Mentalität, die letztlich gemüthlos ist. Schlüsselszene ist da für mich die Erschießung der schönen Asiatin bei diesem Wilhelm-Tell-“Spiel”; James Bond ist zynisch hier, nicht mehr das, für was er früher stand, ritterlich. Man kann Skyfall in seiner Haltung gegen einen beliebigen anderen Action-Film austauschen. Wohlgemerkt, das betrifft nicht die Figur Silva, die sehr gut zur Bond-Aura paßt und hier sogar noch eine glaubhafte, ja mitfühlbare Psychologie bekommen hat; da bin ich ganz Ihrer Meinung.
Bonds Gemüthlosigkeit – wider die Charaktermöglichkeiten, die hier bei Daniel Craig m i m i s c h durchkommen – wird vom erfüllten Drehbuch durchgestrichen, vor allem am Ende, wenn er seinen Dienst wieder antritt und trotz aller eigentlichen Fragen, die ein Mensch stellte, sogar sagt: “Mit großem Vergnügen”. So reagiert eine – Maschine, kurz: ein Replikant.
Was die Selbstzitiererei anbelangt, punktet das aufs selbe Feld: es ist eine Art Selbstbegründung. Daß etwas schon mal war, wird zu seiner (von Kennern als ironisch verstandenen) Rechtfertigung.
Über die kruden Materialschlachten in realistischen – scheinrealistischen – Filmkonzepten müßte man mal gesondert schreiben. Hier spielen die zahllosen “Kollateral”-Toten, die eine einzige Actionszene in der tatsächlichen Realität verursachen würde, eine entscheidende Rolle – nämlich so wenig eine wie bei der unterdessen gängig gewordenen Kriegsführungspraxis namentlich der USA; nicht so in deutlich märchenhaften Ensembles. Ich nenne den Film schlecht, weil er a) sich bei möglichen Lösungen immer für die primitivste entscheidet, b) keine Ambivalenz wirklich austrägt, c) das ehemals Bondtypische längst verlassen hat, d) brachiale Gewalt a l s Gewalt verherrlicht, e) nicht-militärische Werte destruiert und f), schließlich, weil selbst Bonds “Urlaub” aus einer Bacardi-Werbung abgekupfert zu sein scheint, in die man ein bißchen Indiana Jonaes hineingemixt hat. Kurz – schlecht ist der Film, weil er auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, der zugleich der der größtmöglichen Rezipientenzahl ist, hininszeniert worden ist; eben das macht seine horrende Primitivität aus.
Another movie to disagree? Mein erster Eindruck von dem Film war auch nicht sehr positiv – freilich aus ganz anderen Gründen, als den hier ausgestellten. Doch nachdem ich mir die Originalversion noch einmal angetan habe, stimme ich immer mehr der sehr wohlwollenden Rezension von Mark Kermode zu ( http://www.youtube.com/watch?v=cu_SCwh8ers – ähnlich wie seiner Melancholia-Rezension).
1) Zum “Krach-Bumm-Peng”: Soviel ist da gar nicht. Im Gegenteil war ich erleichtert, dass mir Augen und Ohren nicht wie nach Quantum of Solace schmerzten, sondern die Action-Szenen sogar endlich mal wieder so langsam geschnitten waren, dass man dabei auch etwas erkennen konnte. Ist es nicht auch etwas ahistorisch, so abfällig über die Action-Materialschlacht sich zu äußern, weil die Bondfilme doch gerade in diesem Bereich neue Maßstäbe setzten und sich dadurch auszeichneten?
2) Wenn Sie den Zynismus von Bond in dieser einen Szene geißeln (Kermode tut das auch), so ist das nicht doch auch wieder etwas Bond-Typisches? Hart und ungerührt zu bleiben und den Tod anderer mit einem typischen One-Liner zu quittieren, das IST doch eben Bond. Sie mögen schon recht haben, dass mit Craigs Bond eine Verschiebung einiger Charaktereigenschaften einsetzte. Ich begrüße das aber, für mich ist das ein härterer, rauer, maskulinerer Bond, bei dem die Action auch entsprechend besser wirkt.
3) Zeichnen sich die alten Bondfilme etwa durch große Ambivalenzen aus (ihr Punkt b)? Geraten Sie damit nicht in Widerspruch dazu, dass sie einen ritterlichen, eindeutigen Bond als Ideal hinstellen, der gerade doch keine Ambivalenzen kennte? – Könnte man nicht sogar sagen, dass dieser Bond schon fast ein kritisches Maß an Ambivalenz und Brüchigkeit hatte? Selbst bei dieser lächerlichen Bacardi-Betrinkszene ist es ja ein männlicher Absturz, wird dieser Charakter auf (schein-)heroische Weise brüchig. Bond ist immer auch ein kaltblütiger Killer, wenn man das in ritterliche Ideale übertüncht, wäre das nicht eine schlimmere Lüge?
(Die Spiegel-Glas-Szene auf dem Hochhaus, in der Bond den Scharfschützen tötet, zeigt doch auf beiden Seiten schon ergraute Killer, die schließlich zu einer kämpfenden Silhouette verschmilzen.)
Oder die Reziporizität von Bond und Silva, ihr gemeinsames verdrehtes oder in Zweifel gezogenes Verhältnis zu M – war da nicht zumindest ein Aufschimmern von Ambivalenz oder Charakterspiel?
@Phorkyas. war da nicht zumindest ein Aufschimmern von Ambivalenz oder Charakterspiel? Aber ja, das war es, aber wurde – an die hier gezeigten Möglichkeiten Craigs gelegt – sofort wieder weggenommen.
Was die Action-Szenen anbelangt: kann sein, daß sie mir einfach prinzipiell auf die Nerven gehen. Es ist vertane Zuschauerzeit, führt zu nichts außer… tja, was? erlebter Lust an Zerstörung? Lust, gerne selber mitzuzerstören? Ich weiß nicht. Es ist mir vor allem – zu laut. Wenn man dazu das Ohr auf die Filmmusik richtet, merkt man, wie rhetorisch hier gearbeitet wird – mit Mitteln politisch-manipulativer Suggestion. Das war auch ein Kernpunkt meiner >>>> Kritik an Melancholia, den ich bekanntlichebenfalls für einen schlechten, anders als diesen Bond aber auch für einen wirklich gefährlichen Film halte, sozusagen eine Art “Stürmer” der der Depression. Ist es nicht auch etwas ahistorisch, so abfällig über die Action-Materialschlacht sich zu äußern, weil die Bondfilme doch gerade in diesem Bereich neue Maßstäbe setzten und sich dadurch auszeichneten?Dann erwarte ich auch hier neue Maßstäbe, etwa nach Art von Camerons “Avatar”, der das, für die technische Seite des Films, tatsächlich geleistet hat. Die, sagen wir, Spannung der Action-Szenen bleibt sogar restlos hinter der Spannung der ersten Szene von Indiana Jonas I zurück. Die Szenen sind in Skyfall schlichtweg öde – für mich, wohlgemerkt. Ich langweile mich da.ein härterer, rauer, maskulinerer BondNeue Männer braucht das Land (“is wathcing you”) – ich kann darin keinen Fortschritt sehen, sondern fasse das unter Regression zusammen. Da uns der Islamismus so bedroht, brauchen wir halt wieder – Landser: in diesem politischen Kontext sehe ich das.
@ANH Ich kann Ihre Kritik nachvollziehen, doch machen die angesprochenen Themen den Film nicht deswegen zum schlechten Film. Oder sagen wir so: es wäre ein schlechter Film, wäre er 20 Jahre vorher gedreht worden.
Heute erkenne ich darin eine (vielleicht nicht beabsichtigte) Zeitkritik, welche die Vereinfachungen genau einen Spiegel auf heutige Verhältnisse richten lässt.
Es passt da eigentlich alles: “Die große Chance” oder DSDS, die sich nur an einer Heldin ausrichtet, sämtliche Werbungen, die nur mehr über Erzeugung von Glücksanmutung funktionieren. Eine Reduktion der Informationsübertragung, die mittlerweile nach Blog, SMS (160 Z), Twitter (140 Z) bei einer Pictogramm-Botschaft mit 32 Smileys enden wird. Da ist kein Raum für Ambivalence.
Ich stimme Phorkyas zu: das Material zeigt keine neuen Maßstäbe. Da war “Stirb an einem anderen” Tag weitaus herausfordernder.
Für mich passt der Film – resigniert, wie ich schon das ganze Wochenende bin – ausgezeichnet zur heutigen Zeit. Er hat sich hervorragend an heute chameleonisiert,
Natürlich hätte Shakespeare mehr daraus gemacht. Sogar Nestroy. Oder, um beim Film zu bleiben: Coppola:)
@Steppenhund ff. Das ist genau der Kern meiner Kritik: Er hat sich hervorragend an heute chameleonisiert,Von einem “guten” Film erwarte ich – Widerstand; jeder andere Film ist, weil eben Propaganda, schlecht. In “melancholia” findet eine andere Bewegung ihren Ausdruck: die larmoyante Idealisierung einer Krankheit – nicht kämpferisch wie bei Artaud und anderen; nicht erkenntnistheoretisch wie in den Überlegungen Laings; sondern – eine affirmativ ideologisierte Untergangslust. Interessanterweise hat Camerons schon erwähnter “Avatar” den Widerstand geleistet, und zwar verbunden mit einer Art von “gutem Kitsch” und surrealen Bildsegmenten. Will sagen: Cameron gibt Hoffnung, bei Mendes bleibt nur eine Resignation, die sich hämisch an sich selbst wichst (Onanie ist bekanntlich infertil) – wäre da nicht die Gebrochenheit in Craigs Gesicht. Ich habe den Mann nie gemocht, jetzt dachte ich: Was wäre das für ein Richard III! Oder: was für einen Arturo Ui könnte der spielen! Sogar der Lear kommt in Reichweite.
Neue Männer braucht das Land (“is watching you”) – ich kann darin keinen Fortschritt sehen, sondern fasse das unter Regression zusammen.
War oder ist das nicht aber auch Ihre Rede? Und gäbe es damit vielleicht sogar ein regressives Element am “bleibenden Thier”, so die ketzerische Frage erlaubt sei. Aufs Politisch-Ideologische möcht ich mich indes der vielen Fallstricke wegen nicht wagen. Wenn man überhaupt so einen Genre-Film in solchen Fragen ernstnehmen wollte, was ja durchaus interessant sein könnte, so würde ich sofort darauf verfallen wie albern die aus Batman kopierten Schatten und die von ihnen verbreitete Angst ist. Oder muss man seit 9/11 hinter jeder Ecke Schatten sehen? Unsere Angst ist gefährlicher als die Schatten und vielleicht wäre die Welt besser dran ohne Geheimdienste (eine Frage, die im Film zumindest offen gestellt wird!). Wenn der Film also diese dinosaurischen Superagenten, deren Zeit schon längst abgelaufen ist, hochleben lässt in meinetwegen schon regressiver Art und Weise, wollen Sie das dann ernst nehmen?
Actionsequenzen stehe ich nicht grundlegend ablehnend gegenüber – nackte Material und Menschenmaterialschlachten finde ich aber ähnlich ermüdend und teilweise schon ekelerregend wie Sie, so z.B. im zweiten Matrix-Film. Wichtig ist mir wie diese dramaturgisch, inszenatorisch eingesetzt wird. Es ist “Avatar” deshalb auch ein Film, der mich durch seine schiere Technik beeindruckt, aber ansonsten so an mir vorbeigeht, dass es mich schon wieder ärgert, während dieser nichtswürdige Bond-Streifen mich einigermaßen gepackt und unterhalten(!) hat.
PS. Wie Sie an Avatar etwas Widerständiges entdecken können ist mir schleierhaft. Der Film ist doch purer Kommerz, Kitsch, der einem alle Poren verklebt. Das Resignative oder Überholtsein des Alten beim Bond ist dagegen doch schon fast Adorno (wie da das Digital-Neue etwas unheilvoll schimmert)!
@Phorkys: Craig und Elegien. Sie haben recht, da ist ein Verbindendes, doch nur insoweit, als eine Frage nach Geschlechtsidentität gestellt und jeweils auch beantwortet wird – >>>> in den Elegien aber ganz sicher nicht als “rauher und härter”, vor allem aber nicht als zynisch und irgend einer Staatsraison loyal, sondern loyal, und da allerdings konsequent, gegenüber eigenen Entscheidungen, mit Betonung auf ‘eigen’. Es gibt direkt eine Elegie, die Vater-Elegie, Nr. 12, die das zum Thema macht – in Abgrenzung der eigenen Vaterschaft gegenüber der des eigenen Vaters. In der Tat bin ich in Hinsicht Geschlechteridentitäten einer nahezu prinzipiell anderen Auffassung als z.B. Judith Butler. Als Folterer aber, und als Killer sowieso, eignen sich Frauen und Männer tatsächlich in ganz gleicher Weise.
Avatar trägt, wie Bloch das wunderbar am von ihm untersuchten Kitsch gezeigt hat, Menschheitshoffnungen – ich habe hier eine radikal andere Sicht, unterdessen, als Adorno -; das ist es, was ich mit Widerstand meine; Avatar trägt diese Hoffnungen weiter. Skyfall zerballert sie und feixt sich drauf eins – in Gestalt seines Publikums, dem es genau das als Lust dahinspreizt. Es gibt kein – wie in Avatar – Staunen. In der Tat ist für mich die Wilhelm(ine)-Tell-Szene eine Schlüsselstelle für die zynische Moral, die hier so gut verkauft wird, daß es offenbar auch Intellektuelle erwischt. Mein Haupteinwand bleibt aber die sehr bewußt uneingelöste Mutter-Sohn-Problemtik. Es kann allerdings sein, daß ich darauf so scharf reagiere, weil das autobiografische Gründe hat: den eigenen Sohn verraten, weil dies ins Kalkül der gesellschaftlichen Opportunität, sprich für den eigenen Aufstieg, der Mutter nämlich, grad so gut hineinpaßt.
Dieser Aspekt bei Avatar ist mir wirklich entgangen. Da haben Sie recht: warum sollte man in Kybernetik und virtuellen Lebensräumen immer nur die Gefahr und den Zusammenbruch sehen? [Lustigerweise beobachte ich da bei einigen Linken den allergrößten Konservatismus: die Angst vor dem Verlust des Althergebrachten, Werten, von bestehender Ordnung und Orientierung. Da wird dann ein so liebenswürdiger Film wie “Robot&Frank” kritisiert nur weil er nicht kritisch genug sei gegenüber dem Einreißen der Grenze von Mensch und Maschine.]
Diese positive Gestimmtheit des Avatars passte im Übrigen gut zum optimistisch, positivistischen Gesang Whitmans, dessen pantheistische Wasserfälle ich bisher leider nur kurz und bruchstückhaft über mich hinabrauschen ließ.
Das “bleibende Thier” hat sicherlich ein differenzierteres Bild, als dies in so einem grobschlächtigen Film entworfen wird (Haben aber nicht beide eine fast defätistische Haltung?). Der neue Bond hat sicherlich etwas von einem Soldaten – Individualität, Freiheit in Denken und Handeln, das könnte man wohl viel eher seinem Gegenpart Silva zurechnen. Bond hat vielmehr etwas von einem mürrischen, wortkargen Westernhelden, der seine Wunden, die man nur erahnen kann, lieber vergräbt. Damit werden die Extrapolationen hinter die Fassaden natürlich etwas schwer. Versucht Bond von M eine Art Entschuldigung zu erhalten und bekommt sie nicht auch in gewisser Weise? Das finde ich schwer zu beurteilen und so auch, ob die Mutter-Sohn-Problematik uneingelöst bleibt: Es ist mir beim zweiten Schauen erst aufgefallen, dass Bond da am Ende weint. Das habe ich einem solch verkrusteten Typen wie M oder Bond nicht abkaufen können.
Aber gerade das Ernstnehmen dieser Dinosauriertypen hat auch meinen Eindruck bestärkt, dass dieser Streifen nicht so sehr zeitgeistig-zynisch- postmodern-ironisch sei.
Ein b(l)onder Engel stürzt vom Himmel Javier Bardem als blondgefärbtes, schwules Muttersöhnchen war doch ein Hochgenuß. Die Tell-Dame hielt er sich doch nur als Alibifunktion. Allein der langsame Auftritt wie eine Operndiva, die Reminiszenz an den “Beißer” mit seinem künstlichen Oberkiefer, köstlich. So stehen sich zwei gänzlich unterschiedliche Ex-Agenten in einer Racheorgie gegenüber. Dagegen wirken doch alle bisherigen Fies- und Böslinge wie Pappfiguren. Am meisten beeindruckt hat mich die anfängliche Titelsequenz nach der Actionszene, die mit psychedelischen Bildern zu dem Titelsong von Adele unterlegt war. Dass Sie gerade gegen das Genresprengende argumentieren, kann ich nicht nachvollziehen. Wie Tarentinos Pulp-Adaptionen ironisiert Sam Mendes hier doch zum ersten Mal auf hohem Niveau ein sonst eher ärmliches Actiontheater. Er verleiht diesem sogar durch eine glaubhafte, persönliche Rachegeschichte so etwas wie Tiefgang. Das ganze übliche Bäng-Bäng und Brutalitätsgehabe kann man doch nun wirklich nicht einer Realitätskritik unterziehen. Hier spielt jemand sehr gekonnt mit den Versatzstücken alter Bondfilme um einen völlig neuen, anderen zu schaffen. Selbst über das ewige Productplacement kann man doch nur noch lachen. Sie sind doch sonst im literarischen Cyberraum für das Dekonstruktive, also ich fand “Skyfall” sehr gelungen und werde ihn sicher auf DVD oder später im TV noch einmal sehen.
@Bücherblogger. Er verleiht diesem sogar durch eine glaubhafte, persönliche Rachegeschichte so etwas wie Tiefgang.Das ist ja genau der Punkt, daß die Begründung für die Rachegeschichte gar nie ausgeführt, sondern nur halb angespielt wird, ja sogar wieder zurückgenommen durch Nennung des “eigentlichen” Namens Silvas. Niemand soll fragen, was denn wahr an Silvas Geschichte ist – und niemand fragt auch, nicht einmal Bond, der dann mit um so größerem “Vergnügen” seine Tätigkeit wieder aufnimmt.Wie Tarentinos Pulp-Adaptionen ironisiert Sam Mendes –Da verstehen wir uns schon bei Tarantino nicht, dessen Filme ich durchweg entsetzlich finde – und zwar gerade der vermeintlichen Ironisierung halber, die alleine dazu dient, einem die List am Grauen, an Folter, Zerstückelung, Blutschlachten usw. intellektuell zu legitimieren. Das ist etwas grundsätzlich anderes, als es die tragödischen, nämlich auf Katharsis zielenden Inszenierungen von Gewalt der Alten und des nachfolgenden Theaters waren. Dort trat man Auge in Auge mit dem Entsetzlichen, hier macht man sich lustig darüber, als gäbe es das Entsetzliche nicht, jedenfalls nicht für einen selbst – und bei anderen ist es egal, sofern es unserer schenkelkltaschenden Belustigung dient. Als gäbe es, eben, Schicksal nicht, und jeder sei, dem zum Beispiel Guantánamo widerfahre, letztlich selbst daran schuld. So daß er – oder sie – zum Material unseres Volksvergnügens werden kann. Dabei wird dann auch das Klagerecht Silvas verraten.