Menstruationsblut UND Die Brüste der Jolie. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 18. Mai 2013.

8.36 Uhr:
[Arbeitsjournal.]
Das schlug ja wirklich >>>> Wellen gestern, höhere, als ich tatsächlich erwartet hatte. >>>> Torik selbst, was ich angenehm finde, hält sich zurück, vielleicht weil sie betrübt ist, daß mich eigentlich immer mehr als sie Olga interessiert hat – so schrieb ich das heute früh einer Freundin; denn Aléa, formulierte ich, sei mir immer zu altmännerwunschphantastisch sauber gewesen, ein Mädchen halt, keine Frau. Das hatte etwas Unverdorbenes; man mochte nicht glauben, daß sie blutet. Menstruationsblut riecht, Frauen insgesamt riechen stärker als Männer, die eigentlich gar nicht riechen, es sei denn, sie pflegen sich nicht. Männer riechen nach Schweiß, allenfalls, Frauen aber, selbst wenn auch sie nach Schweiß riechen, riechen nach Geschlecht. Deshalb schrieb der bissige Henri de Montherlant, >>>> wenn eine junge Frau sich ausziehe, beginne es im Zimmer sofort nach Löwenkäfig zu riechen. Man nimmt diesen Geruch noch im Nacken der Frau wahr, da sogar verstärkt – vielleicht ein Grund dafür, daß der Parfummarkt nach wie vor vor allem auf Frauen konzentriert ist, nicht, um ihren Eigengeruch zu überdecken, sondern, um ihn subversiv zu machen. Aléa roch n i e, hingegen Olgas Duft – schwere Süße, aber mit einer heftigen Schärfe durchsetzt, die nicht wirklich spitz und sauer war wie mancher Frauen Schleimhaut des Geschlechts, aber doch deutlich organisch – sogar durchs Internet hindurchwehen konnte: hochgradig ambivalent, weil man zugleich zurückschreckt und aber doch aufs heftigste auf eine Weise gelockt ist, die ein gutes Chutney auszeichnet. Es müsse, besagt die Regel eines guten Kochs, so scharf sein, daß man nicht von ihm nehmen, aber so süß zugleich, daß man nicht von ihm lassen könne. – Olga. (Ich hätte mir einen anderen Namen gewünscht und ihr ganz sicher, wäre es zu einer Begegnung gekommen, einen andern auch gegeben. Daß dies ein Machtausdruck ist, weiß ich: Wer den Namen „besitzt“, verfügt übers Objekt, das ihn trägt. Genau deshalb sollen wir GOtt nicht nennen.)
Weit mehr als Torik beschäftigt mich aber Jolie, seit ich erfuhr, daß sie sich hat die Brüste abnehmen lassen. Es beschäftigt mich so sehr, daß ich mit dem Gedanken gespielt habe, den Titel des neuen Gedichtbands, der nach dem darin enthaltenen Zyklus „Die Brüste der Béart“ heißen soll, in „Die Brüste der Jolie“ umzubenennen. Dann aber empfand ich diese Idee als unangebrachten Übergriff, ja Mißbrauch. Es geht mir nicht darum, jemandem wehzutun, schon gar nicht, wenn ich eine Person derart achte. Angelina Jolie war nach meiner Trennung einige Zeit lang meine Wnschprojektion, weil es physiologische Nähen zur Verlorenen gab, ja, sogar gestische. Weil mich die Härte und Unbedingtheit dieser Frau – wie sie sich mir aus der Presse darstellte, selbstverständlich – beeindruckte, ihr Wille und ihr Engagement; ihr Umgang mit Tätowierungen; auch ihre Wirkung auf die Massen, die eine politische, vor allem auch eine hochgradig emanzipative ist; dazu ihre extreme Sinnlichkeit, ihr Geruch also. Und nun ein solcher Schritt – nicht, weil Krankheit schon akut wäre, sondern weil sie Wahrscheinlichkeit habe und Jolie sich, sich abermals ihrer selbst bemächtigend, ihrer ermächtigt. Meine sehr enge Freundin U. ist an Brustkrebs gestorben, ich >>>> schrieb darüber seinerzeit; von ihr hängt hier noch immer eine Bilderserie, mit und ohne Haar, immer auf dem Segler; vielleicht will ich auch ihretwegen das Sterbebuch, meinen nächsten Roman, auf See spielen lassen, zumindest wirkt das hinein; ich erinnere mich, wie wir, der Freund und ich, zwei Urnen, die jeweils etwas von ihrer Asche enthielten, hoch auf See in zwei Meeren versenkten. Es war ein langer zäher Kampf gewesen, der immer versucht hatte, die Brüste zu retten. Eine andere Freundin, die Göttinseidank weiter lebt, erzählte, man habe ihr die Brüste scheibchenweise abgenommen. Auch da stand deren Rettung im Vordergrund mit. Und nun kommt eine Frau daher, hört die Prognose, die noch gar keine Diagnose ist, und handelt entschlossen so. Mir sausen die Ohren vor derart viel Größe. Mir wird schwindlig vor Respekt. Also will ich doch zumindest ein Gedicht dazu schreiben, das unbedingt in den Zyklus mit hineingehört. Vielleicht tu ich das heute. [Nachtrag des nächsten Tages: >>>> Dort ein erster Versuch.] Gedichte waren immer Unterbrechungen laufender Arbeiten; Entwürfe von Gedichten kosten, mindestens, einen Tag, egal, wie lang oder kurz sie sind. Von dem jetzt hab ich noch gar keine Ahnung, nur, daß ich es schreiben will, daß Jolie mich nötigt, es zu schreiben, Ich werde sie, die unter anderm in Berlin lebt, niemals sehen, nie anders als auf der Leinwand. Werde ihren Geruch nicht wirklich in der Nase spüren; unsere Lebenswelten sind voneinander zu weit entfernt. Vor allem würde ich mich schämen, träte ich ihr gegenüber, einfach, weil mein Englisch nicht hinreicht. Es ist nicht muttersprachlich und hat deshalb nicht den Geruch, den es braucht. Wirkliche Sprache braucht den Frauengeruch: Sie muß menstruieren können. Deshalb kann ich zwar Joyce übersetzen, aber in meine Sprache, in sie hinein; ich kann ihm in meiner den Geruch der meinen geben. Darauf, beim literarischen Übersetzen, kommt es an, nicht auf Wort-, bzw. Begriffs- und Silben- oder Rhytmustreue.
Was mich jetzt dazu bringt, meine Übertragungen des >>>> Giacomo Joyce noch einmal grundsätzlich neu anzugehen; eben n i c h t darauf zu achten, daß ich möglichst eng am Originaltext bin, sondern darauf, daß seine Seele möglichste deutsche Entsprechung findet. Da unsere Mentalitäten differieren, kann eine gute Übersetzung gar nicht „wortgetreu“ sein.
Jolie ist übrigens nicht nur ein Star, sondern eine tatsächlich gute Schauspielerin; nein, nicht in den TombRaider- und ähnlichen Action-Streifen, sondern in einem Film wurde mir das klar, der >>>> hierzulande fast unbekannt ist; besorgen Sie ihn sich in Videothek oder Netz. Im Kino wird man ihn wohl nicht mehr zu sehen bekommen.

Guten Morgen.

13.20 Uhr:
Noch direkt am Gedicht nicht geschrieben, nur immer wieder steigt es als Versfetzen in mir auf, die ich nicht richtig zu fassen bekomme oder auch noch gar nicht fassen will. Statt dessen – das gehört unabdingbar zur nächsten Arbeit, dem Neapel-Hörstück, hinzu – >>>> Saviano weitergelesen; es wäre ein Fehler, nicht auf das wirklich dunkle Napoli zu sprechen zu kommen, die „Vele“ im Norden, trostlose Sozialgegenden, Secondiogliano, Melito, von wo aus wirtschaftlich die halbe Welt versorgt wird, mit Schuhen, Textilien und Drogen. Kein Tourist reist je dort hin; Saviano nennt die Gegend den „trostlosesten Winkel der Mittelmeerwelt“. Ich bin vor Jahren mal hindurchgefahren; es hielt mich tatsächlich da nichts. Jetzt erfahre ich, daß dieses „vor Jahren“ mitten in einem der schärfsten Camorrakriege der vergangenen einhundert Jahr lag. Jetzt habe ich Google-Earth über Secondigliano geöffnet. Ich werde also auch dieses Hörstück mit einem Bekenntnis zur Ambivalenz eröffnen, denke ich grade. Es ist ähnlich wie mit Mumbai/Bombay: Ich habe diese Liebe zu der Stadt und sehe zugleich die Schrecken. Fehlen Schrecken, kann ich nicht lieben. Spannend. (Herrscht nur der Schrecken, kann ich’s aber auch nicht, was sehr viel mehr einleuchtet.) – Saviano teilt eine Erkenntnis, die Erleben ist, mit mir, oder ich mit ihm. Ich hab sie >>>> dort zitiert vorhin.
Es hat zu regnen begonnen… nein, zu gießen. Es klingt, als stünde jemand vor meinem Fenster unter der Dusche.Vor Wasser ist die Luft wie ein in Fäden stürzender Nebel, und frisch dringt die Luft hier herein. Das werde ich nutzen, um meinen Mittagsschlaf zu nehmen, derweil auf dem Herd das Gulasch blubbert. Abends, mit meinem Sohn, >>>> der neue Star Trek im Colosseum.

21 thoughts on “Menstruationsblut UND Die Brüste der Jolie. Das Arbeitsjournal des Sonnabends, dem 18. Mai 2013.

  1. Für den Filmtipp … .. bedankt. Ich schätze die Jolie als Schauspielerin sehr, auch ohne diesen Film bisher zu kennen. Werde es nachholen.

    Das mit der Amputation halte ich für eine hysterische Überreaktion. Ich kenne mich in der Genetik recht gut aus und schätze deshalb die Situation anders ein. Außerdem habe ich selbst so viele genetische Krankheitsdispostionen, dass ich mich jeden Tag zweimal vom Funkturm stürzen müsste. Und auch eine 80% Wahrscheinlichkeit für einen Krebs ist noch kein Krebs und muss niemals einer werden. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mich auch mit Statistik etwas auskenne und deshalb dieser sogenannten Wahrscheinlichkeit nicht wirklich traue.

    Na, okay, sie bleibt trotzdem eine bemerkenswerte Künstlerin und Frau. Wollen wir hoffen, dass sie jetzt nicht ironischerweise einen anderen Krebs bekommt.

    Schöne Pfingsttage, PHG

  2. Wunderbarerweise hat sich der Bücherblogger dann doch noch auf seinem eigenen Blog – abschließend (?) – zur Causa Torik geäußert, indem er u. a. dies schrieb – ich darf zitieren: “Ziemlich schmunzelnd stellte ich dann fest, dass sich die Diskussion auch ohne mein Zutun praktisch verselbstständigte und die alten Gräben sich erneut auftaten. Als dann auch noch eine angeblich unechte Frau Torik wieder kommentierte, verschlug es mir noch mehr die Sprache. Überhaupt scheint mir eine Art Sprachlosigkeit bei den negativ Betroffenen eine Folgereaktion auf die “Causa Torik” zu sein. Man ist des ganzen Theaters überdrüssig geworden.”
    Mmh.

  3. hm, das mit der jolie, kommt eigentlich niemandem in den sinn, dass die frau sicher pr berater hat, und ich könnte mir vorstellen, es war alles noch leicht anders (frei nach dem motto: don’t believe half of what u see and none of what u hear), sprich, vielleicht ist es ja tendenziell heldenhafter, wenn man sagen kann, ich hab da vorgegriffen und tatsächlich war es aber notwendig, bzw, im zusammenhang mit der prognose und vielleicht einem befund letztlich nicht so abwegig? anders kann ich es mir fast nicht denken. schlimm genug ist es trotzdem, und egal ob eine jolie oder sonstwer, man wünscht es niemandem. und ich denke oft schon, diese ganze brachialmethodik des rausschneidens, wann hört das wohl mal auf in der medizin und man kann andere wege beschreiten?

    1. @diadorim zur PR. Bei einer Person wie Jolie wird notwendigerweise alles PR, was sie tut, ob Berater oder nicht. Imgrunde ist ein Berater entbehrlich. Aber die Fakten lassen sich ja nachprüfen, ob in ihren vielen politischen und sozialen (die selbstverständlich auch politische sind) Engagements, ob nun in diesem Fall. Es geht mir als jemand, den das beschäftigt, auch tatsächlich, ebenfalls notwendigerweise, um meine Imagnination dieser Frau; etwas anderes bleibt niemandem, der ihr nicht wirklich nah ist. Das ist für sie auch sehr gut so; es wär ja rein fürchterlich, wenn allewelt nun faktisch einflußnehmend mitspräche. Bereits Alice Schwarzers Einspruch ist ein heftiger Übergriff, für den ihr eine geknallt gehört – wie wiederum ebenfalls in der Logik der PR erwartbar gewesen.
      Also meine Imagination von Jolie sagt mir, daß sie ausgesprochen sachlich gehandelt hat, daß sie das völlige Gegenteil von feige ist. Genau das macht sie auch für mich zur Ikone, der sonst für Ikonen nicht anfällig ist. In dieser Srahlmacht kannte ich das bisher nur bei der Schneider.
      Es beschäftigt mich immer weiter, ich hab jetzt sogar die ersten Verse des Gedichts, ja, hingeworfen muß man das nennen. Morgen stell ich vielleicht etwa davon ein – dann aber ohne Namensnennung, die es auch später im “fertigen” Zyklus, abgesehen von Béarts titelgebender nicht geben wird.

      Ja, das hoffe ich mit Ihnen, daß es eines Tages andere Wege geben wird. Es werden ja auch schon andere Wege versucht, die allerdings ebenfalls furchtbar sind; im Fall meiner einen Freundin scheint es halbwegs gutgegangen zu sein, im anderen Fall war der Tod nicht sehr lange aufzuhalten. Für Jolie vielleicht noch der Gedanke, daß ihr Reichtum es ihr erlauben wird, nunmehr kosmetisch-chirurgische Wege zu gehen, die den meisten betroffenen Frauen verschlossen sind. Um den Brachialwegen zu wehren, müßte auch diesen Unterschieden gewehrt werden; in diesen Fällen wäre, sofern diagnostisch und praktisch möglich, auch die kosmetische Chirurgie in die Krankenkassenleistung aufzunehmen oder aus Steuermitteln von der Allgemeinheit zu tragen. Ein paar Panzer nach Afghanistan weniger und, ich bin mir sicher, es ließe sich finanzieren.

    2. hm, meinen sie das schwarzer zitat: “Jolies Operation ist also weder mutig noch feige, sie ist eine Panikhandlung. Und Panik ist ein schlechter Ratgeber.” Stattdessen hätte sie Jolie das empfohlen: “Die Schauspielerin wäre besser beraten gewesen, ihren eigenen Körper maximal zu beobachten, sich alle sechs Monate untersuchen zu lassen – und umgehend zu handeln, sobald erste Anzeichen für eine Erkrankung auftreten.” find ich jetzt nicht so unvernünftig, rät einem eigentlich jeder arzt ähnlich. wenngleich, was weiß man schon von all dem, krankheit ist immer auch ein einzelschicksal, da haben andere wenig drüber zu befinden und ganz unverborgen bleibt so etwas ja meist nicht, wenn man im licht der öffentlichkeit steht, also muss man das irgendwie bedienen. kategorien wie feige oder mutig greifen da für meine begriffe auch gar nicht, da würde ich der schwarzer zustimmen, dann unterläuft sie ihre eigene feststellung aber mit der panikhandlung. sie wird sicher aufgrund von diagnosen und stand der medizin abgewogen haben, klar. welche das genau waren, das braucht keinen interessieren, es als beispielhaft zu verkaufen finde ich dennoch großen bullshit, ehrlich gesagt. was da ja verkauft werden soll, befürchte ich, ist so ein bisschen etwas wie, man kann ihr ihre brüste nehmen, aber sie wird auf ewig sexsymbol bleiben. und ich denke, ja, warum auch nicht? ne frau besteht ja nicht nur aus busen.

    3. @diadorim (2)- Ich mag über Frau Jolies Entscheidung nicht diskutieren; es ist die ihre. Daß sie “verkauft” wird, ist eine Folge der Position dieser Frau in unserem Gesellschaftssystem, ihr also ebenfalls nicht anzulasten, nicht mal entfernt. Ich spüre diesen großen Respekt, wie ich ihn ebenfalls bei Gunter Sachs empfand. Aus einer klaren Entscheidung Panikmache zu unterstellen, gehört zu den miesen Seiten, die manche Schwarzer-Verlautbarungen haben. Dschungellesern ist bekannt, daß ich Frau Schwarzer sehr schätze; dennoch begeht sie, wie ich auch selbst, Fehler, und sie muß wissen, daß diese – ebenfalls aufgrund ihrer Position in dieser Gesellschaft – benutzt werden. Da es nicht bei ihr, sondern bei Frau Jolie um eine Todesdrohung geht, hätte sie einfach mal den Mund halten sollen, anstelle eine persönliche, ja intime Entscheidung politisch auszuschlachten. Ein “ich möchte mich zu der Entscheidung nicht äußern, weil ich nicht übergriffig sein möchte, sondern die Frau respektiere” hätte von Größe gezeugt; so zeugt es von Kleinbürgerei.

    4. na ja, vielleicht, ich hab mit der jolie nix am kochen, dass kippenberger und kling schon tot sind, betrübt mich allerdings ziemlich.

    5. Zum Beratertum (allgemein): Beraten sein ist gut aber ein wirklich guter Arzt macht seinen Patienten selbst zum Experten. Deswegen fallen solche Entscheidungen zwar nicht leichter aber es gibt demjenigen überhaupt erst das Wissen an die Hand, das für derart schwierige Entscheidungen, die zu treffen sind, die notwendige Voraussetzung ist. Leider ist das nicht immer so…

      Die Entscheidungsfindung Amputation als Prophylaxe, die sich aus ausgelesenen Wahrscheinlichkeiten ergibt, ist schon recht rigoros und schon fast ein wenig triumphal (wo nichts mehr ist, kann nichts entstehen). Bei anderen Organen oder Extremitäten sähe das anders aus. Hier greift wohl Verzichtbarkeit.

    6. Busen oder keinen Busen Ich kann mich da gerade nicht mehr zurückhalten. Wer kann behaupten, dass die Handlung von Jolie eine Panikhandlung war ? War sie zu 100% nicht. Wer legt sich schon in Panik unters Messer ? Da bin ich absolut nicht mit Alice Schwarzer d´accord. Wissen sie denn, wie lange sich Jolie schon mit diesem Thema auseinandergesetzt hat ? Niemand weiss das. Ich kann es mir gut vorstellen, denn ich war genau in dieser Position und da spielt auch Geld keine Rolle. (zumindest nicht in diesem Moment) Es geht um ja oder nein.
      Ich denke, dass der Tod ihrer Mutter ein Knackpunkt war und sie zum Nachdenken bewegt hat. Menschlich, oder ?

      Das Zitat von Frau Schwarzer kenn ich nicht, aber ich respektiere Frau Schwarzer um nicht zu sagen, ich steh auf sie. Sie ist eine tolle Frau (fand ich immer schon) und noch dazu hat sie Humor-was ja auf der Bühne der Intellektuellen rar ist.

    7. voodoo Ich hab die letzten tage viel über das wort “menschlich” nachgedacht. Ist es nicht so, dass das, was menschlich ist, menschlich ist und das was unmenschlich ist ebenso menschlich ist ? Ich meine, alles gemachte ist sozusagen menschlich. ob gut oder böse. und jetzt frage ich mich, was sagt uns das wort “unmenschlich” ?
      kann man es anderswo verwenden, abseits von menschen ? bezogen auf das tierreich oder die umwelt ist das wort doch komplett fehl am platz. irgendwie ein unwort für mich. den einzigen unterschied, den ich sehe zwischen menschlich und unmenschlich ist ein gewisser grad an besitzen wollen (besitztum) ..so wie beim voodoo kult.

    8. @Zazie zu “menschlich”. Es ist als emphatischer Begriff verwendet, der eine Übersetzung von “humanistisch” ist, womit eine Weltanschauung gemeint ist, die in der abendländischen, das heißt vor allem christlichen Geschichte sogar eine Ära bezeichnet. Mitempfinden, Mitgefühl, Gnade usw. stehen darin im Mittelpunkt der mentalen und Herzens-Ausrichtung. Selbstverständlich haben sie rein faktisch/semantisch recht, daß “menschlich” auch alles andere bezeichnet, was zum Menschen gehört. Wenn wir aber von einer “menschlichen” Gesellschaft sprechen, meinen wir eben nicht eine, die jede Fähigkeit des Menschen, auch seine Zerstörungskraft, entfaltet, sondern eine, die das grad nicht tut. Deshalb spricht man auch von “unmenschlich”. In Ihrem Sinn sind die Folterungen und Massenvernichtungen unseres und des letzten Jahrhunderts zweifellos menschlich, in der anderen Verwendung des Wortes aber unmenschlich. Man merkt am Zusammenhang eines Satzes, wie das Wort gemeint ist. Es schillert.
      Damit hängt auch die Verwendung des Wortes als “schwach”, “fehlgehend” usw. zusammen; etwa sagen wir, wenn jemand ein moralisches Gebot nicht erfüllen konnte, verzeihend: etwas sei doch nur menschlich. Im gleichen Sinn: Irren ist menschlich. Ihr “this sucks” sagt etwas Richtiges aus, aber unterschlägt die Möglichkeiten; Sie schlagen sich auf die Seite der Erbsünde damit. Etwas anderes zu sein “als man ist”, bedeutet ja auch: zu werden, was mein sein will. Es bedeutet eigene Gestaltungskraft, also vor allem: Autonomie und Bewußtsein. Von diesen ist Mitgefühl abhängig, sie sind seine Conditio. Kulturen, die seine Prägung nicht haben, kennen oft die Verantwortung für den nächsten nicht. Man geht an Leidenden geradezu ungerührt vorbei und läßt sie enden, wie’s grad kommt; oft, etwa im Hinduismus, wird ihr Leid sogar religiös gerechtfertigt. Das Christentum setzt solche Rechtfertigungen außer Kraft, weil hier das Gebot der Gnade wirkt; theologisch betrachtet, ist es sogar egal, ob jemand aus eigenem Verschulden zu einem Leidenden wirkt, indem das Verschulden ein zu Verzeihendes ist. Ein derart “menschliches” Verhalten wird übrigens auch im Koran gesetzt: Barmherzigkeit, bahim, und zwar bereits, als Leitmotiv für spätere, in der ersten Sure; daher auch die Zakat der Sure 2, und das sogar nach Art von Steuern geradezu prozentual festgelegt. Barmherzigkeit im Islam ist Gottespflicht.
      Unsere reichsten Begriffe sind keine eineindeutig definierten; das macht sie nicht arm, sondern reich. Sie können (und müssen, wenn man sie verstehen möchte) ausgelegt werden. Um den Begriff der Menschlichkeit haben sich ganze Philosophien gerankt. Meinte er nur das, was er faktisch/semantisch, in diesem Fall also: grammatisch, bezeichnet, wäre er in der Tat ein Nullwort. Das tut er aber eben nicht.

    9. Anderswelt Schön geantwortet, es macht Spaß, Sie zu lesen… ich geb zu, dass ich mich mit dem Koran überhaupt nicht auskenne, ich hab Berührungsängste damit. Wie mit jeder anderen Religion auch. Ich schiebe sie von mir, wie man den Schnee mit der breiten Schaufel wegschiebt. Aber danke für die prima Antwort !
      Nachdem ich länger nicht mehr hier in der Anderswelt war, bin ich jetzt (zumindest als Leserin) wieder angekommen. Und das freut mich… irgendwas hat mir gefehlt.
      Alles Liebe aus Wien

      PS. Ich hab auf einem Photo gesehen, dass sie eine Pfingstrose auf dem Tisch haben. Meine im Garten gehen gerade alle auf. Vielleicht schicke ich ihnen welche.

    10. @Zazie zu Pfingstrosen. Oh ja! Aber die werden sich auf dem langen Weg nicht halten. (Vielleicht anders, dann, auch wenn da die Zeit der Pfingstrosen leider schon wieder vorüber sein wird: Ich werde aus “Argo” in der Alten Schmiede in Wien lesen, entweder im Spätherbst oder im Frühwinter; nur der genaue Termin steht noch nicht.)

      (À propos: >>>> Darin spielt die Pfingstrose eine nicht unerhebliche Rolle.)

    11. Alte Schmiede Ich dachte mir heute auch, dass die Pfingstrosen den weiten Transport nicht überleben würden, sehr schade. Aber ich hab sie fotografiert. Da kann ich nie widerstehen. Und der Duft, den mein Riesenbusch verströmt, ist schon fast obszön.

      Na gut, dann eben die Alte Schmiede 🙂 Wenn ich in Wien (und nicht in Paris) bin, komm ich sicher dahin, obwohl meine letzten Erinnerungen an diesen Ort etwas zweifelhaft sind. Es ist schon eine Ewigkeit her, aber Ingomar von Kieseritzky erlitt einen epileptischen Anfall, als er aus seinem neuen Buch vorlas, sackte hinter dem Rednerpult in sich zusammen. Danach war der Abend gelaufen.

      Zum Glück bin ich nicht abergläubisch 😉

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