Montag, der 12. Juni 2006. Bamberg – Jena.

7.58 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg. Strahlendes Wetter. Jarrett, Lausanne 1973.]
Das war dann ein wunderschöner Abend, Ewigkeiten noch, scheint’s dem Alkohol, der weiter im Blute kreist… eine kleine Ewigkeit, um das mal s o zu sagen, saßen wir draußen in der Nacht an und auf der Mauer, die den Jähhang zum Barockgarten begrenzt, auf Liegestuhl und Stühlen, sogar auf dem Kies, tranken, hörten uferlos Wecker und Piazzolla, sprachen sprachen, nahmen uns in den Arm, sprachen weiter – durchaus sehr verschiedener Meinungen, tiefverschiedener Meinungen und dennoch ganz ganz nah: C., die früh gehen mußte indes, A., J., E., Zschorsch und ich; dazu traten für Minuten die Schotten, dazu trat eine wimmelnde Mückenflut um einen entfernten Scheinwerfer, dazu traten Zigaretten und Zigarren, ein geküßtes Knie, ein Gedicht sodann, ein Fuß in der Hand, Düfte Parfums: wenn man es s o sieht, hat sich die Lüpertz-Ausstellung auf das menschlichste eingeführt. Und sich in einem Biß, der am Hals bleibt, vollendet.
Es gibt einen Rausch der Nähe. Und mein Sohn war in allen Gesprächen dabei.

Jetzt muß ich mich klären. Muß meinen Zug nach Jena heraussuchen, was ich dort >>>> lesen werde heut abend, weiß ich schon, und A. werd ich, wenn ich nachher aufbreche, >>>> Zschorschs Gedichte vor die Tür legen. An Arbeit ist in meinem Zustand momentan allerdings nicht zu denken, wahrscheinlich leg ich mit ARGO dann erst im Zug los.

(Es gehört zur Politik des hiesigen Hauses, daß selbstverständlich kein Stipendiat irgend einem der bei solchen Gelegenheiten anwesenden ‚Honoratioren’ je vorgestellt wird.)

12.54 Uhr:
[Jarrett, Bregenz 1981.]
Meine >>>> Überlegungen und insgesamt >>>> das Projekt WF hängen auch mit diesem Walter-Benjamin-Satz zusammen, der mich enorm geprägt hat: Wahrheit schieße immer nur auf, und schon sei sie fort. Die innigste körperliche Entsprechung schien mir immer – und scheint mir bis heute – der Orgasmus zu sein, der sich sprachlich übrigens aus orgãn = strotzen, schwellen herleitet und eben mit dem Organischen unauslösbar verbunden ist. Jede Frau, der in WF die männliche Referenz erwiesen wird, ist im letzten Grunde Priesterin.

15.16 Uhr:
[ICE Bamberg-Jena. Jarrett, Sapporo 1976.]
Absurd. Nu’ sitz ich im Raucherabteil, das von fußballbegeisterten, aber klug und angenehm wirkenden Polen voll ist, und hab meine Zigaretten vergessen. Nur die Zigarren sind dabei, aber das wäre nicht rücksichtsvoll, in einem Waggon Zigarre zu rauchen. Ah – und nun finde ich wenigstens noch die kleinen Cigarillos in meiner Hosentasche. Titania Carthaga, die mich noch auf dem Bahnsteig anrief und sagte, sie wisse gar nicht, was sie heute abend anziehen solle, hab ich gesagt: „Weit ausgeschnitten, aber elegant.“ Nun kriegt sie’s mit ihrem Kleiderschrank zu tun.
Mittags wurden wir von Weiß & Goldmann zum Resteessen gebeten; das war dann nett, da unten vor der Sala in der Sonne zu sitzen. Es hat was Witziges: Alle wissen selbstverständlich von meinen Bemerkungen in Der Dschungel (ich habe wegen des Zaunes ja sogar Concordias Pressestelle >>>> den Link geschickt), aber niemand sagt etwas, auch ich nicht, alle lächeln wir höchstens mal.
Und meinem Jungen eine Postkarte geschickt: unsere Erdbeeren sind reif, jedenfalls die ersten – Adrians Erdbeeren sind das.

Und nun ARGO.

16.37 Uhr.
Es sind Kroaten, nicht Polen. Fußballclub Split. Die junge Frau, die, links mir gegenüber, lange geschlafen hat (aber auch ich war kurz eingedöst) und nun erwacht ist, hat schöne, in ihren Dimensionen nahezu perfekte Brüste; die Haut samtbraun. Der Kopf ihres Freundes liegt in ihrem Schoß, sie zupft an seinem Haar.

17.49 Uhr:
Angekommen in Jena. ARGO wirklich noch auf die zwei Tagesseiten gebracht.
>>>> Titania Carthaga holt mich auf dem irre langen Bahnhof Paradies ab, der eigentlich aus nichts anderem als zwei Bahnsteigen besteht. Dann sitzen wir bereits beisammen, schauen Rombilder und flausieren in den Abend.NACHTRÄGE

BILDER JENA 2 – 5