Arbeitsjournal. Dienstag, der 5. August 2008.

7.44 Uhr:
[Arbeitswohnung. Brahms, Zweite Cellosonate.]
Bisweilen kommt es vor, daß mir Leser, vor allem Mitarbeiter Der Dschungel, CDs, aber auch schon mal Bücher, schicken, von denen sie meinen, sie gehörten hierher. So auch die Aufnahme von Cellosonaten Beethovens und Brahms’. Ich sage mal einen tiefen Dank in die Runde. Und muß jetzt, während ich die CD höre, an >>>> meine Bemerkung denken, daß ich das Klavier bei Cellomusik eigentlich als überflüssig, ja störend empfände und den „reinen“ Streicherklang vorzöge. Jetzt muß ich das begründen, glaube ich, denn es ist wohl doch einzuschränken. Die Übersendung dieser CD ist gewissermaßen Aktivierung einer Erinnerung, da ich die Sonaten selbstverständlich längst kannte, aber eben vergessen hatte (nach dem Brahms war ich sogar mal süchtig, zu Frankfurtmainer Zeiten, als >>>> Axel Rucker noch lebte, gut lebte, heißt das; als wir unsere Adorno-Abeitsgruppe, mit Iris Radisch, jaja d e r, Manuela Müller und dem erschreckend intelligenten Rollo hatten, der den Äpfelwein liebte wie kein zweiter). Also: das Klavier sorgt permanent für Harmonie, d a s stört mich eigentlich, es bindet im Gespann mit Streichinstrumenten offene Harmonien fast immer zu festen zusammen, es ist auch irgendwie keine Dissonanz möglich. Das stimmt nicht, de facto, aber ergibt diesen Höreindruck in meinem Ohr. Die Tragweite des solistischen Celloklangs wird zurückgebürgerlicht; das ist zum Beispiel anders, wenn das Cello nur mit anderen Streichern zusammenklingt; weshalb ich Streichquartette so favorisiere, ja ihnen verfallen kann. Wieder etwas anderes ist allerdings das Klavier solo: innerhalb seines eigenen Klangbereiches erreicht es diese Offenheit ganz genauso, was sich bei Jarrett güt hören läßt, und zwar auch, wenn man den frühen des Kölner Konzerts mit seinen späten, manchmal schon an Hindemiths Musik erinnernden Improvationen vergleicht, oder in den Beethoven-Einspielungen Guldas, den Goldbergvariationen Goulds usw.

Habe dem jetzt „für mich“ zuständigen Redakteur der FAZ vorgeschlagen, daß ich über Leonard Cohens Berliner Konzert am 4. Oktober schreibe; mal sehn, ob man mich läßt; wahrscheinlich ist das längst vergeben, und ich bin ja nun nicht gerade ein ausgewiesener Kenner der populären Musik.

Warte auf die nächsten Fahnen für DER ENGEL ORDNUNGEN. >>>> Dielmann rührt sich mal wieder nicht. Warte auf meine Belegexemplare der >>>> AOLIA, damit ich die Bestellungen ausführen kann, die bisher für ein persönliches, mit einem Autographen versehenes Exemplar bei mir eingegangen sind. Für Neuleser: da ich für den Gedichtzyklus, der jetzt in diesem wirklich herrlich gewordenen Buch erschienen ist, kein Honorar bekommen habe, aber ja irgendwie meine Kosten decken muß, verkaufe ich meine Belegexemplare für den Preis einer Monatsmiete dieser Arbeitswohnung (165,50 EUR), zu zahlen an meinen Vermieter, und gebe jedem Buch einen Autographen bei, vielleicht sogar mit einer kleinen Zeichnung, das weiß ich noch nicht, da werden mir je die Situationen die Hand führen; und ich numeriere diese persönlichen Bücher handschriftlich durch. Wer Interesse hat, melde sich bitte über >>>> das Kontaktformular der fiktionären Website.

Es wird Herbst. Das setzt in Berlin immer sehr früh ein. Kühlmann nennt diese Stadt einen Ausläufer der sibirischen Tiefebene. Gestern nacht mußte ich bereits wieder meine Lederjacke tragen. Katanga ist zu Eigner nach Olevano geflogen, mit seiner neuen Liebe. Ich versorge ab heute in unserer alten Väter-WG die Pflanzen.

Gedichtlust.

2 thoughts on “Arbeitsjournal. Dienstag, der 5. August 2008.

  1. Cellosonaten als Ablenkung Es gibt Leser, die schicken einfach “mal so” eine CD – zur selbstlosen reinen Freude für den Empfänger – das mag ungewöhnlich sein in unserer heutigen Zeit …Nicht alles gehört immer “hierher!!

    1. “Nicht alles gehört immer hierher!!” (Das Leben als einen Roman betrachten: 8). Nicht immer, aber seit meiner Entscheidung, seit ich >>>> deswegen mein Leben wieder auf meine Arbeit ausrichte und von der Illusion eines “ganzen”, eines ungeteilten und eindeutigen Lebens Abschied nehme, eben doch. Unbenommen davon, schicken Leser tatsächlich zur selbstlosen reinen Freude des Empfängers Gaben; es ist dem Empfänger eine selbstlose reine Freude aber nicht möglich; sie war es nie, aber er schuf sich Täuschung darüber. Die fällt nun, und es gilt wieder das Gesetz: Alles, wirklich alles, ist Anlaß, etwas zu erschaffen, sei es ein Bild, sei es einen Gedanken, sei es ein Gedicht oder eine Erzählung; nicht alles trägt diese Erzählung g a n z, aber alles strömt doch mit in sie hinein.
      Die Dschungel waren angetreten, dem Satz, das Private sei politisch, wieder Gehör zu verschaffen; sie hatte das ein wenig vergessen über dem vermeintlichen Glück. Es ist die Zeit gekommen, sich wieder klarzuwerden.
      Wer mir etwas schickt, schickt es zur Verwendung. Ablenkung, Helbig, gibt es nicht. Aber Linderung. Und, selbstverständlich, Dankbarkeit: sie ist ein Gefühl von Wärme.
      >>>> Das Leben als Roman betrachten 9
      Das Leben als Roman betrachten 7 <<<<

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