Sublimitas. Für Rucker, auf einen Kopf aus Gips.

[Man fand den alten Freund vor ein paar Monaten, noch nicht fünfzigjährig, am Küchenboden seiner Berliner Wohnung auf. Der Bauch war bereits offen, der Leib völlig in Verwesung übergegangen. Seit etwa zwei Wochen lag er dort unbemerkt, die Augen schon ins Jenseits gewurzelt. Wir hatten einmal eine private Arbeitsgruppe, Iris Radisch, Manuela Müller, Axel Rucker und ich. In Frankfurt am Main, Anfang der achtziger Jahre. Bisweilen war auch Rollo dabei, stets angetrunken von Äpfelwein. So stritten wir über Adorno und Hegel. Das liegt nun 23 Jahre zurück. In memoriam, Axel.]

So steht er, steinern, still und stumm,
Der einst von lust’gem Leide laut getönet,
Von leid’ger Lust; auf einem Tuskulum
Ward er von Weibesliebe warm verwöhnet.

Wahrlich! Kein zweiter Sänger hat wie er
Der milden Minne wonnig Weh besungen,
Und doch, um rohen Ruhmeszins gedungen,
Des Wehes zäher Zähren leid und leer,

Hat keiner so, was Weib und Held verschönet,
In gräßlich-greiser Heiligkeit verhöhnet
Durchs Christenkreuz, des wunden Weibes neidlicher Not.

Freia starb. Denn alle Lust im ew’gen Meer,
Das Töne und Welt durchzieht, lästerte er
Und schlug, lüsterner Leidbold, sein Leid an Lüsten tot.

Anonymus
Vates Germanicus
MCMLXXXVII
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[Fingerübung aus dem Winter 1987.]

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