Schatten des Pantomimen. 25.11. 2008. Paul Reichenbach liest Chamisso & Pirandello.

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Der Schatten

Da ich heut morgen im Garten saß –

Die Bäume standen in blauer Blüh,

Voll Drosselruf und Tirili –

Sah ich meinen Schatten im Gras,

Gewaltig verzerrt, ein wunderlich Tier,

Das lag wie ein böser Traum vor mir.

Und ich ging und zitterte sehr,

Indes ein Brunnen ins Blaue sang

Und purpurn eine Knospe sprang

Und das Tier ging nebenher.

(Georg Trakl, Nachlass Gedichte 1909-1912)

>>>>>Eine offene Tür in eine Wand verwandeln, ist in der Tat dem Pantomimen vorbehalten, der als Schatten seiner selbst, – >>>>die Schatten fressen die Figuren, die sie werfen, – ich schreibe dies zum wiederholten Mal, an eben dieser imaginären Wand ein offenes Fenster sucht und statt dessen ein verschlossenes Schloss gaukelnd findet, das ihm den Eintritt zu sich selbst verwehrt. Mit leisen überbetonten Bewegungen zeigt er uns, wie er den Schlüssel sucht und kann ihn nicht finden. Weder hängt er links oben neben der Tür noch hält er sich unter der Schwelle verborgen. Das kalkweiße Gesicht mit schwarz nachgemalten Konturen formt sich zum lautlosen Schrei. Verzweiflung, wie Munch sie malte. //

>>>Peter Schlehmils Schatten, an den Mann in Grau verkauft, Chamisso berichtet vom Teufel noch direkt, mutiert in >>>>„Mattia Pascal“ zu einer Nichtexistenz mit Namen Adriano Meis, der durch die Liebe auch noch ihr „Nicht“ abhanden kommt. Steckt doch bei Pirandello der Teufel, ebenso wie bei Paul, in den vertrackten Umständen, die erst dann zutage treten, wenn unvorhergesehen ihr pantomimischer Schatten selbständiges Subjekt zu werden droht, indem sie Signale an das längst verstummte Gedächtnis funken. Beide, der Mann ohne Schatten und der Schatten ohne Mann, verdammt zu Landstreicherei (Pirandello: vagabondaggio), halten sich, und schon wieder kommt Munch ins Spiel, die Ohren zu. Der eine mit märchenhaften Aussichten, der andere, außerhalb des Grabes, ganz ohne Perspektive.

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