Arbeitsjournal. Mittwoch, der 4. März 2009. Mit Händels Theseus in Berlin.

5.20 Uhr:
[In der Muschel. Hindemith, >>>> Die Harmonie der Welt am Küchentisch.]
Wiedernächster >>>> Klebetag, allerdings eingeschränkt, weil die Zeit so drängt: die Leipziger Buchmesse beginnt ja schon nächste Woche. Also muß dasjenige Teil der Bücher, den ich fertigbekommen habe, unbedingt schon mal zum Hersteller des Schubers. Der glücklicherweise in Berlin residiert. Da ich keinen Wagen habe, bat ich den Profi, mir heute vormittag den seinen zu leihen. Er hat aber erst mal Termine, weshalb ich hier in Kreuzberg drauf warten werde, daß er sich „zurückmeldet“, dann zu ihm hinüberradeln, den Wagen holen, zur Arbeitswohnung fahren, die fertigen Bücher einpacken, dann wieder nach Kreuzberg fahren, die Bücher abgeben, wieder zum Profi fahren, den Wagen zurückbringen und gegen mein Fahrrad austauschen und damit dann endgültig in die Arbeitswohnung heimradeln. Darüber wird es Mittag werden. Für die Früharbeit hier hab ich mir vier noch eingeschweißte Bücher mitgenommen, um am Küchentisch zur Morgenarbeit weiterkleben (und weiter Musik hören!!) zu können. >>>> Zu Diadorim wie dazu, daß auch Αναδυομένη gestern bemerkte, diese Kleberei sei keine sonderlich poetische Arbeit, ist bloß anzumerken, daß 1) auch einfache Arbeit nicht schändet und 2) >>>> diese Ausgabe nicht erschiene, wenn ich mir die Arbeit nicht machte. Blöd nur, fürs Cello blöd, daß mir vom ständigen Zusammenpressen der Bücher bei jeder neu eingeklebten Seite die rechte Handwurzel bis in den Unterarm hinein schmerzt, als wär ich ein Akkordarbeiter mit unergonomischer Tätigkeit. Und Pfusch, Diadorim, kommt für meinen Character nicht infrage; das ist kein Selbstlob, sondern beschreibt schlicht meine innere Disposition. Abgesehen von dem, habe ich lange nicht mehr über den Tag so intensiv Musik gehört wie im Moment; ich bin bei einigen der Stücke immer wieder geradezu geflutet von Bildern und Inszenierungsideen.
Übrigens erfuhr ich gestern abend, man habe herausbekommen, die Menschen seien für Erkältungen, Grippe, Mandelentzündung usw. Schlafmangels halber anfälliger als wegen Unterkühlung; demnach müßte ich permanent krank sein. Bin ich aber nicht. Gestern wurde es halb zwei in der Nacht, bis ich, erschöpft, einschlief; um zehn vor fünf Uhr stand ich auf. Aber vielleicht i s t das gar nicht zu wenig Schlaf, was dann ebenfalls wieder Disposition wäre; ich habe – für mich – eher den Eindruck, daß zu viel Schlaf den Körper schwächt. In d e m Sinn: Guten Morgen, Leser. Und ran ans Buch.

6.29 Uhr:
W i e d e r ein Buch ge„schafft“. Ich vergaß, noch zu erzählen, daß ich heute >>>> auch anderweitig entschädigt werde. Dieser Theseus ist nach meinem Dafürhalten die beste Opern-Inszenierung, die es derzeit in Berlin gibt; und es gibt ganz sicher noch Karten. Hineingehen, Berliner! Wer wenig Geld hat, besorge sich einen der billigen Plätze und setze sich dann um; auch das wird mit Sicherheit funktionieren. Benedikt von Peter (Regie) und Alessandro de Marchi (Dirigat) zeigen, zusammen mit allen Musikern, w i e hervorragend sog. Modernisierungen sein können, w i e treffend, w i e tatsächlich modern. Ich sehe die Inszenierung nunmehr zum vierten, vielleicht sogar fünften Mal. >>>> Hier meine seinerzeitige Kritik.

15.33 Uhr:
[Arbeitswohnung. Nach dem Mittagsschlaf.]
Muscheln sitzen auf, die ich eben, nach einer Stunde s e h r tiefen Schlafens, geputzt habe, während ich auf meinen Jungen für Cello und Hausaufgaben warte.

Wegen der Bücher mußte es vorhin ohne das Auto des Profis gehen, aus einem privaten, höchste einsichtigen Grund; außerdem ist man ja nicht aus Zucker: also vierzig überklebte Bücher in meinen Rucksack getan, der mir schon irre Dienste geleistet hat – ebenfalls ein Geschenk Dos, von, meine ich, weit über zwanzig Jahren Alter – … – in den Bergsteiger-Rucksack getan, dadrauf noch sechzig >>>> Volltext-Ausgaben, denn Volltext selbst hat keine Exemplare mehr oder nicht mehr genug… – dieses alles auf den Rücken und damit nach Kreuzberg aufs Rad; sowas um die zwanzig/fünfundzwanzig Kilo: man kann sagen, es sei bisher ein Sporttag gewesen. Was ich jetzt noch an Arbeit schaffen werde, bis ich um 18 Uhr >>>> zur Oper aufbrechen muß, ist ziemlich ungewiß. Doch sei’s drum. Wenn der Bub Aufgaben löst, klebe ich sicher noch ein weiteres Buch; danach will ich etwas ans Cello, so noch Zeit ist.

5 thoughts on “Arbeitsjournal. Mittwoch, der 4. März 2009. Mit Händels Theseus in Berlin.

  1. Hotel Marienbad 005
    Ann Cotten: Kritik & Cover

    Dienstag, 03. März 2009, 19 Uhr
    Petra Coronato – tongue tongue Hongkong
    Eintritt frei

    Die tongue tongue Hongkong ist keine neue Kunstform, sondern eine Firma, die seit vielen Jahren erfolgreich Schöne Literatur recycelt. Nach anfänglichen Skandalen wegen der Skrupellosigkeit ihrer Beschaffungspraxis avancierte sie schnell zum Publikumsliebling und hält im deutschsprachigen Raum noch immer eine Art Monopol in Sachen Textrecycling. Die festangestellte Autorin Petra Coronato führt uns in die Zentrale nach Hongkong, stellt das Geschäftskonzept vor und gibt wertvolle Tipps, wie auch Sie in Zukunft ungeniert vor aller Augen Texte recyceln können, ohne je dafür belangt zu werden. Wer dann noch Lust hat, ist herzlich eingeladen zu einem kleinen Ausflug in den Rotlichtbezirk des Waldes, mit dem wir die Veranstaltung ausklingen lassen werden.

    da musste ich gestern prompt an sie denken.
    ja, auch einfache arbeit schändet nicht, spülen zum beispiel, kriegt man auch warme hände bei. och mönsch, muss man denn immer gleich ne innere disposition mitbringen? manche dinge werden ja auch einfach schön, wenn man sie dann endlich erledigt hat, nach der party aufräumen zum beispiel.
    frauen brauchen viel mehr schlaf als männer und kaffee ans bett, ist bestimmt erwiesen und auch disposition, aber uff jeden.

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