Arbeitsjournal. Mittwoch, der 1. April 2009.

6.14 Uhr:
[Pflanzenort.]
In dieser Wohnung schwingt etwas Ungutes; ich hatte schon neulich das Gefühl gehabt und es auch formuliert: man müsse hier kochen, dringend, und zwar Fleisch. Weshalb, das war mir da noch gar nicht klargewesen. Eine Vegetarierin ist die Hauptmieterin, die nun verreist ist und ihre Wohnung für die Zeit der Abwesenheit vergab. Irgend etwas von ihr blieb zurück, eine Bindung, ein Verhältnis, könnte man sagen. Denn die Wohnung steht voller riesiger Pflanzen. An sich wäre das schön. Für einen Dschungelbewohner. An sich schenkte das Vertrauen. Es tut aber das Gegenteil. Es sind die Pflanzen, die diese Wohnung bewohnen, die Hauptmieterin i s t gar nicht verreist, sondern sie, die Verreiste, dient. D a s ist die Bindung.
Uns wurde des gestern nacht bewußt. Es legte sich uns auf die Arme, ließ die Härchen sich aufstellen, es war, als würde gesprochen, als gäbe es etwas, das uns hinausweisen will, weil wir stören. „Du mußt ihnen zu trinken geben, damit sie begreifen, wir sind Freunde“, sagte ich. „Wir sind der Gast der Pflanzen.“ Mit riesigen fingerartigen Blättern, die nach einem zu greifen scheinen.
Wir bereiteten den Fisch. Das Blut, das aus den kalten Leibern kam, als ich sie wusch, tat den Pflanzen wohl; weniger, nehme ich an, der Salat, den die Frau zubereitete. „Am schlimmsten!“, sagte sie, „ist es im Badezimmer über der riesigen Wanne.“ In der Tat, man hat bequemst zu zweit darin Platz, und jemand Drittes könnte auf der kleinen Wannenstufe sitzen, die in die Wanne hineinführt. Über der Wanne das Dach der Pflanzenarme. Über der halben Küche das Dach der Pflanzenarme. Die Menschen, wenn sie essen, sitzen sehr tief, hocken fast, so niedrig der Tisch, so hoch dann die Pflanze. Man ißt vor Demut vor der Pflanze – gesenkter Blicke, auch wenn man geradeaus schaut. Ich führte das Messer.
Es gibt eine seltsame kopfhohe Trennwand im Wohnzimmer. Sie trennt die Pflanzen von dem Schlafbereich ab. Er ist wie eine Höhle, die aber von ü b e r der Trennwand bewacht werden kann. Diskret schauen die Pflanzen zur Seite. Aber weil sie es wollen. Ich hatte gedacht: wo üb ich hier Cello? Wenn überhaupt, hatt’ ich gedacht, dann im Bad.

16.54 Uhr:
[Abeitswohnung.]
Kaum vorangekommen. Testosteronschübe, nachziehende Gedanken, Chats, die Erbschaftsangelegenheit. Abgeschnitten vom Produktiven, mach ich nur fahrigen Unfug. Mein Junge kam gerade, ich hab ihn nochmal hinausgeschickt: Ball zu spielen mit den Kindern des zweiten Hinterhofs. Mit >>>> „Heroes“ bin ich erstmal durch; die dritte Staffel gibt es noch nicht auf DVD. Über die stillen (anthropologischen) Implikationen, wenn man die action mal wegdenkt, bin ich noch nicht restlich im klaren; es gibt aber welche. Viele.
Korrespondenz mit B.A.; Korrespondenz mit der Sonntagszeitung, neuer Auftrag; Korrespondenz mit der Uni Heidelberg; >>>> Zagrosek rief an. Da wurde mir ein nächstes Wespennest deutlich. Wie ich jetzt weiter vorgehe, weiß ich noch nicht.

>>>> Malos ist wieder da. Das irritiert mich; ich habe gedacht, er sei untergetaucht oder durch >>>> Vergil ersetzt worden. Alles kommt immer zurück, verwandelt.

23.42 Uhr:
[Bei „Roma“.]
Ja, glaubt >>>> der Typ denn, ich schriebe das Arbeitsjournal, um Cretins wie ihn zu „kicken“? Was für ein Mißverständnis! Mir sind Menschlichkeiten restlos fremd. Das das immer noch keiner kapiert hat. Goetz sind sie genau so fremd. Also. Was soll dieser gefühlige Müll? „Rainald Goetz, einer von uns“. Daß dem nicht das Kotzen kommt. Oder ein Gelächter. Von ganz tief unten, so hodenab aufwärts.

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