Arbeitsjournal. Fremder Texte Lektorate. Dienstag, der 28. Februar 2012. Sowie zu den Hörstücken.

5.05 Uhr:
[Arbeitswohnung. Schostakovitsch, Zweites Cellokonzert.]
Um Viertel vor fünf auf, Latte macchiato & Morgenpfeife. Ein nächtlicher Chat brachte mich ziemlich drauf; das brach ich ab um etwa halb zwölf, damit ich heute auch hochkomme: was eine hübsche Begründungsfolge… nett, wirklich. Und bei Bruno Lampe habe ich >>>> einen lobenden Kommentar gelöscht, der mich zugleich attackierte; das ist >>>> die andere Strategie, derer sich meine anonymen Gegner bisweilen gern bedienen. Diadorim hat sich vorgestern >>>> klug dazu geäußert, also zu dem, was die Leute umtreibt. Ich meine sogar, ihre Aussage verschärfen zu müssen, denn selbstverständlich geht es einmal wieder um den angeblichen Geniekult, den ich mit mir betriebe; zugleich sei ich banal und ein Nichtskönner usw. Die Leute denken, wenn sie nur, was bereits vorliegt, lange genug ignorieren, dann sei es eben auch nicht da. Man kann das auch ein Mobbing nennen, weil es das ist. Das kurzfristig modern gewesene Jugendlichenwort „dissen“ ist ebenfalls sehr angebracht. Mehr will ich dazu jetzt nicht sagen. Die Zeit drängt. Das mir gestern überbrachte Typoskript sollte binnen zweier Tage durchgearbeitet sein; dann wird es ein nächstes Treffen fürs Lektorat geben. Im Unterschied zu Korrekturaten mache ich so etwas lieber persönlich als über Pdfs/Docs, bzw. telefonisch. Ich erinnere mich intensivster Tage mit Delf Schmidt und Axel Dielmann; darauf gestehe ich auch allen Autor:innen ein Recht zu, die mich um Lektorate bitten; sofern ich dem nachkomme, selbstverständlich. In einigen Fällen ist es unterdessen aber unproduktiv, mich öffentlich als Lektor zu nennen; vor allem jungen Autoren rate ich immer wieder: Tut euch einen Gefallen, und nennt mich nicht. Sonst nimmt man mich euch übel.
Sowieso wird es zeitlich äußerst eng, weil ich ja endlich auch >>>> an ARGO wieder will. Nein, das ist nicht vergessen, auch wenn die Umstände das Erscheinen immer wieder verzögert haben, jetzt bereits über Jahre. Beruhigt bin ich dennoch, und zwar einfach deshalb, weil das Typoskript ja im Prinzip fertig vorliegt; ich schrieb schon neulich, daß das, was noch daran zu tun ist, jede/r gute Lektor/in ganz unabhängig von mir darstellen könnte. Also damit wir uns richtig verstehen: das Erscheinen möchte ich s c h o n noch gerne erleben, aber ich wäre eben nicht der einzige Künstler, dem so etwas vorenthalten wird. Dann würde es, Insch‘allah, eben so sein
Jedenfalls haben meine Redakteurin und ich gestern die Sendetermine der beiden neuen Hörstücke projektiert: Das eine wird im Juni, das andere im November ausgestrahlt werden, was bedeutet, daß sowohl der Mai als auch Oktober Produktionsmonate sein werden, in denen, abgesehen von Der Dschungel, eine andere literarische Arbeit nicht möglich ist. Für das komplizierte Stück brauche ich die lange Zeit auch, weil Recherchen an ihm hängen, für die ich mit dem Mikro auf Abruf bereitstehen sein muß. Wenn sich solche „Abrufe“ denn realisieren lassen; es hängen unter anderem juristische Verzwicktheiten daran. Wiederum muß ich für das erste Hörstück mal nebenbei acht Bücher lesen. Indes ist wunderschön, daß zu meinem Sprecherteam wahrscheinlich >>>> Thomas Quasthoff stoßen wird; ich traf ihn neulich in der Staatsoper und sprach ihn kurzerhand an. Jetzt bekommt er zweidrei CD-Kopien meiner Stücke. Auch Bernd Rauschenbach von der >>>> Arno-Schmidt-Stiftung hat mehrfach mit ihm gearbeitet. Da Quasthoff seit Kindertagen >>>> mit meiner Impresaria befreundet ist, war mir der Einstieg leicht. So habe ich allmählich eine wunderbare Sprechertruppe zusammen, deren Zusammensetzung meine Hörstücke auch jenseits ihrer Kompositionen einzigartig macht. Nun ist es noch mein Traum, gut genug am Cello zu werden, um sämtliche Musiken selbst einspielen zu können: als Improvisationen, die jeweils direkt aus den verarbeiteten Texten heraus entstehen. Na, noch zehn Jahre vielleicht, oder mein Junge könnte so weit kommen.
Früh lag ich also im Bett und fiel wie ein Stein, sofern er‘s kann, in Schlaf, so daß ich leider nicht mehr hörte, daß die Löwin anrief. Ein dahingehauchtes „Hallo, ich bin‘s“ war heute morgen auf dem Anrufbeantworter – so melodiös, daß man‘s vertonen möchte oder als O-Ton in eines der Hörstücke hineinbauen. Doch erst einmal tauche ich, jetzt, in des Anderen Romantyposkript. Sowie ich mir den zweiten Latte macchiato zubereitet haben werde
Guten Morgen, Leserin.


© by Richard Hebstreit.

7.24 Uhr:
Jetzt hat mich >>>> das eine andere Zeit gekostet, als in ihr angesagt gewesen ist. Aber die Angelegenheit ist wichtig. Ich bitte Sie deshalb, wenn Sie dem Link auf den Offenen Brief folgen, diesen auch Ihrerseits zu unterschreiben.
Danke.

15.25 Uhr:
Ich habe das Lektorat aufgegeben, komme in das Buch nicht hinein. Möglicherweise bin ich zu nahe an dem, was ich in meiner eigenen Arbeit für gute Literatur halte, um die Güte einer anderen noch erkennen zu können.
Das drehte mich heute morgen um und um. Wie machte ich das dem – befreundeten – Autor klar, ohne zu verletzen? Jedenfalls warf ich das Handtuch und tat die schwere Handbewegung zum Telefon, nachdem mich eine Geliebte gecoacht hatte. „Laß jemanden anderes draufsehen, vielleicht eine Frau“, sagte sie, „und schlag ihm das so vor, bevor du irgend ein Geschirr zerschlägst. Du bist so sehr in deiner eigenen Ästhetik, daß es die künstlichen Linsen deiner Augen vielleicht ganz milchig macht“.
Nach dem Telefonat fiel mir dann ein solcher Stein vom Herzen, daß ich ins Bett sackte und wirklich über zwei Stunden lang tief schlief, wie ein Sack aber; ich fand nach drei Uhr kaum hinaus, hatte böse geträumt. Und bin noch immer ungeduscht, wie verklebt. Das muß ich ändern, aber erst einmal die Post fertigmachen und wegbringen, damit an diesem Tag irgend etwas noch gelingt. Ein Handtuch zu werfen ist für mich nahezu immer wie eine tiefe Kapitulation. Also bin ich gallgestimmt und würde mich am liebsten nur hinters Cello setzen, um mich dort, den Leib des Instrumentes wie einen Liebeskörper umfassend, zu vergraben.

19 thoughts on “Arbeitsjournal. Fremder Texte Lektorate. Dienstag, der 28. Februar 2012. Sowie zu den Hörstücken.

  1. was ich schon mal nicht verstehe, ist, dass sie immer von ihren gegnern reden, als ob diese eine meinungskonforme, hinsichtlich aller ihrer “anh-eigenen” auffassungen widersprechende masse kompletter homogenität bildeten, worauf ihre kontradiktionen dazu dann sehr oft auf ihr gesamtes, bislang veröffentlichtes werk hinweisen.
    so einfach mag man vielleicht im blog verfahren müssen, da doch viele der gegner irgendwie unter “verödisierendem” wiederholungszwang leiden – wieso dies aber zu ständigen repetitionen ihrerseits führen muss, leuchtet mir nicht ganz ein.

    ich würde im eigenen rahmen einfach nur kommentarlos löschen, insofern ein gegner nur stuporig herumpolemisieren tut.

    1. @Joe zu den “Gegnern”. Daß ich von ihnen wie von einer homogenen Menge spreche, hat mit den seit bald drei Jahrzehnten immergleichen nicht Argumenten, sondern Meinungen zu tun, die über mich im Schwange sind und so auch tätig vertreten werden. Das heißt, es gibt eine durchaus reale Seite der Vorgänge, die tief in meine Existenz eingeschnitten hat und weiterhin einschneidet. Der von Ihnen so genannte “Verödisierungszwang” hat bereits vor einigen Jahren die Zeitung >>> Volltext ihre Interviewten fragen lassen, was man denn eigentlich gegen mich habe und auf welche Bücher sich dabei bezogen wurde. Es wurde sich auf gar keine bezogen, weil sie denen, die solche Meinungen vertraten, gar nicht bekannt waren, sondern diese Meinungen waren nach Gerüchteart hintertragen und unnachdenklich übernommen worden. Was allerdings bekannt war, ist, daß ich mich nicht den Usancen eines Betriebes beuge, der jeweils anderen Krähen kein Auge aussticht.
      Es ist insofern mit einfachem Löschen nicht getan, weil das so täte, als handelte es sich bloß um Vorgänge im Netz. Es handelt sich aber vor allem um solche meiner trealen Lebenswirklichkeit; meine Agentin kann unterdessen ein garstiges Lied davon singen. Selbst viele Freunde haben lange geglaubt, daß ich paranoisch reagiere, bis es auch sie, weil sie aufmerksam wurden, kalt erwiascht hat.
      Daß ich auf die Gegner hier so reagiere, wir ich es tue, dokumentiert sie. Das ist mir überaus wichtig, weil spätere Generationen, wenn sie meine Bücher ansehen und sich mit meiner Arbeit beschäftigen, dann für etwas Anhaltspunkte haben, das ansonsten untergehen würde.

    2. naja, da ihr werk ja nicht von stilistischer eindimensionalität ist und desweiteren nicht einem einzigen genre zuordenbar, ist es doch schon schwer, auf polemische angriffe argumentativ-dezidiert zu reagieren ( wenn nicht unmöglich ? ).
      ihre geduldigen reaktionen können im grunde doch von nichts anderem zeugen als von grossem humanismus, der allerdings gratis und tagtäglich sich soweit blogweise geradezu verschwendet.
      es ist ja kaum jemand, der so sprachmächtig ist, zu kommentieren, zu erziehen, weder formal noch inhaltlich ( die meisten leute müssen sich doch zwanzigjährig schon als fertig oder gefestigt auffassen, wenn sie nicht schon vorher irgendwie abschlossen und betreiben stolz sein wollende selbstbehaupterei – meist ideologisch grundiert )

    3. Machen Sie, Herr Joe, doch bitte mal einen Volkshochschulkurs in Groß- und Kleinschreibung, da ich und alle anderen es als unzumutbar empfinden, ihren Sätzen unter diesen kleinbuchstabigen Umständen zu folgen. Wäre doch schade.

    4. @Settembrini. Was meinen Sie, hätten Ihnen Ernst Jandl oder Gerhard Rühm auf solch eine Invektive geantwortet? Es hätte ein aber-solches-!-Spottgedicht gegeben – Ihres Tones, nicht des Anliegens halber. Auch mir gefällt die Groß- und Kleinschreibung besser, so sie korrekt ausgeführt wird und nach den Regeln der alten deutschen Rechtschreibung. Seit die “neue” Platz gegriffen hat, kommt es auf Groß- und Kleinschreibung eigentlich gar nicht mehr an.

    5. jandl & rühm waren künstler, die wußten, was sie taten; deren spott wäre also kunst gewesen. Ein Joe allerdings muss sich an die Regeln halten oder die zusätzliche Anstrengung beim Lesen des Kleingeschriebenen vergüten, durch Witz, Wonne oder Erkenntnis. Da er dies nicht tut, zieht er sich meinen Ton zu wie andere sich einen Splitter in den Finger. Die “neue” Rechtschreibung ist, da gebe ich Ihnen recht, überflüssig wie ein Kropf.

    6. ja anh – es gibt sicherlich wesentlicheres ( als gross- und kleinschreibung )
      da sag ich fast schon danke.

      *mit einem hauch ( kein häuchlein ) von lächeln*

    7. settembrini : maximal thread count too often reached.

      hey sied sie nicht eine literarische figur ?

      ach so – korrekt gross geschrieben, da ist humor ja noch kein thema.

      womöglich.

      geht ab.

    8. Bei so viel Bockigkeit und Eigensinn, um nicht zu sagen Arroganz, ist Ihnen nicht mehr zu helfen; fürchte ich jedenfalls. Verstehen Sie denn nicht, dass Ihre Texte nicht so leicht eingängig sind, wie sie sein könnten? Der Leser muss doch ständig wieder zurück und von vorne lesen, weil er beim ersten Durchkämpfen Haupt- und Tuwörter (und was es sonst noch so gibt) nicht als solche erkannt hat. Geht es Ihnen überhaupt um Verstandenwerden? Wir leben doch nicht mehr in den 60er Jahren, wo Widerstand an den unmöglichsten Orten geübt werden musste. Außerdem rügte ANH meinen Stil, warum auch immer, denn ich bitte ja nur stellvertretend um etwas, nicht mein Anliegen. Versuchen Sie es doch wenigstens einmal, Sie werden sehen, es ist toll, kroß UND glein zu schreiben!

    9. herr settembrini – naja – rücksichtsvoll, rücksichtsleer – hey, auch vielleicht argumentierend verfasste texte müssen nicht zwangsläufig auf einhellige interpretationen treffen.

      so lieb sie ihre diktion zurück nahmen.

      * lieb ist nichts selbst-despektierliches meiner ansicht nach.

    10. Nu’ versteh’ ich Sie wieder nicht. Das versteh’ wer will.
      Ich muss nu’ aber los, zum Tolk, wo mich der Naphta zum Duell erwartet.

    11. ein duell der opazität.

      nun : opazität ist interpretierbarkeit.

      interpretierbarkeit ist stets,

      interpretationswilligkeit ist abhängig

      seil mich ab

    12. … ich verstehe soweit das was ich meine.

      da gibt es nichts zu glauben als an vielleicht eine glaubensürdige mehrfachauslegbarkeit von gedanken oder worten.

      so ist das.

      wiegen sie tatsächlich nur buch ?

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