Der Giornale nuovo amerino № 1. Am Sonnabend, den 26. Mai 2018. Mit einer Rückschau auf Wien, unter anderem Ilse Dick und Dieter Würch dort und seine 777, sowie aus meinem Temperament und auch der Villa Massimo in Rom und a u c h Sabine Scho.

[Casa di Schulze, Cortile
0re 14.12
Skrjabin, Klaviersonate 3 fis-moll (Rubinstein)]

Meinen Arbeitsplatz im von Schulze und mir so benannten Poetenhof bezogen; im Laptopzelt läßt es sich am, weil mit einem matten, nichtspiegelnden Bildschirm versehenen Zenbuch selbst in der prallen Sonne noch sehr viel besser als seinerzeit am Netbückerl arbeiten. Von Zeit zu Zeit schaut Bruno Lampe vorbei, dann wieder Cristoforo Arco, der drinnen im hinteren Raum Verlagsprojekte lektoriert, bis auch er, wie bis eben ich, in den Siestaschlummer fallen wird; für abends, wenn der Wein geöffnet, sind Lesungen des Hausherrn aus seinen Gedichten geplant.

Angekommen sind wir, mein Verleger und ich, gestern abend, nachdem ich vortags nicht mehr dazu gekommen war, das angekündigte zweite Wiener Arbeitsjournal tatsächlich auch zu schreiben; da meine wundervolle Lektorin und ich Das Ungeheuer Muse wirklich fertigestellt und sogar eine erste Festlegung der Anordnung der Gedichte zueinander hinbekommen hatte, war es mir einfach wichtiger gewesen, noch einmal im Prater zu laufen, und ich lief und lief, hätte mit Leichtigkeit statt der nun fünfzehn auch zwanzig Kilometer geschafft, hätte mich nicht bereits während der letzten halben Stunde ein permanentes Grollen begleitet, um sein Gewitter anzukündigen, auf das es hinauslief, jedenfalls hinauszulaufen schien; ab Kilometer 12 regnete es auch schon, so daß ich ein wenig Angst wegen des Ifönchens bekam, das meine Läufe per Smartrunner protokolliert. Die verbliebenen fünf- bis sechshundert Meter spazierte ich dann … – jetzt hätte ich fast “heim” geschrieben.
Dort war dann quasi sogleich das Verlagsessen vorzubereiten, das für den Abend angesetzt war, um mir einerseits mit der Lektorin unsere Arbeit vom Verleger abnehmen zu lassen und andererseits, beinah noch wichtiger, nächste Projekte anzusprechen, für die Elvira auch als Übersetzerin ausersehen sein nicht nur könnte.

Doch bereits vorabends hatte es ein Essen gegeben, eines, das wöchentlich stattfindet und zu dem ich nun  bereits ein drittes Mal eingeladen war.
Die sehr schöne Domgässer Buchhandlung 777 ist die einzige, mir jedenfalls dafür bekannte, daß in ihr – gekocht wird; “kochen” meint hier wirklich kochen. Des weiteren unterhält sie im Souterrain einen wohlbestückten Weinkeller. Treffen aber, mittwochs, tun sich dort bei Dieter Würch nicht nur Künstler und, wie, wenn Autor:inn:en, wir genannt werden, “Intellektuelle”, sondern auch Handwerker und Techniker, Kräuterhexen, Landbestaller und -befruchter; Cristoforo Arco ist quasi jedes Mal dabei.
Getrunken und gegessen werden kann, soviel ein jedes will – nachher werden in ein rundes Gefäß ganz ebensoviele Scheine getan, wie es den Gästen angemessen vorkommt. Und so drehn sich die Gespräche denn auch mehr um Welt als Gott. Mittwochs also in Wien heißt für mich genauso immer d o r t zu Dieter Würch wie wenigstens einmal wöchentlich d a zu Trzešniewskis Brötchen und Pfiff – einen Weg, den ich direkt davor für mich flanierte, nachdem Elvira und ich mit der höchst klugen und charmanten Ilse Dick, Peixotos grandioser Übersetzerin, im Schwarzenberg zusammengetroffen waren; Elvira hatte ich hinzugebeten, weil ich instinktiv vorausspürte, die beiden Frauen hätten einander einiges zu sagen. So war es denn auch.
Höchst zufrieden ging ich meiner Wege.

Höchst zufrieden saß ich dann gestern am Flughafen, auch wenn der Himmel etwas weinte. In Rom empfing uns wieder die Sonne. Wobei wir dort selbst nicht ausstiegen, sondern im Milchkannen-Regionale bloß hindurchfuhren bis Orte weiter, wo uns der Freund denn auch empfing – etwas später als geplant. Den eigentlich ins Auge gefaßten Zug erwischten wir nämlich nicht. Es gab schlichtweg mal wieder ein bißchen Chaos an Fiumicinos Aeroporto; für das in die Parkbucht gerollte Flugzeug stand eine einzige Person bereit; alles übrige Personal hatte es entweder vergessen oder keine Lust gehabt, für Eurowings den Pranzo zu beeilen. Mithin fand unser Gepäck erst spät aufs Ausgabeband. Andererseits, ich habe in Fiumicino schon S t u n d e n gestanden; insofern blieb alles im Grünen Bereich: Mauros Vino ward auch davon nicht gleich Essig.

So kamen wir an, der Wein stand schon bereit. Die beiden einander noch nicht bekannten Herren waren einander ziemlich schnell gut; auch der Steinpilzrisotto war wunderbar. Dann wurde in die Nacht hinein geredet und vorgelesen, wobei il editore Arco doch etwas mitgenommen war, da vornachts nur drei Stunden geschlafen, und sich bereits halb vor Mitternacht zurückzog. Da blieben die Dichterfreunde noch etwas für sich.

Mein Verleger schnarcht. Gut, diese Bemerkung ist nicht nur indiskret, aber wir teilen uns das Zimmer, sondern auch unfair. Denn in Wahrheit hat er sämtliche Holzrollos durchgesägt, die hierzustadt, in dieser Wohnung zumal, sehr hoch und sehr breit sind. So hatte nun ich nur drei Stunden, stand aber um sechs quietschvergnügt auf, ganz für mich, und nahm meinen traditionellen Morgenplatz in der Tür zum Cortile ein, um meinen ersten Milchkaffee zum ersten Cigarillo zu nehmen und dabei zu lesen: nunmehr weiter in Ruoffs Apatit, das ich hier sicher abschließen werde, um dann auf Botho Straußens Der Fortführer  zu wechseln – ein Buch, das nicht nur Ralf Schnell, sondern auch meine Lektorin sehr beeindruckt hat.
(Morgens ist es hier noch kühl, deshalb der Pulli; tags ging es allerdings auf 29 Grad hoch, meine Temperaturen; ich sah dann im Fortgang auch anders aus, in der Sonne im Cortile schreibend; davon freilich wurde – schon aus Jugendschutzgründen – von niemandem ein Knips gemacht.)

So steht für heute abend also Helmut Schulzes Lesung an – nach der Carbonara, für auch die er zurecht berühmt ist, indessen wir morgen abend in der schönen Sylvias Locanda geladen sind. Der Montag wird den Verleger und mich nach Rom führen, und nächstentags wollen wir für anderthalb Tage nach Olevano Romano zu Eigners Domizil fahren, dessen Werk Arco zumindest mal ins Auge genommen hat.
Und à propos! In Olevano befindet sich die Casa Baldi, die unter anderem als Sommersitz der Villa Massimo dient (wohin aber auch, ja vorwiegend, Stipendiat:inn:en ganz eigens entsandt werden – auch für mich war es der erste wirkliche lang-intensive Kontakt mit Italien, 1986, mehr als ein Jahrzehnt vor meiner Massimozeit) … und als ich nun in Orte ankam, erzählte mir Parallalie als erstes, Sabine Scho habe das Massimo-Stipendium bekommen – eine Nachricht, die mich irre gefreut hat. Klar habe ich sofort gratuliert und will das nun auch in Der Dschungel tun. Wenn endlich mal jemand, die (oder der) es verdient hat und eben nicht in die sich gegenseitig pushenden “Ingroups” gehört, dann ist das, schrieb ich ihr, schlichtweg ein Fest.

Ach Freundin! Wie mein gesamter Körper in diesem Klima auflebt! Vielleicht werde ich morgen sogar, am Rio Grande und etwas hinein in den Wald, auch laufen; es gibt sandgekieste Wege da – denn das muß ich freilich sagen, daß sich meine, wie nenne ich’s, Kalorienabstinenz? hier weder, hm, festkörperlich?? noch flüssig durchhalten… was sage ich?! nicht mal als G e d a n k e fortsetzen läßt.

Es soll und w i r d mich auch nicht grämen. So in die Dichtung jetzt, des Freundes:

 

 

 

 

Ihr
(schon ein bißchen angeschickert, zugegeben)
ANH

3 thoughts on “Der Giornale nuovo amerino № 1. Am Sonnabend, den 26. Mai 2018. Mit einer Rückschau auf Wien, unter anderem Ilse Dick und Dieter Würch dort und seine 777, sowie aus meinem Temperament und auch der Villa Massimo in Rom und a u c h Sabine Scho.

  1. ich konstatiere:
    Berlin ist schön, Wien ist schöner, doch in Italien ist es am schönsten !

  2. Sie sollten, denk ich grad’, ruhig öfter mal beschwipst schreiben. Denn der Text hüpft so hübsch mit.

    Lächelnd vom Balkon:
    Phyllis

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