III, 378 – come and go

Seine fünf Reisejahre betrachtet Schefer als seine “Lebensuniversität” So in Klaus Völkers Nachwort zu der Schefer-Ausgabe der Haydnischen Alterthümer. Es ging nach Wien, nach Triest, nach Italien, nach Griechenland, nach Konstantinopel. Nicht wirklich mehr ganz jung. Der ganz Junge lebte eher zurückgezogen. Einsiedlerisch. Misogyn fast. Ganz auf seine eigene Ausbildung bedacht. Als Denk-, nicht als Wissenschaftsmensch. Da aber, auf dieser Reise, glaubt man den Andeutungen, lebt er auf. Liebschaften noch und nöcher. In den Nebensätzen des Nachwortes. Schon die Reise mit Hermann von Pückler-Muskau nach England, um Parklandschaften zu studieren, gingen wohl in diese Richtung, der Fürst war diesbezüglich sowieso veranlagt. Schefer selbst entdeckte so sich und sein Menschsein, aber durchaus auch in seiner Zurückgezogenheit. Später wurde er Pückler-Muskaus Verwalter und – wie ihn die mitverwalteten Wenden nannten – “Junger Vater”.

Seine Geschichten umspannen den Globus: von Kanada bis Tasmanien und hin zu einer phantasierten magen- und mithin hungerlosen Südsee, spielen in Konstantinopel, Rom und Paris, in der heimischen Lausitz. Tasmanien und Kanada als Phantasien über verlorene Heimat und eventuelle Auswanderung, aber doch immer auch Gesang an die Natur. Herrnhuter kreuzen die Wege, Zinzendorf taucht auf. Ein unorthodoxes Nachdenken über die Sünde. Kann man die der anderen auf sich nehmen?

Welten des Glaubens, Welten des Glückes im Glauben, Welten des Verrücktwerdens im Glauben, Welten des Scheiterns des Glaubens. Und Glauben immer auch als ein Andersglauben. Anderswelten, die sich im Glauben suchen, vor allem aber im Nachdenken über das, was Mann-Frau-Liebe bedeutet. Kleist und Arnim waren da pragmatischer beim Reflektieren über ihre einzugehenden Liaisons. Allemal ernsthafte Gedanken, ohne weiteres, damals. Es hieß, einen Haushalt zu errichten.

Ich selbst bin ja dankbar für meine “Reisejahre”, d.h. die drei-vier Wochen pro Jahr, die ich von sechzehn bis einundzwanzig per Anhalter erlebte. Nur die Richtung war vorgegeben. Alles andere ergab sich. Hatte in einem Fall auch langjährige Brieffolgen. Alles andere aber ist fotografisch stark eingeprägt, weil es auch dramatische Momente mit sich brachte. Oder einfach nur Glück. Wie das Schlafen auf einem menschenleeren Strand. Oder das Gefühl, am Fels in der Brandung die Kraft gehabt zu haben, nicht von ihr hinabgerissen zu werden, während etwas weiter entfernt der eine Engländer seine Engländerin zum x-ten Mal in ihrem Schlafsack vögelte und ich nahbei, so tat, als tanzte ich.


Welt ist.

Die späteren Reisen zusammen mit meiner Ex geben nur einen Bruchteil von so etwas wieder, denn sie hatte immer ihren Reiseführer dabei. Dem galt es, gerecht zu werden. Sehr viel weniger Freude. Abhaken. Wenige Ausnahmemomente. Etwa das Staunen meinerseits vor einer in Stein gehauenen Madonna in Brügge. Sie lief in der Kirche herum. Ich kehrte immer wieder zu dieser Madonna zurück. Die sei, sagte sie mir dann, von Michelangelo.
So erkennt man die Welt.

In the room the women come and go
Talking of Michelangelo
.

So entsteht meinethalben Dankbarkeit.

III, 377 – Hypochondrium

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