… zusammenzuschrauben war eine der leichteren übungen. es ist eigentlich kein schreibtisch, ich habe mir das selbst zusammengestellt. eine zwei meter lange arbeitsplatte, rechts und links einfach ein passendes regal druntergebaut, sehr stabil, ich kann viel unterbringen. heute vormittag bekam ich allerdings noch einmal einen anfall, und räumte das schlafzimmer noch einmal komplett um. jetzt ist es ein anderes gefühl, wenn ich von der tür in das schlafzimmer gehe. der raum wirkt größer… ja, und eben ganz anders.
und, ich weiß jetzt endlich, warum es mir die letzten wochen immer wieder so schlecht geht. es war mir einfach nicht klar… ich habe unterschätzt, welch eine umstellung es ist, 48 jahre in einem kleinen ort auf dem land zu leben, und dann in eine ganz andere stadt, auch noch eine großstadt, zu ziehen.
gestern am nachmittag ging ich zu diesem kleinen türkischen geschäft, wollte mir einen döner holen, weil ich nach dieser schrauberei keine lust hatte, noch was zu kochen. dieser alte mann kennt mich inzwischen, weiß, dass ich aus einer anderen stadt komme, und noch nicht so lange hier wohne. ich steh vor dem tresen, er sieht mich an, und sagt einfach und deutlich: „du hast heimweh.“ „ähem… sieht man mir das so an?“ „du bist sehr blaß, ich sehe das. weißt du, ich hatte auch viele jahre heimweh, ich weiß, wie sich das anfühlt, es ist ein bißchen wie liebeskummer. möchtest du einen apfeltee?, er wärmt nicht nur den körper, sondern auch die seele.“ er bat mich dann an den kleinen tisch neben den tresen. „setz dich einfach hin, und trink in ruhe deinen tee.“ als er mein bestelltes gericht fertig hatte, kam er mit einem teller, besteck und einer serviette um die ecke. er hatte, einfach ohne mich zu fragen, das essen nicht eingepackt. stellte mir den teller auf den tisch, und setzte sich. ich heulte mehr, als ich aß. er stand auf gab mir ein taschentuch, und auch noch ein zweites. die ganze zeit sagte er nichts, aber er sah genauso traurig aus wie ich. nachdem ich aufgegessen hatte, schaute er mich an: „ist es jetzt besser?“ er hat so viel herzenswärme, dieser mann.
gestern abend rief ich dann noch meine schwester an, wir telefonierten sehr lange. als sie damals nach heiligenhafen zog, brauchte sie zwei jahre, bis sie ihr heimweh überwunden hatte. „alle sagten mir, ich müsse doch glücklich sein, weil ich jetzt dort wohne, wo die menschen immer urlaub machen, und alles so schön finden. und ich saß da am arsch der welt, und heulte, weil ich einfach nur heimweh hatte.“
dann werde ich jetzt zetern so viel ich will, unzufrieden sein so oft ich will, heulen so oft ich will, und auch, wenn nötig, meine wohnung noch mal umräumen, oder noch mal, oder noch mal. mein herz ist schwer, und ich bin traurig. ich wollte diesen jobwechsel, ich wollte diesen ortswechsel, weil ich definitiv da weg wollte, aber damit habe ich nicht gerechnet. ich glaube, es ist normal, ich lass das gefühl jetzt einfach so wie es ist.
im hintergrund habe ich begleitend eine entscheidung getroffen, die mein leben beeinflussen wird. es ist etwas, was ich schon lange in mir trage. nächste woche beginnt – es ist nicht mein erster – der kurs im zeichnen, einfach nur mit kohle, danach ist die perspektive an der reihe. anfang november fahre ich für ein ganzes wochenende an die küste. ich nehme einzelunterricht bei einem maler, der mir eine bestimmte technik vermitteln wird. ich will in eine ganz eigene richtung, mit dieser technik werde ich das umsetzen können. und, ich werde das erste mal mit oelfarben auf nassem grund malen. wenn ich gut damit zurecht komme, hab ja durchaus eine praktische intelligenz, räumliches vorstellungsvermögen ist auch vorhanden, lege ich mir das ganze equipment zu, und nehme im dezember noch ein wochenende lang unterricht. im nächsten jahr gibt er mehrere wochenenden unterricht… ich werde einfach abwarten und üben…malen, probieren, malen, fluchen, und wieder malen. ich will das lernen. ich habe ein gefühl im bauch, welches mir sagt, dass das richtig ist, was ich da will.
an der küste auf das meer schauend malen, durchaus keine romantische vorstellung, die ich davon habe. um auf meinem grund gehen zu können, brauch ich das meer, den sand… ich will meine eigenen spuren im sand sehen, aber die muss ich erstmal gehen, damit ich sie sehen kann. und, ich muss sie allein gehen.
mein schlafzimmer sieht jetzt witzig aus. zwei große schreibtische. einer voll bepackt mit büchern, der andere mit töpfen, pinseln, alten federn, farbtuben, kreiden aller art, und alten leinwänden, mein bett… achja, zwei schränke stehen jetzt auch noch an der wand. das ein schlafzimmer größer als ein wohnzimmer sein kann, wusste ich bis jetzt auch nicht.
ab morgen geht der alltag wieder los, er wird mich sehr schnell wieder einnehmen. ich werde die nächsten 14 tage für beide chefs arbeiten müssen, die kollegin hat urlaub.