wintersonnenaufgänge…

…. sind nicht rotgolden. ein architektengitter aus nicht erkennbarem feinmaschig feinem silbergrau nimmt wärme, verändert das licht.


pappeln verlieren blätter, ein kirchturm läutet zum gottesdienst. ich sitz auf dem balkon, warm eingepackt auf dem boden, mit einem kissen unter meinem hintern. milch hab ich vergessen zu kaufen, macht nichts, der kaffee schmeckt auch so, aber dann muß zucker hinein. schwarz, heiß, süß… wenigstens etwas, was wärmt. die nachtfeuchte kriecht in sämtlichen ritzen herum, legt sich auf meine haut. anstelle der sonne lichtert die ausladende krone der alten eiche mit ihren herbstgelben blättern die ganze umgebung. es ist ein schönes bild. ich liebe dieses herbstgelb, überhaupt das gelb von curry, und sandstein, auch dieses indische gelbgold. es ist meine farbe. lt. kua-zahl bin ich dem element erde zugeordnet. erde, das fünfte element in diesem system, steht für die mitte, aber deshalb auch für unbeweglichkeit. dieses erkannte ich sehr früh, aber nicht im sinne von starr- sprich sturheit, sondern immer von der eigenen mitte aus agierend, weil die mitte eben die mitte ist. auch die farbe rot ist diesem element zugeordnet, feuer nährt die erde, vielleicht ist sie deshalb schon seit meiner kindheit meine lieblingsfarbe. wenn die zeit kommt, daß der sonnenaufgang morgens nicht mehr wärmt, brauch in andere farben in meiner wohnung. die kissen in verschiedenen grün- und cremetönen pack ich ein, hol die gelbgoldenen und ochsenblutfarbenen heraus, eines korrespondiert mit der farbe meines sofas, es ist ein cognacbraun. weiß der teufel, was mich damals ritt, mir dieses sofa ins wohnzimmer stellen zu wollen. ich kaufte es als zweisitzer, und den sessel dazu. der repräsentative faktor ist ziemlich hoch, dafür bewegt sich der gemütlichkeitsfaktor des zweisitzers für mich im unteren bereich, weil ich auf meinem sofa nicht nur sitzen, sondern mich auch mal lang machen will. als dreisitzer war mir das gute stück aber für mein damaliges wohnzimmer zu ausladend, und zu lang. das leder, je älter es wird, desto schöner wird die patina, aaaaber…. es war ja meine entscheidung, es haben zu wollen, also muß ich jetzt für mich eine lösung finden.
gestern entschloß ich mich dann zu einem definitiven stilbruch, rechnete meine finanzen durch, der dispo, den ich diesen monat in anspruch nehmen muß, ist erst ende januar wirklich wieder ausgeglichen, weil jetzt die mietsicherheit und die doppelte januarmiete richtig reinknallen, fuhr zu ikea, schaute mir dort ein dreisitzig dunkelbaues sofa an, welches eine schlafmöglichkeit in seinem innen verbirgt. es sieht sehr gemütlich aus. „cognac und ein weiches, warmes dunkelblau?“ dachte ich, und fragte mich, ob das wohl paßt, fuhr dann noch hier in der nähe in ein kleines geschäft, in welchem nicht nur schöne holztische, asiatische möbel, deko, und gartenmöbel, sondern auch sehr schöne stoffe sehr günstig angeboten werden. dort sah ich, daß cognac und dunkelblau tatsächlich zusammenpassen. in diesem kleinen geschäft stöbere ich immer wieder mal sehr gern, vor einiger zeit kaufte ich mir dort einen wirklich sehr schönen kleinen aschenbecher für 3,– euro.


ich sah ihn an, nahm ihn in die hand, und wußte: „haben will.“ die stoffe an sich, die vorhänge… und auch die genähten kissen, kann ich zu den preisen, die dort angeboten werden, noch nicht einmal selbst nähen. ein junger mann führt dieses geschäft mit seiner mutter und seiner großmutter, die langsam schon ein wenig tüddelig ist. sie dreht immer, wenn kunden da sind, ihre runden… stellt jedem kunden die gleiche frage immer dann, wenn sie an den kunden vorbeikommt gleich nochmal, sie ist sehr liebenswert.
mein sessel paßt dann allerdings nicht mehr in das neue wohnzimmer. ich werde ihn mit in die alte große diele stellen, mir dort eine kleine leseecke einrichten. ich muß unbedingt mal diesen terazzoboden fotografieren, und das bild einstellen. stilbruch liebe ich nicht nur bei meiner wohnungseinrichtung, er zieht sich insgesamt durch mein leben, genau so wie meine pragmatische veranlagung, richtlinien und vorschriften zu ignorieren, sie zu umgehen.
mein kind hat sich immer noch nicht gemeldet. ich weiß, daß sie diesen zustand zwischen uns nicht lange aushalten wird. sorgen mache ich mir trotzdem, habe meinen bruder gebeten, bei ihr vorbeizuschauen, ihm aber nichts gesagt. sie mag ihn sehr, wird ihn einlassen, dann weiß ich zumindest, wie es ihr geht. im geschäft rufe ich nicht an, ich will sie nicht in eine unangenehme situation bringen, wenn kunden und kolleginnen sich in ihrem umfeld aufhalten. sie wird ein schlechtes gewissen haben, wie so oft schon, aber irgendwann wird sie anrufen. eine frage, die ich mir noch stelle, ist folgende: mit welchen recht nimmt diese generation das vorhandensein einer bestimmten geldmenge an sich in anspruch, ohne viel dafür tun zu wollen. damit meine ich jetzt nicht die tatsache, daß ich ihre versicherungen, häufig auch die miete, und auch anderes immer gezahlt habe. mein kind ist der meinung, daß sie für ihr leben eine bestimme summe pro monat braucht, aber sie weiß ganz genau, daß sie mit diesem großen fuß nicht in diesen kleinen schuh paßt, was sie aber irgendwie völlig ignoriert, oder nicht realisiert. ich habe ihre mieten nicht von anfang an gleich freiwillig gezahlt, die wohnungsbaugesellschaft schrieb mich immer dann an, wenn sie mit drei monatsmieten im rückstand war, oder mal wieder die differenz der jährlichen nebenkosten nicht ausglich. ich setzte mich wieder mit ihr hin, machte wieder einen haushaltsplan, sagte ihr: „und vor allen dingen…. du mußt deine miete zuerst bezahlen.“ „mach ich mama, ich achte jetzt darauf… ich kann ja nicht immer erwarten, daß du meine mieten bezahlst.“ drei monate später kam das nächste schreiben von der wohnungsbaugesellschaft. vor einem halben jahr zog sie um, wollte wieder, ohne, daß es aus gründen notwenig gewesen wäre, daß ich zusätzlich eine bürgschaft unterschreibe, um sie abzusichern, was ich dieses mal verweigerte, worauf sie fast drei monate nicht mit mir sprach. welches recht begründet einen anspruch dieser art, frage ich mich.
ich sage immer früher… ja früher. als ich damals von zu hause auszog, hätte ich niemals von meiner mutter erwartet, daß sie meine miete bezahlt. ich hatte ein ausbildungsgehalt im zweiten ausbildungsjahr von 320,– deutschen mark. jeden monat mußte ich mein kleines möbliertes zimmer bezahlen, ging morgens ganz in der früh zeitung austragen, um allein zurechtzukommen. manches mal weinte ich bitterlich, weil es im winter so schwer war, dieses bepackte fahrrad durch den schnee zu schieben. auch ich war damals 18 jahre alt, aber ich wußte immer, daß ich das geld, was ich mein für leben benötigte, selbst verdienen mußte.
als die ersten handyrechnungen meiner tochter nicht beglichen wurden, was ich dann drei mal tat… ließ ich sie in die vierte geschichte richtig reinrasseln, bis zum gerichtsvollzieher. sie war damals schon 18 jahre alt, hatte ein eigenes kleines einkommen, schwor bein und stein, die raten an den gerichtsvollzieher zu zahlen, bis der sich bei mir meldete, weil sie keinen einzigen cent bezahlt hatte. „hast du die rate überwiesen?“ „ja mama.“ sie log mich einfach an. der gerichtsvollzieher saß bei uns im wohnzimmer, schaute mich an, und sagte: „wissen sie, dies ist nicht der einzige fall dieser art. ich habe so viele hochverschuldete jugendliche in meiner kartei, meistens sind es handyrechnungen, die nicht bezahlt werden können, irgendwann weigern sich die eltern dann, das alles ständig zu bezahlen.“ ich weigerte mich auch, sie zahlte lange zeit daran, holte sich ein handy mit prepaidkarte, aber auch bei dieser kartenart kann man mit vielen sms ein minus aufbauen, welches sich beim kauf der nächsten karte ausgleicht, was dazu führt, daß gleich wieder eine neue karte gekauft werden muß. alle diese erfahrungswerte halfen meinem kind nicht wirklich. ich versuchte alles. wenn ich sie in ruhe ließ, und garnichts sagte, dauerte es nicht lange, bis der nächste knall kam. sagte ich was, war es auch nicht richtig, verhinderte auch nicht die folgend eintreffenden situationen. ein freund schaute mich damals an: „weißt du eigentlich, daß du in bezug auf dein kind ein einzig wandelnder vorwurf bist?“, was mich sehr sehr nachdenklich stimmte. zwei jahre später ging ich zum jugendamt. „rein ins wasser mit dem kind“, ja… ins wasser damit, sie ist aber anscheinend immer noch der meinung, daß das geld an der oberfläche schwimmt. ich weiß, daß sie dabei ist, eine krebserkrankung zu bewältigen, was wirklich schwer genug ist, aber hat sie deshalb das recht, mir mein konto leerzuräumen?. selbst wenn sie nur ablehnt, auch sich selbst in ihrer erkrankung, sie vielleicht einfach nur weg will (danke für diesen gedanken!), ist das keine entschuldigung dafür, so etwas zu tun. so oft rief sie mich an: „mama, isch hab scheiße gebaut“, was sie dieses mal hätte auch tun können. wenn es nur 1.000,– oder 2.000,–euro gewesen wären, sie mir das vorher gesagt hätte, hätte ich ihr zwar die leviten gelesen, aber letztendlich doch geholfen, was ihr aber, dieses verhalten beenden wollend, mal wieder nicht geholfen hätte. entweder hat sie mehrere monatsmieten mal wieder nicht bezahlt, oder es ist etwas anderes im busche. sie beherbergt im augenblick eine freundin, deren freund, aus bester familie stammend, wegen drogenhandels in den knast gehen wird. das gericht hat dieser den umgang mit ihrem freund verboten, sie mußte aus der gemeinsamen wohnung raus, wußte deshalb nicht wohin… ist klar, daß mein kind obdach bietet, sie hilft ja ständig immer jemandem aus ihrem umfeld, der mit irgendwas nicht klar kommt. ich hab große angst, daß sie wieder in solche kreise gerät, sie nahm zwar nie drogen, bewegt sich aber seit jahren immer wieder durch freunde in diesem grenzumfeld.
ich liebe mein kind, aber ich bin stinksauer auf sie. der eigenen mutter 5.500,– euro vom konto zu räumen, geht einfach garnicht. ich versäumte es leider, zwei wochen lang online in mein konto zu gucken, weil ich an keine bewegung dachte, die noch kommen müßte. sie holte mehrere male das geld sich dann so summierend vom konto runter. mit einer kreditkarte kann man solche summen ja abheben, diese ist jetzt gesperrt, und bleibt es auch. die versicherungen habe ich gekündigt… bis ende der laufzeit der verträge muß ich jetzt noch zahlen, dann aber ist ende vom gelände.
ich hätte sie eigentlich in den schwierigen jahren voll in die scheiße rennen lassen müssen, aber so etwas will man als mutter ja auch nicht. und, ich verschloß meine augen vor der tatsache, daß mein kind w e i ß, daß ich letztendlich doch wieder helfe. das ist jetzt definitiv vorbei.