gestern abend meldete…

… sich die dame vom ansässigen hospizverein, ich führte mir ihr in der letzten zeit mehrere gespräche, weil meine freudin dringend unterstützung benötigt, fragte mich, ob ich nicht die betreuung der mutter meiner freundin übernehmen wolle. „sie haben die ausbildung, viele jahre erfahrung.“ „ja, die habe ich, aber ich habe etwas anderes definitiv nicht, und das ist z e i t. ich machte es sehr gern, wenn ich wüßte, das ich es wirklich leisten könnte, aber ich kann nicht, nicht bei diesen arbeitszeiten.“ „das finde ich sehr schade, ich hatte gehofft, sie ein wenig in unsere arbeit einbinden zu können, habe über sie aus hannover nur gutes gehört, allerdings hörte ich auch, daß sie ihr eigenes trauerpäckchen zu tragen haben.“ „so?..“ „na ja, sie wissen, wie klein die welt eigentlich ist, besonders in den grenzgebieten, in die niemand hinein will.“ es war ein sehr gutes gespräch, aber ich kann mich wirklich nicht dazu bereit erklären, ich wäre definitiv einer doppelbelastung ausgesetzt, im sinne von arbeit und ehrenamt, aber auch deshalb, weil ich genug damit zu tun haben werde, hab ich ja im grund jetzt schon, meine freundin aufzufangen. es ist besser, es kümmert sich jemand um die mutter, der auch wirklich die zeit dafür aufwenden kann, denn es wird bei zwei, drei nachmittagen pro woche nicht bleiben. der krebs im körper eines menschen geht nur ab und an rückwärts. wenn er das in diesen stadien tut, dann nur, um im hintergrund die zellteilung noch schneller voranschreiten lassen zu können. ich kann das meiner freundin aber nicht sagen, sie ist nicht dazu in der lage, die hoffnung aufzugeben, wehrt sich mit händen und füßen, was ich volle breitseite verstehe. immer dann, wenn die tumore im körper der mutter in der nächsten woche trotz therapie doch wieder gewachsen sind, tobt sie, schreit sie, weint sie. ich kann sie dann nur noch halten, aber sie schafft es, in ihrem leben zu bleiben, die kraft hat sie. „ich kann doch nicht jetzt schon meine mutter beerdigen, wie um alles in der welt soll das gehen?.“
es ist sehr schmerzlich, wirkt auch in seiner schwere irgendwie unwirklich, weil man sich nicht dazu bereit erklären will, d a s tragen zu sollen. „was mach ich bloß, wenn sie tot ist, da einfach nur liegt, und nur noch tot, plötzlich weg und nicht mehr da ist.“ ich, über diese offene formulierung erstaunt, aber auch froh, antwortete: „weißt du, als ich damals meine tochter so in den armen hielt, wußte ich plötzlich, daß es nur noch eines zu tun gab.“ „und was?“ „l i e b e n.“ „aber das tut so weh.“ „ja, das tut es, und warum?, weil du liebst, und weil du lebst, sei dankbar dafür, und… versuch weich zu bleiben, in deinem schmerz weich zu bleiben, versuch dich zu öffnen, und laß zu, daß er dich berührt.“ „aber dann muß ich ja den schmerz ganz an mich heranlassen.“ „ja, das mußt du, und glaub mir, du wirst daran wachsen, der schmerz trennt den schein vom menschen. nur das, und die auf dieser basis sich entwickelnde liebe, zu sich selbst, zu seinem leben, und zum leben an sich, läßt ihn wachsen.“ „du hast deinen beruf verfehlt, du hättest pastorin werden sollen, aber es tut mir gut, was du sagst. der tod gehört für dich zum leben dazu, oder?“ „ja… alles leben wird geboren, und stirbt auch wieder. die natur fragt nicht, weil sie weiß, wir menschen aber fragen, weil wir nicht wissen wollen.“ „ich sag’s ja, du hast deinen beruf verfehlt.“
immer dann, wenn ich diese gespräche mit meiner freundin führe, ist mir, als ob ich mein kind in meinen armen halte, sie bei mir ist, ich immer wieder das höre, was sie mir damals sagte. sie konnte mir nichts mehr sagen, aber sie sprach trotzdem mit mir. manchmal tut es immer noch so weh, so dicht im eigenen leben… das eigene kind so fern davon.

jedes jahr kommt sie wieder, d i e s e zeit. es wird zeit, daß das jahr zu ende geht.