Freitag, 23. Oktober 2009

(…) prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens sein Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müssten, wenn es Ihnen versagt würde zu schreiben. (…) muß ich schreiben?

Aus Rilkes Brief „An einen jungen Dichter“

Muss ich schreiben? Ach ich muss so vieles und dann steht mir da noch so viel im Weg. „Der Prozess hat gerade erst begonnen, manchmal mit extrem gesträubten Haaren“ sagt Anwar zu mir, der überhaupt nicht überrascht ist, als ich sage ich würde mich schon wieder aus mir raus pellen, noch mehr Pfunde verließen mich und ich hätte schon geglaubt der Prozess sei fertig oder stagniere.
Diese Radikalität die sich in mir Bahn bricht macht mir Angst, denn inzwischen weiß ich, dass ich diese Ideen auch verwirklichen werde, dass ich nicht drum rum komme. Lange lullte mich das Leben ein mit Pflicht und Sanftheit und Angst.
Ich pflegte die Ängste, lehnte mich an die Sanftheit und nahm die Pflichten an. Von ganz weit oben, von hinter mir, wurde mir jemand zur Seite gestellt um mich zu beruhigen, mich auf meine Füße zu stellen, mir die Grundfesten eines bürgerlichen Lebens zu bauen. Ich verlor eine Freundin darüber, alles was ich hatte, hätte sie auch gewollt und war doch nie mein Ziel gewesen, aber das Ihre.
Schreckte mich die Radikalität? Ja.
Als ich Anwar traf, war es die Bedingungslosigkeit, mit der er lebte, die mich weckte. Der Schlaf des ewigen Tieres, war schon unruhig zu der Zeit. Als es erwachte half er mir es zu zähmen. Jetzt zwingen mich beide zum nächsten Schritt. Ich war schon dabei mich wieder einzurichten, aber mit dem wachen Tier kann man nicht verharren, man kann es sich nicht einrichten.
Ich wollte immer sicher sein. Ich wollte immer den Beweis. Die gut ausgeführte Naht, der verbesserte Laborwert. Angst lullte mich ein, Bürgerlichkeit lullte mich ein, mein Körper lullte mich eine, mit seinem bewegungseinschränkenden Mehrwerden. Das hemmte meine Lust und meinen Geist, das unterdrückte aber auch die Dämonen, ließ das Tier sanft schlafen.
Nun stehe ich in einem Raum und sehe die Türen. In dem Raum in dem ich stehe befinden sich Menschen, die ich liebe, die mich brauchen.
Ich weiß ich werde weiter gehen müssen, werde durch die Türen müssen und ich weiß ich werde Menschen zurück lassen, aber nur für einen Moment. Aber diesen Moment muss ich mir erkämpfen. Es muss verstanden sein, dass er zu mir gehört von nun an. Ich werde die Tür offen halten, ich werde zurückkommen, jedes Mal. Aber ich werde gehen.