ABCZ-102-APCA

Das Zischen des Windes im Haarschopf in der Frauenküßgasse mit drei Tüten Abfall, die am linken Zeigefinger baumelten. Danach hätte es gleich zum Tabakhändler gehen müssen, aber das Zischen erinnerte mich an die Manteltasche, die mich daran erinnerte, daß sie nicht den Tippschein enthielt, dessen Zwei-Euro-Wert mir einen weiteren Tippschein beschert hätte. Also mußte ich die Frauenküßgasse wieder zurück, wahrscheinlich vom Wind dann hinterrücks angezischt, weil er zuvor von vorn gekommen. Auf diese Weise konnte ich noch mehr Werbeprospekte einsammeln, die aus den Briefkästen im Hof hervorquollen, um nunmehr über den Platz gehend einen Umweg zum dortigen Abfallkorb zu machen, in dem sie dann auch landeten. Der neue Tippschein brachte mir dann die Hälfte ein. Wie auch die anfängliche Idee, ins Kino zu gehen, wo ‚The Illusionist‘ in einer halben Stunde gezeigt werden wird, sich immer mehr halbierte bis zur Absage an A., der mit einer Flasche Wein vorbeikommen wollte. Eine problematische neue Bekanntschaft. Ein Invalide mit seinen knapp über vierzig Jahren, Sozialwohnung, Sozialassistenten, psychologische Betreuung. Drogenvergangenheit und degenerative Erkrankung der unteren Gliedmaßen, kurz er bewegt sich auf Krücken, verformte Finger. Und fällt dauernd um. Einmal nahm ich ihn im Auto mit, weil ich ihn schon kannte, und er im kalten Wind auf den Bus wartete. Dann traf ich ihn wieder im Bioladen gegenüber und wir tranken ein Glas Wein. Dann kamen Bitten darum, zur Pizzeria begleitet zu werden. In der Schneezeit seine Lust, wieder dorthin zu ‚gehen‘, weil er wußte, ich würde es sowieso tun wegen einer Geburtstagsfeier, zu der man mich eingeladen. Mit dem Auto ging’s nicht, so kam es zu einer ‚Entdeckung der Langsamkeit‘ im Schnee. Auf dem Heimweg erbarmte sich einer, weil er mit seinen 90 kg wieder einmal auf der Straße lag, und fuhr uns hinauf. Das letzte Mal kündigte er sich vorigen Donnerstag an: er komme mit einer Flasche Wein vorbei (er trinke nicht mehr so viel wie zuvor), fläzte sich in den Sessel neben den Ofen, ich dieweil noch am Arbeiten, und es stand der Poetenkeller an jenem Abend bevor, essen mußte ich auch noch und mir die Klamotten wechseln. Wie er dann darauf kam, daß die SA auch ihr Gutes getan habe, weiß ich nicht mehr. Viel Ungutes sagte ich ihm da. Muß ihn beeindruckt haben, denn in der Pizzeria, bei der sich außer einem anderen A. und T. niemand eingefunden, so daß nichts aus dem Poetenkeller wurde, sprach er immer wieder davon, daß ich mich über ihn aufgeregt. ‚Freund‘ nannte er mich heute abend am Handy. Heißt dann wohl, immer wieder die Wahrheit sagen zu müssen, daß meinethalben seine vermeintliche Liebe zu einem Trans auf den Philippinen wohl eher in die Illusionsschublade gehört. … Sich die Dinge vom Leibe schreiben, sich ihrer entleibend sich zu entsprechen per Einschreiben ohne Empfangsbestätigung.

5 thoughts on “ABCZ-102-APCA

  1. Wieso? Wieso ist es eigentlich so, dass ein so gelungener Text….
    Aber egal.
    Muss denn dieser schrecklich eitle Herbst als Plattform für so etwas Schönes dienen?

    Naja. Ist doch nur ein Blog. Da ist alles eben ein bisschen einfacher.

    1. Ja, um der jeweils eigenen Eitelkeit gerecht zu werden. Nein, weil es hier nicht um Eitelkeit um ihrer selbst geht. Einfacher ist es, das ja. Nicht, weil es ’nur‘ ein Blog ist, sondern weil man es lesen lassen kann. Was heißt ’nur‘?

    2. @flaneur zum Einfachen, unter anderem. Auch ich habe weder das „einfach“ noch das „nur“ verstanden.

      Zur Eitelkeit aber habe ich Ihnen >>>> dort – Fragen gestellt. Und bin gespannt, ob sie Sie sie beantworten können und wollen und – ob.

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