Ukraine-Dialoge I: Kaleb Utecht/ANH (1). Am Ende, erschreckend, Полк Азов (Regiment Asow).

Kaleb Utecht

„…vor’m Fall der Ukraine“??? Die Ukraine fällt nicht.

ANH

Kaleb Utecht Doch. Leider. (Aber ich würde es lieben, unrecht zu haben, habe es mir schon sehr oft ersehnt. Eine Freude, dann „ich habe mich geirrt“ zu sagen und mich zu entschuldigen, gern auch öffentlich.)

Kaleb Utecht

1. Von einer Übermacht kämpfend niedergezwungen werden, ist nicht „fallen“. 2. Ich bin auch unsicher, ob Putins militärisch-strategisches Kalkül aufgehen wird. Denn unbedingter Freiheitswille gehört nicht zu seinem Universum.

ANH

Kaleb Utecht 1) Von einer Übermacht im Krieg getötet zu werden, wird „fallen“ genannt; es ist ein Idiom. Erzähl mir keinen Quatsch über unsere Sprache. 2) Ob Putins (und seiner Gesinnungsmitoligarchen; es ist ein leider üblicher Fehler, denke ich, stets alles an einer einzigen Person festzumachen, bzw. festmachen zu wollen; an Stalins Seite standen Hunderte, die Interessen an seiner am Gelingen seiner Macht hatten)… ob sein Kalkül also aufgeht, auf lange Zeit, weiß ich auch nicht. Daß die Ukraine im idiomatischen Sinn von 1) aber „fallen“ wird, da bin ich mir sicher. – Selbstverständlich kann ich mich irren.

Kaleb Utecht

Ach Alban, sei doch nicht so unwirsch. Ich hatte nicht die Absicht, germanistisch, semantisch, orthografisch oder sonstwie regelkonform zu diskutieren, sondern emotional – falls Du so willst: auch populistisch; Begriffe bekommen da im Ganzheitlichen andere Inhalte / Bedeutungen. Ich dachte, Du verstündest…. Was meinen Satz zum „Fallen“ betrifft, fühle ich mich da in der Tradition von Größeren, als ich es bin: Sophokles zugeschrieben: „Man kann Menschen töten, aber keine Ideen“. Hemingway: „A man can be destroyed but not defeated.“ (Der alte Mann und das Meer). So schrecklich das alles werden kann – meine Hoffnung ist dennoch, daß die Ukraine aufsteht (nicht „fällt“!)und sich trotz schrecklichen Blutzolls in die Résistance begibt. Das werden die russischsprachigen Soldaten Putins nicht auf Dauer aushalten – ein modernes Vietnam, ein zweites Afghanistan… Du kennst ein wenig von meinem Leben, weißt, daß ich trotz meines politischen Pazifismus‘ privat nie Pazifist war ? , und über das Körperliche hinaus immer militant auf jeder Barrikade zu finden war, wenn meine Werte bedroht waren – auch auf Kosten wirtschaftlicher Einbußen. Ja, ich bin emotional. Was meine strategische Kompetenz nicht beeinträchtigt. Vor 10 Tagen noch war mein Umfeld verblüfft, wenn ich behauptete, Putin werde einmarschieren. Und ungläubig, wenn ich auf den Einwand „jaja, maximal in den Donbass“ antwortete, „nein, er will die ganze Ukraine“. Es lag doch seit Jahren auf der Hand, daß er ein freiheitliches System direkt vor seiner Haustür als Bedrohung empfinden MUSS. Denn vor dem Virus Freiheit und Individualität hat er „Angst“, nicht vor der Nato. Bitte löse Dich vom Linguistischen und gestatte mir, „Quatsch zu erzählen“ über die Wucht emotional geladener Werte, Menschenrechte, heiligen Zorns. Und sogar von Träumen. Denn davon verstehe ich was. Bitte nimm diese Beschimpfung zurück. Ich bin 70 und werde in absehbarer Zeit sterben. Es wäre schön, wenn das in einer Welt geschähe, in der Herr Putin und seine Clique sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag oder wo auch immer hätten verantworten müssen, weil „sein Volk“ in ausgeliefert hat (Träume, jaja). Und komm‘ mir nur nicht mit dem „Tropfen auf den heißen Stein“ – das weiß ich, doch es wäre ein Hoffnungsschimmer für all die anderen Unterdrückten dieser Erde (hast Du Fanon gelesen?). Denn Hoffnung ist eine der Emotionen, die Menschen kämpfen läßt. Die Ukraine HAT eine Chance – selbst wenn Putin taktische Atomwaffen einsetzen sollte und seine Hacker demnächst versuchen werden, unsere Infrastruktur lahmzulegen. Im Übrigen bin ich entsetzt, mit welcher Dummheit manche Intellektuelle in meinem Umkreis das Thema relativieren – man denke nur an Chinas Begehrlichkeiten Taiwan betreffend… Von dort aus beobachtet man uns; wenn der Westen jetzt wackelt, werden sie es sich bald nehmen. Hast Du auch solche Leute in Deiner Bekanntschaft, die pausbäckig räsonieren, daß wir Putin ja auch mal schwer gekränkt haben..? Ja, haben wir; und 2002 habe ich das auch arrogant, verletzend und kurzsichtig genannt – was es ja war. Doch wenn man diesem Argument folgte, wäre er ja als Angriffskriegführer exkulpiert und dann müßten wir konsequenterweise jedem narzißtisch Gestörten hierzulande eine Kalaschnikow in die Hand drücken. Ich verzweifele derzeit an der Unfähigkeit vieler, sich einen schmerzhaften Gesamteindruck zu verschaffen. Du gehörst nicht dazu, ich weiß ja. Bist Du mal wieder im Rhein-Main-Gebiet? Treffen wäre schön. Kaleb (sehr emotional)

ANH

Lieber Kaleb, ich habe einfach sprachlogisch reagiert, als einer eben, der da sehr genau ist; Deine Beweggründe sind mir nicht nur sympathisch, sondern vertraut und nah. Ich teile sie, fürchte aber, daß Deine (und meine) Hoffnung sich nicht erfüllen wird. Der heutige Paradigmenwechsel der deutschen Politik hat das gezeigt. Siehe mein eben abgeschlossenes Journal. – Ich bin nur drei Jahre jünger als Du, Deine Rede vom „bald sterben“ mag stimmen, doch ich selber war, des Krebses wegen, nahe dran, es wirklich zu tun, und habe jetzt erst recht vor, es nicht zu tun, meiner KInder wegen. Müssen die in den Kampf, gehe ich mit. Dann mag er kommen, der Tod. Nein, wir werden Putin nicht vor dem Völkergerichtshof sehen, wobei ich es eh falsch finde, daß alle sich auf ihn, anstelle auf sein Netzwerk fokussieren, ohne das er gar nicht wäre. Die Schweiz, jetzt, etwa stützt es. Er und seine Mitoligarchen können mithilfe der Schweiz über den Finanzausschluß nur lachen, und die Schweiz verdient. Auch da also sind Schuldige, s c h w e r Schuldige. Da wird man sich hier eher aufs Maul schlagen, als Konsequenzen zu ziehen. Und man wird auch der Nato nicht sagen, wieviel Mitschuld sie hat. Was alles diese Invasion nicht entschuldigt, da sind wir uns völlig einig. Die Strukturen aber wirken weiterhin. Wolfgang Borcherts Nie wieder Krieg, alles, alles der Lächerlichkeit anheimgestellt. Heute im Bundestag hat man, wegen der nun beschlossenen Aufrüstung, sogar mit atomerer Bewaffnung liebgeäugelt – und ausgerechnet Franz-Josef Strauß wurde zitiert. Na, lies meinen Bericht. – Doch, die Ukraine wird fallen – und dann wahrscheinlich in einen jahelangen Guerillakrieg übergehen, den die USA jetzt schon planen und ihr finanzieren wollen. Dessen Ende werden wir zwei nicht mehr erleben. Aber erleben will ich, daß mein Sohn, wenn Wehrpflicht und dann Einsatz an der Front kämen, es überlebt. Und ich würde nicht auf ihn warten, sondern selber gehen, um zu kämpfen. Dann darf er kommen, der Tod: indem ich, fibula formae, f a l l e. —- (Ja, ein Treffen wäre ganz, ganz klasse.

Kaleb Utecht

Ja, mein Lieber. Ist doch klar. Ich bin Systemiker, mir sind seit jeher all Deine finanzpolitischen und geopolitischen Erwägungen klar. Schon seit Georgien. Ich mußte weiter kotzen mit Tschetschenien. Mit den so genannten Volksrepubliken. Mit der Krim… Mit Russia Today. Mit Gazprom. Mit Schröder… Ich lasse es bei diesen unvollständigen Aufzählungen. Und das russische System unter der Putin-Clique ist ja auch nur e I n e unserer globalen Baustellen. Denn die Evolution hat Homo sapiens sapiens zu einer OPERATIV handelnden Spezies gemacht, die Kompetenz zu STRATEGISCHEM Handeln hat Gott leider nicht regnen lassen. Zu diesem Manko in immer komplexeren Umgebungen zählt für mich auch die von Dir erwähnte nationale und internationale Bereicherungslogik. Ja, die profitorientierten Egoisten und die kleinmütigen (ebenfalls egoistischen) Feiglinge und Absicherer stehen global auf der Bremse. Erinnere Dich an mein Beispiel der putinverstehenden Kleingeister, die sein Handeln mit der Kränkung von 2002 kleinreden… Immer schon bin ich fassungslos neben solchem Geschwafel und schwanke zwischen Kotzen, Fresse Polieren und Weggehen. Und bevor hier ein Mitleser lediglich Idiomatisches vermutet – faktisch gekotzt habe ich nur einmal, als Kind, der Rest verteilt sich ca. 10:90. Um der Gehirnwäsche der fundamentalistisch-christlichen Blase zu entkommen, mußte ich bereits als Kind systemisches und strategisches Verständnis entwickeln. Vielleicht bin ich deswegen so unleidlich, wenn mir Kleinmut, Eigensicherung und Drückebergerei begegnen. Und eben darum bin ich ja so angefaßt von dem Mut und der Entschlossenheit der Ukrainer mit ihrem über sich hinaus wachsenden Präsidenten. Es steht eine geopolitische Weichenstellung an. Alexander Kluge fällt mir ein: In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. Trivial. Wahr. Ich bin zum „Falken“ geworden: Patriots und Milans für die Ukraine! Obwohl ich auch da schon wieder kotzen muß, weil Waffenproduzenten dann Kasse machen. Sei’s drum. Und ich habe Hoffnung. Weil die als Blitzkrieg angelegte Operation nicht schnell genug funktioniert. Weil die russischen Medien das Wort „Krieg“ nicht in den Mund nehmen dürfen und ein Großteil der Russen wohl tatsächlich nicht weiß, was wirklich vorgeht (siehe Straßeninterviews). Man hat wohl vor den eigenen Bürgern Angst und hat Zweifel an deren Indoktrinierungsgrad. Demnächst wird der große Historiker im Kreml wohl verkünden, daß das www abgeschaltet werden muß… Nur zu. Das ist Diktatorenlogik, die zu Gegendruck führen wird. Jedenfalls: All das zum Beispiel macht mir Hoffnung. Ich bin bereit für Pathos. Friedensnobelpreis für Selenskji! Und auch Kriegsnobelpreis. Unter Druck hat er nicht gekniffen, sondern ist zu einem guten Führer geworden. Chapeau. Dein emotionalisierter Falke

(ps: Stirb bloß nicht vor mir!)

ANH

Wobei mich seltsam überrascht, wie quasi vorsichtig – verglichen mit seiner → „damals“ in Tschetschenien geradezu schlachtenden Brutalität – Putin diese Invasion bislang geführt hat. Wiederum erschreckt aber hat mich das in der Ostukraine unter ukrainischem Kommando stehende, von der Ukraine zumindest legitimiert agierende  → „Regiment Asow“ , das, wenn auch „nur“ für rund 2500 Söldner, Putins Wort von der „Entnazifierung“ einen realen Grund gibt. Warum  spricht die Presse nicht auch davon? Wobei ich annehme, daß der Großteil der ukrainischen Bevölkerung von diesem rassistischen Meuchelmördertrupp gar nichts weiß – oder nur Gemunkel, von dem man besser nicht laut spricht.

11 thoughts on “Ukraine-Dialoge I: Kaleb Utecht/ANH (1). Am Ende, erschreckend, Полк Азов (Regiment Asow).

  1. Ich halte es für einen schweren Fehler Deutschlands Waffen in ein Krisengebiet zu liefern, denn das verlängert nur das Leiden der Ukraine. Kriegsgeschrei hat noch nie irgend etwas positives bewirkt, egal von welcher Seite.
    Gern stimme ich zu, dass Putin ein kranker Mann ist, aber das stört ihn nicht. Er ist gefährlich für ein weiteres Existieren der Menschheit, nicht nur für die Menschen in der Ukraine.
    Wir müssen wachsamer sein, als wir es schon sind.

    1. Ich glaube nicht, daß er krank, sondern daß er kalt ist – und auf Rache für Demütigung sann, eine ebenso kalt empfundene. Krank wäre er nur, wenn Skrupellosigkeit Krankheit bedeuten würde. Wobei wir uns klar sein sollten, daß Krankheit in jedem Fall Schuld ausschließt. Auch deswegen wäre ich mit solcherart Begrifflichkeiten vorsichtig. Ob die Waffenlieferungen etwas „bringen“, weiß ich nicht; es könnte sein, könnte auch nicht sein. Wäre Deutschland aber innert der EU das einzige sie nicht liefernde Land, wären wir selber, nicht nur Rußland, komplett isoliert. Hinzu kommt freilich die für einige streng national Gesonnene einmalige historische Gelegenheit, nicht nur wirtschaftlich Großmacht zu werden – etwas, das Deutschland unter anderen Umständen mit vollem Recht versagt worden wäre; jedenfalls hätte es extreme Widerstände des vor allem europäischen Auslands gegeben. Vielleicht kommen wir aber so an Macrons Europa näher heran; das ist die leise, wenn auch bittere Hoffnung, die ich nun habe. Ein Europa nicht der Nationen, sondern der Regionen unter gemeinsamem Dach und an der Seite nicht ein deutsches, nicht ein französisches, nicht ein sonst-nationales, sondern e u r o p ä i s c h e s stehendes Heer. (Wobei eigentlich Europa nicht ohne nostro mare gedacht werden kann, um diesen von d’Annunzio stammenden Begriff dem italienischen Faschismus, der ihn okkupiert hat, schnell mal wegzunehmen – etwas, das ich in „Friedrich.Anderswelt“ erzählen wollte, von dem ich nicht weiß, ob ich das Buch noch hinbekommen werde.)

      1. Danke, ich hoffe doch, Sie kommen noch dazu, das Buch zu schreiben.
        Wir Deutschen hatten ja Putin gegenüber den Ruf, sehr naiv zu sein. Vielleicht wäre Berlin der passende Verhandlungsort gewesen für Verhandlungen, wären wir weiterhin so naiv geblieben, also quasi pazifistisch, aber vielleicht klappt es auch in diesem abgelegenen Ort im Grenzgebiet zu Belarus, ich hoffe es.
        Nun, wer so eiskalt ist wie Putin, dürfte in meinen Augen schon deshalb als krank bezeichnet werden dürfen. Er hat von Anfang an immer das getan, was er angekündigt hatte, Schritt für Schritt. Das heiß, er handelt immer eiskalt und berechnend, er kündigt alles an. Nun hatte er gesagt, welches Land sich einmischt, wird eine Antwort bekommen, wie sie sich niemand ausmalen kann. Waffenlieferungen ordnet Putin als Einmischung ein.
        Ich weiß nicht, wenn man googelt, findet man, dass in Deutschland noch 20 Atombomben gelagert sind, jede mit 13 facher Stärke der Hiroshimabombe, die werden im Ernstfall sofort von den USA eingesetzt. Es nutzt keinem verantwortlichen Politiker, wenn er fast allein aus einem Bunker kriecht, ringsum eine verstrahlte Wüste erblickt, wenn er dann sagt: „Ich habe nur das getan haben, was alle getan haben, ich wollte nicht isoliert dastehen.“Ich hörte im TV gerade einem Experten zu, der sagte, die Amerikaner nehmen Putins Drohung ernst und handeln bereits danach.
        Das ist eine Hoffnung in meinen Augen, Putin soll ja zur Zeit im Ural sein irgendwo, meine andere Hoffnung sind diese „Friedensverhandlungen“ in Belarus, ansonsten …

        1. Nur kurz etwas anderes: Wenn Sie kommentieren, wird automatisch an Ihre Emailadresse eine Bestätigung von WordPress gesendet. Offenbar haben Sie sich aber mit einer nicht mehr funktionierenden Adresse angemeldet oder einer, die noch nie funktionierte (mache ich selbst manchmal etwa bei Antworten auf Werbung), so daß ich bei jedem Ihrer Kommentare über Outlook ständig neu die Nachricht erhalte, die Benachrichtigung sei nicht zustellbar, einfach, weil das Programm sie permanent neu schickt. Können Sie in Ihrer Registration eine funktionierende Adresse bitte angeben? Sonst hören bei mir die „Alerts“ nicht auf.

        2. …und nun zu Ihrem zweiten Beitrag, über den ich ebenfalls nachdachte..:

          Was Russland da anbietet, sind keine „Friedensverhandlungen“, auf die man irgendeine Hoffnung setzen kann. Putin schickt die zweite oder dritte Reihe, um mit der zweiten Reihe zu „reden“. Das ist weiterführende Demütigungsstrategie, die sowohl die Legitimität sowohl der Ukraine, als auch ihres Präsidenten in Abrede stellt. Er will ein „Versailles“. Er will der Regierungsmitglieder der Ukraine sowie ihres ganz außerordentlich gewachsenen und immer populäreren Präsidenten Selenskji habhaft werden, um sie nach einem großen Schauprozeß mit gefakten Beweisen in Gulagas verrotten zu lassen. Eine grauenhafte Vorstellung… Ich denke, Selenskji und seine Mitstreiter wissen das und werden das nicht zulassen.

          Was meinen Sie mit der Erwähnung der bei uns lagernden Atomwaffen? Daß wir uns selbst in Gefahr bringen? Daß wir Marionetten der Amis sind? Selbst wenn – das ist Nebensache. Hauptsache ist, daß wir nicht zulassen sollten, daß Imperialismus und Despotismus wieder hoffähig werden.

          Ja, mir ist klar, daß Putin – je mehr mit dem Rücken an der Wand – zum Äußersten bereit ist. Zunächst sind seine nicht-atomaren, dennoch verheerenden Überschall-Raketen zu fürchten. Solche, wie die der USA, von denen Trump ja vor einiger Zeit als Phallus-Demonstration eine in den Nahen Osten schickte…
          Ja, mir ist klar, daß auch ein Verteidigungskrieg fürchterlichen Blutzoll und Traumatisierung bedeutet. Kampf – auch gerechter Kampf – birgt immer diese Gefahr… Doch was soll ich tun, um vor mir selbst glaubwürdig zu bleiben? Um ALLES zu tun, damit die Bösewichte immer weniger Chancen haben? Ich MUSS dieses Risiko eingehen, um mit mir selbst weitgehend im Reinen zu bleiben und vom Umfeld noch glaubwürdig wahrgenommen zu werden. Und was auf jeden Fall zu verhindern ist, ist Geschichtsumschreibung, die der Hobby-Historiker im Kreml anstrebt. Das hatten wir ja selbst gerade mit unserer DDR – während ihrer Existenz UND danach. „Wir sind das Volk“ okkupiert die Schweinebande den Kampfruf der Tapferen. Und kaum einer von jenen, die den Widerstand tatsächlich mutig und wertebewußt trieben, wurde im Nachhinein nennenswert gewürdigt. Auch da muß ich kotzen. Schon weil diese „DDR“ (ja, jetzt mit Anführungsstrichen) mit ihrer Existenz und Praxis die Idee des Sozialismus‘ auf Jahrzehnte hinaus disqualifiziert hat…

          Ich plädiere also dafür, daß wir – obwohl auf der „richtigen“ Seite – uns die Finger auch schmutzig machen sollten. Sozusagen kotzend handeln…

          Und im Übrigen, es GIBT Hoffnung. Schauen Sie sich doch nur die Gesichter der anwesenden Generale an, in dem Video, in dem Putin die nächste Alarm-Stufe seiner strategischen Waffensysteme befiehlt… Ich erinnre mich an Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow, Oberstleutnant der sowjetischen Luftverteidigungsstreitkräfte. Am 26. September 1983 sollte er aufgrund (fehlerhafter) Radarwarnungen den atomaren Gegenschlag auslösen. Aber er hat nachgedacht und den Gehorsam verweigert… Ihm gebührte der Friedensnobelpreis! Doch er verschwand in der Versenkung. Jedenfalls: DAS macht mir Hoffnung, Offiziere in der Befehlskette können auch „sapiens“ sein. Und je mehr das www konsequente und werteorientierte Reaktionen des „Westens“ in die russische Bevölkerung spielt, desto größer die Wahrscheinlichkeit des Nachdenkens auch im Militär. Ja, das sind kleine Hoffnungen – aber welche mit mehr Substanz als so genannte „Friedensverhandlungen“.

          Insofern haben wir BEIDE Hoffnungen…

    2. Ich halte es für einen Fehler, der Ukraine KEINE Waffen zu liefern.Und ich intoniere auch kein „Kriegsgeschrei“. – Warum Waffen? Weil sie nicht nur töten können, sondern auch Symbole sind, die den Unterdrückten Kraft geben können. Oder – falls solche praktische Unterstützung ausbleibt – auch entmutigen können. Oder schlimmstenfalls: Steht es Spitz auf Knopf, liegt es möglicherweise an fehlenden Waffen, daß Despoten und Faschisten obsiegen. Theorie? Nein. Hier ein Geschichtsbeispiel: Franco hatte im Spanien der 30er Jahre keine guten Karten gegen die Republikanischen „Rebellen“. Erst die Unterstützung von Nazi-Deutschland (UNSER Deutschland, ja ja) ließ ihn erfolgreich seine Diktatur errichten; mit kontinuierlicher Unterdrückung, Folter und Mord etc., bis schließlich nach Jahrzehnten von Traumatisierung und unzähligen Toten Prinz Carlos übernehmen durfte… Was wäre gewesen, wenn andere Nationen die Republikaner aufgerüstet hätten? Wieviele Menchen wären nicht gefoltert, traumatisiert, getötet worden? Wo würde Spanien JETZT stehen?? – Hätte hätte Fahrradkette? Oh nein! Was mir ein Wert ist (Demokratie? Freiheit? Menschenrechte?) nützt mir nichts, solange es bloß in meinem Moral-Regal herumliegt. WENN ich mir schon den Luxus erlaube, Werte zu haben, MUSS ich sie verteidigen. Auch dann, wenn ich nicht selbst direkt betroffen bin. Und da rede ich nicht als Hobby-Moralphilosoph, sondern als Praktiker: Ich lasse nicht zu, daß in meiner Anwesenheit ein Mann seine Frau schlägt. Ich mische mich ein – auch körperlich. Dazu gibt es Polizeiprotokolle. Solche Begebenheiten, auch geringfügigerer Art, ziehen sich wie eine Perlenkette durch meine Biografie. Ich meine es ernst mit meinen Werten. Unsere Politiker tun sich schwer damit. – Meinen SIE es ernst mit IHREN Werten? Dann verteidigen Sie sie. „Wachsamkeit“ allein reicht nicht.

      Und bitte Vorsicht mit der Etikettieung „kranker Mann“. Das marginalisiert nur den Tatbestand, da kann man ja selbst die Hände in den Schoß legen und die Arbeit den forensischen Psychiatern überlassen. Bloß – die kommen ja nicht…

      Konnte ich Sie zum Nachdenken bewegen?

  2. Danke, natürlich schließe ich Sie in meinem Nachdenken ein. Ich kann gar nicht anders, als andauernd darüber nachzudenken. Alle Medien quellen über, die Berichte und Filmchen sind in einer Weise gleichgeschaltet, dass man ihnen nicht entkommt. Wer da nicht mit einstimmt, wird verachtetet.
    Sie können sich nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass Hitler keine Atomwaffen hatte. Aber dieser Hitler hatte eine ganze Nation gleichgeschaltet, die hätten ihn wahrscheinlich noch ermuntert. Denken Sie an Goebbels „Wollt ihr den totalenen Krieg?“
    Für das Wort „Kriegsgeschrei“ entschuldige ich mich, wohl besser „Kriegsaufregung“.
    Dass es auch negative Erinnerungen in der jungen Geschichte der Ukraine gibt, erspare ich mir jetzt. Aber acht Jahre Krieg am Donbass sind irgendwie nicht in Ordnung, auch die Russenfeindlichkeit, warum gab es da keine ernstzunehmenden Verhandlungen? sorry. Aber muss man darüber schweigen?

    Waffen sind für mich keine Werte, Waffen sind zum Töten da.
    Für mich sind Symbole Blumen und Lieder.
    Wir alle hoffen doch, dass Marlene Dietrichs Lied nicht wieder aktuell wird: „Sag mir, wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben“ … und zwar durch den Einsatz von Waffen waren sie verschwunden.
    Wenn ich hier mitlas, habe ich erfahren, dass wir ungefähr im gleichen Alter sind, ich werde nächste Woche 72 Jahre alt und hatte das Glück, immer im Frieden zu leben. Mögen die Waffen schweigen auf allen Seiten, der Frieden siegen, und liebe Grüße Ihnen.

    1. 🙂 72 werde ich im April. Und selbstverständlich nehme ich Ihre Entschuldigung bezüglich „Kriegsgeschrei“ an. Schließlich bin ich nicht Ihr Feind, lediglich Gegner einiger Ihrer Positionen – und dafür haben wir ja kämpferisch-respektierende Kommunikation. (Haben Sie meinen zweiten Kommentar auf den Ihren gelesen? Dies ist mein dritter.)

      Ja, Waffen sind zum Töten da. Wer zuerst schießt, ist im Vorteil. Das nennt man im Schwertkampf (und selbiges gilt seit Jahrtausenden für alle Kampfkunstsysteme, die funktionieren) das „Primat des Angriffs“. Der Verteidiger ist also zunächst im so genannten „Nach“. Wenn er überleben will, darf er nicht den nächsten Angriff (das nächste „Vor“ des Angreifers) abwarten, das wird ihn auf die Dauer schwächen, sondern muß unmittelbar aus dem „Nach“ ins „Vor“ kommen. Das lehrt mich mein Leben und die Kampfkunst. Wie gesagt, ich war zwar bis vor einiger Zeit im Politischen ein militanter Pazifist (nie im Privatleben), bin dann (Trump, Ping, Lukaschenko, …) doch zum Falken konvertiert und glaube, gute Argumente dafür zu haben.

      Vielleicht wäre es nützlicher, sich von Angesicht zu Angesicht auszutauschen, statt hier zeitverzögertes Ping Pong zu machen. Obwohl – ANH würde es sicher gerne auf dieser Plattform halten… Vielleicht geht ja beides..?

      Abschließend eines meiner populistischeren Argumente: Wenn Rußland aufhört zu kämpfen, gibt es keinen Krieg mehr. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, gibt es keine Ukraine mehr.

      Ihr Utecht

      1. Smile, als ehemaliger DDR-Bürger schrieb ich schon als Oberschüler (Gymasiast) „Als der frühe Morgen naht, sang der Vogel unverdrossen, kam geschlichen ein Soldat, hat den Vogel abgeschossen“ da war ich wohl schon ein Pazifist.
        Es gibt ja auch neutrale Länder, wäre doch gar nicht so falsch für die Ukraine. Da lohnt sich jede Diskussion, auch hier.
        Och, ich denke, der Herr Herbst hat es ganz gern, wenn es lebhaft in seinem Blog zugeht. Ich dagegen habe mehrere Gründe, mein Blog ohne Kommentare zu führen. Da bin ich gern für mich allein.
        Lassen wir es hier auf den Kommentarbereich bewenden. Aber danke für Ihre Einladung.

        Ihr franzsummer

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