Nächstes Verfahren & Aufruf zum Wetten & Bohlen.

[Altblogeintrag vom 02.10.2003, erstellt um 16:30 Uhr]

 

I Verfügungen, einstweils

Jetzt also die zweite eV. Ich soll tatsächlich nicht mehr „aus dem Kopf rezitieren“. Formulier ich also: „XXXXXXXX XXX XXXXXX XXXX XXXXXXX XXXXXX“ -womit ich meine, daß mir kalt ist -, dann ist mir das fortan untersagt. Jedenfalls s o. Immerhin meint „rezitieren“ ein belegbares Zitat. Von „Paraphrase“ ist in dem Beschluß keine Rede, was Varianten auf Alltagssätze, zum Beispiel „brrrr, kalt isses“, in meinem aktiven Wortschatz am Leben hält. Eigentlich finde ich das eine super Sache. Man spricht nun nicht mehr „aus dem Bauch“, sondern schult sich selbst im Alltag in Anti-Schludrigkeit. Die Poetisierung jedes Einkaufs bei NETTO steht in die Welt. Mein gesamtes sprachliches Leben wird Poesie, und zwar scharf geränderte, sonetten sozusagen. Das kommt meiner Ästhetik in der Tat entgegen, verpflichtet mich sogar auf sie. Ich liebe ja sogar in der Umgangssprache den Konjunktiv, der das „würde“ vermeidet. Hegelsch gesprochen, komme ich zu mir. Ich sollte dankbar sein. Allerdings wird man mich nun für einen Manieristen halten… na gut, einige tun das seit langem, doch daß sich das bei den Vietnamesen herumspricht, von denen Hans Deters seine Schmuggelzigaretten bezieht, ist neu. – Hans Deters? Ei, merken Sie, wie vorsichtig ich bin?

Aber, andererseits, dieses Weblogbuch findet sich ja aus guten Gründen unter „Dichtungen“, weshalb Sie – unvergleichbar mit anderen, sehr viel berühmteren Tagebüchern – nicht befürchten müssen, daß ich Sie über den Aggregatzustand meiner Stoffwechselabfälle unterrichten werde. Versprochen. Wen sowas interessiert, findet bei Powys auf Jahre Befriedigungsmaterial. Nur so als Lesetip für anal Interessierte.

Was ich bereits im vorvorherigen Weblocheintrag träumte und worauf ich mit dem „Schwarzen Buch“ präventiv reagierte, hat sich also realisiert. Das ist wie bei meinen Büchern: Ich schreibe was, und es tritt ein. Sogar die Zerstörung der World Trade Towers nahm ich im Apokalyptischen Kapitel von THETIS vorweg. Ob eigentlich i c h der terroristische Kopf bin… ich meine: versehentlich und aus geheimen poetischen Gründen?

Der juristische Angriff geht diesmal gegen die fiktionäre Website, insoweit sie für MEERE wirbt. Wir haben deshalb die Links rechtssauber modifiziert. Immerhin ist der Gegner nicht damit durchgekommen, mir den Mund verbieten zu lassen: Sprechen darf ich noch über das Buch, auch den Fall MEERE reflektieren, öffentlich, etwa hier. Nur werblich aufs Buch hinzuweisen, würde teuer. Dreht also jemand, zum Beispiel morgen der RBB, mit mir einen Film, dann darf ich das – z. B. unter „Termine“ – nicht mehr bekanntmachen, weil es als Werbung auslegbar wäre. Es sei denn, es geht um sagen wir ANDERSWELT. Über die Zusammenhänge öffentlich nachdenken darf ich aber. „Im übrigen wird der Antrag abgewiesen“, schreibt das Gericht. Und genau das – abweisen und nachdenken – tu ich hier.

Wer sich fortan über MEERE informieren will, möchte, die und den bitte ich, die Suchmaschinen bemühen. Das ist an sich ja wohl kein Problem. Zu ANDERSWELT finden sich bei google enorm viele Links.

II Kritiken

Bin gespannt, wo MEERE, wenn man das Buch überh a u p t noch behandelt, verrissen werden wird. Ich tippe auf mindestens zwei wichtige Zeitungen, ja bin mir bei DIE ZEIT und SÜDDEUTSCHE ZEITUNG geradezu sicher, weshalb mich eine Lust auf Wetten angeflirtet hat. Meeresquoten erfinden. Welch hübsche Idee! Ich würde das Wort gern urheberrechtlich schützen. Man macht es sich für gewöhnlich nicht klar, aber in Rezensionen werden auch Feindschaften ausgetragen. Womit ich nicht persönliche, sondern ästhetische meine. Ein Blick in meine Pressemappe (laden Sie sie sich unter „Presse“ herunter) genügt, um vieles zu erhellen. Auch ohne die einstweiligen Verfügungen wäre es mit MEERE abermals geschehen. Nur diesmal besonders. Denn es geht um deutsche Geschichte und Folgen, die diese ganz bestimmte Form von Verarbeitung auf eine ganze Generation gehabt haben. Auch dies ist eines der wichtigen Themen von MEERE. Das Buch nimmt die „Walser-Diskussion“ wieder auf, allerdings inniger, ja verletzlich und als Frage. Der Zusammenhang ist in der Tat so heikel, daß es einer Liebesgeschichte bed u r f t e, um ihre Valenz jenseits aller vorgeblichen Philo- und Antisemistismen plastisch und sinnlich erkennbar zu machen. Es muß von G e f ü h l e n gesprochen werden, Normen und moralische Verdikte nützen da wenig. Sie sind im Gegenteil kontraproduktiv, denn sie halten die Erinnerung ans Unheil als Verdrängung aufrecht. Verdikte w o l l e n nämlich nicht verarbeiten und bewältigen lassen. Auch das wird in dem Buch geschildert, das fortan WELLEN heißen wird, daß die Erkenntnisprozesse ihren Grund also in einer sinnlichen, wenn auch ästhetischen Erfahrung haben und genau deshalb so wirkungsvoll sind. Es handelt sich nicht – oder selten – um Rationalisierungsprozesse. Ihre Valenz wird deshalb als größer als eine analytisch hergestellte empfunden. Deshalb wird auch eher ein Prozeß gegen einen Dichter geführt als einer gegen einen Wissenschaftler. Dieser bewegt sich im determinierten Raum – auch dann, wenn er moralisch fragwürdige Experimente durchführt -, jener hält sich im ungefähren Raum auf. Das Ungefähre ist genau das, was weg soll. Die Äquivalenzform, so schrieb ich einmal, wird total.

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