DLZI (VIII) & Briefe aus Catania (2)

Nun wird das so doch nichts mit der Funkarbeit. Jedenfalls muß ich modifizieren. Es war ein langes, für beide Seiten schweres Telefonat. Was der Redakteur, den ich mindestens so schätze wie er mich, mir vorwarf, hatte fast dieselben Implikationen, wie das, was ich vor drei Wochen von einem Agenten wegen DLZI zu hören bekam: Diese Arbeit könne so nicht geschrieben werden, sie sei frauenfeindlich (in beiden, einander nahe verwandten Texten wird die Liebesgeschichte mit einer devoten Frau erzählt), überhaupt sei das nicht Kunst… beide Männer, mit fast derselben Verve und nicht frei von Ekel, schienen schockiert zu sein über das, was ich ihnen vorgelegt hatte. Und ich muß mich fragen, ob ich wirklich einen Weg gehe, auf dem ich schleunigst einhalten sollte, oder ob ich – wovon ich doch überzeugt bin – hier eine Spur aufgenommen habe, die geradewegs in die Gründe dessen hineinführt, was ich die anthropologische Kehre nenne und wovon ich theoretisch bereits einige Male geschrieben habe: etwa über das neue Verhältnis zum Körper als einem zu mutilierenden, wie z.B. bei Stelarc, aber eben auch in der Massenkultur des Piercings und wahrscheinlich auch der Tätowierungen. Hinzutritt die von Bongartz und mir so genannte Perverse Bewegung; auch auf unser Buch war ja auf das heftigste reagiert worden… zu http://www.leser-service.de/bookinist/content/text/xolds/hase/@weschre.htm“ target=“_blank““>Norbert Wehrs Entsetzen sogar mit Abo-Kündigungen langjähriger Freunde usw usf.
Jedenfalls ist die frontartige Gegenwehr gegen diese Themen und ihre künstlerische, notwendigerweise, glaube ich, manierierte – nämlich ganz bewußt nicht-distanzierte – Darstellung so auffällig wie möglicherweise auch begründet. Ich weiß ja selbst sehr gut, daß man, hat man einmal mit der SM-Szene genascht, nie mehr ganz davon loskommt. Aber ich glaube, daß das gestaltet werden muß.
Für die Abwehr spielt selbstverständlich das bei traditionellen Lesern gehobener Literatur ausgesprochen ausgeprägte Mißtrauen gegen die Neuen Medien eine Rolle, allen voran gegen das Internet. „Briefe müssen abgeschickt werden, man muß auf die Antwort w a r t en, der Absender darf die Antwort nicht sofort bekommen“, wandte mein wirklich innig geschätzter Redakteur ein. „Aber die beiden schreiben einander per Internet!“ rief ich. Darauf er, sinngemäß: „Das Internet taugt nicht für Tiefe. Es ist nur flach!“ – Es hat an diesen Stellen gar keinen Sinn zu argumentieren, die Ablehnung ist irrational und beruht letzten Endes auf mangelnder Kenntnis…aber „letzten Endes“ nur, denn tatsächlich muß ja, um sich aufs Netz einzulassen, so etwas wie Kunstwille mitgebracht werden. Da ist Unsägliches beiseitezuräumen immer wieder, all der „Chat“, die nur-Privatheit, vor allem aber auch eine Sprache, die zwischen Alltagsjargon und Unbeholfenheit hin- und hertrudelt und sich selten bewußt ist, was sie tut.
Ich werde also das Feature auf einen Sprecher herunterfahren und nur erzählen, was der Protagonist beobachtet… nicht aber, was er erlebt. Es wird dennoch eine gute Arbeit werden, aber das, was Foucault die „Überschreitung“ nannte, fehlen.

herbst & deters fiktionäre

5 thoughts on “DLZI (VIII) & Briefe aus Catania (2)

  1. Zu SM… … kann ich nix sagen. Zum Netz schon. Nahezu jedes neue Medium (Theater, Roman, Radio, TV) hat neue Erfahrungsweisen und neue Arten des Diskurses für neue ‚Schichten‘, ultimativ gar Transportmedium für die Selbstverständigung neuer Gesellschaftsformen.

    So man die ‚many to many‘ Struktur des Netzes ebenfalls als ein solches neues Medium begrift ergeben sich daraus diverse Konsequenzen. Z.B. das Verschwinden der Randgruppe, die ja nur eine solche st, weil sie keine Zugang zu Kommunikationsmitteln außerhalb ihrere Gruppe hat.

    Dass den ‚Etablierten‘ das Thematisieren von Verdrängtem und das dazu passende Medium mehr als suspekt erscheinen will/muss, … verwundert nun nicht.

    1. Nein, durchaus nicht. Aber ich will unterscheiden. In diesem Fall ist es zumindest einer (wahrscheinlich aber gehören beide Männer dazu – und ein paar meiner besten, wirklich innigsten Freunde auch), der in diesem ganzen Sumpf von Korruption wirklich aufrecht, knorrig, klarköpfig dasteht, der mich auch einige Male vorm Untergang bewahrt hat und ohne den ich wahrscheinlich meine wichtigsten Hörstücke nie hätte verfassen können usw usf… – d a s macht es für mich so schwierig, und deshalb mag ich nicht leichtfertig sein. Bei Karasek Radisch Hage – na, wen haben wir denn n o c h so auf der Pfanne? egal – hätte ich jetzt geschossen. In diesem Fall wäre es viel unangemessener als bloß ungerecht. Vielmehr fände ich gern einen Modus des Übersetzens von einer Imaginationswelt in die andere… ich hab in der anderen noch mehrere Füße stehen, aber ich will auch weiter… und ich weiß, daß ich einiges von dem Neuen, das ich ja auch gestaltet habe, nicht werde „nach hinten“ vermitteln können und manches von dem Alten nicht „nach vorn“.

      Darüber hinaus erscheint ja auch gerade den Nicht-Etablierten Thematisierung von Verdrängtem oft als suspekt… ja auch sie sperren sich dagegen und sind meist nicht einmal für Diskussionen geöffnet. Ich sehe eher, als daß die Virtualisierung demokratisch Bildung befördert, eine n e u e Schicht von Eliten kommen, und das Verhältnis zu denen,die nicht dazugehören, wird sich, fürchte ich, nicht sehr von dem jetzigen Gefälle aus Oben und Unten unterscheiden. (Wobei „oben“ und „unten“ soziologisch ziemlich verschiedene Bezugsgruppen haben können und immer in H i n s i c h t auf etwas definiert werden müssen: auf Bildung und/oder auf Geld und/oder auf Abstammung und/oder auf körperliche Verfaßtheit und/oder auf Jugend und/oder ad inf)

    2. nur noch ne Fußnote Iris Radisch war immerhin Jurorin beim ersten deutschsprachigen Internet-Literaturwettbewerb von ZEIT und IBM (1996-1998), allerdings nur im ersten Jahr.
      Die Gewinnerin 1996, Martina Kieninger, schlug sie dann für Klagenfurt vor. Demnächst organisiere ich hier im Ka… ehm, in der Provinz, ne Lesung mit Martina 😉

    3. Iris ist auch nicht b l i n d, nur trägt sie schwer am moralischen Ressentiment. Einer ihrer tollsten Sätze – 1982, Philosophikum Frankfurt, Raum 309 – lautete s o: „Durch mich spricht Objektivität sich aus.“ Beachte bitte das herrlich nachgestellte Reflexivpronomen. Und überhaupt ist der Satz erinnerungswert.

      — Aber, Nachtrag, daß Sie für IBM tätig wurde, ist schon ein klasse Kobolz. Als ich an der Börse tätig war, hat sie so sehr mit der Nase gerümpft, daß sie dabei den B o d e n berührte. Lach.

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