Es verstört. Benimmt. Macht Angst und verschafft Lust, und zwar eine entgrenzte, die sich auf zivilisierte Spielarten schon deshalb nicht einläßt, weil in ihr immer ein starker Gewaltanteil wirkt. Sich diesem auszusetzen, ihn zuzulassen, führt zum prallen, sinnlichen Gegenteil vom lockren, unverbindlichen entertainment, das im Deutschen sehr verräterisch Unterhaltung heißt. Sie ist der Contrepart dessen, was die Alten aus guten Gründen Katharsis nannten und mit noch viel besseren an Dionysos geheftet haben. Genau hier verbindet sich Kunst dem rauschhaft erlebten Sexualakt.
Insofern kann kein Kunstwerk jemals „menschlich“ sein, jedenfalls nicht im Sinn eines pragmatisch-moralischen Humanismus’. Zivilisierte Kunst ist ein Eisenholz.
(LXXXXIX).
[Mahler, Sechste Sinfonie.]
herbst & deters fiktionäre
ein kunstwerk macht deshalb angst, weil es vorführt, wohin menschengeist gelangen kann. diese behauptung selbst aber macht schon angst. weil sie tatsächlich gewalt als mögliche konsequenz beinhaltet. was ich dem beunruhigenden der kunst zugestehe, ist ihre (und Ihre) vorbehaltlosigkeit als ihre (und Ihre) voraussetzung.
daraus aber zu schließen, kunst könne nicht menschlich sein, halte ich für falsch, da gängige „kultur“ und „unterhaltung“ dem konsum und darum dem leichten massenverbrauch dienen und darum ware sind, was kunst als ausdruck einer mit gewalt hervorbrechenden lust am gestalten (um „gewalt“ und „lust“ auch einmal anders einzusetzen) negiert, wobei sie gerade deshalb menschlich ist, weil sie ihr menschsein nicht negiert wie in der menschenunwürdigen unterhaltung, die einer kompletten verarschung allen geistes entspricht.
Diese Einschränkung hatte ich selbst gemacht, parallalie. Mit dem zugegebenermaßen leicht zynischen Nachsatz, der sich aufs „pragmatisch Moralische“ bezieht. Eine Kunst allerdings, die dem Konsum dient, ist, sagen wir, abgesunken ins Kunsthandwerk… welches durchaus von hoher Vollendung sein kann. Es gibt zudem den „Irrtum der Konsumtion“ – der etwa den guten Kitsch betrifft, den es neben dem „schechten“ eben a u c h gibt… allerdings bleibt die Erschütterung hier am Eingang stehen, bei Puccini etwa. Kunst ist das dann gleichwohl, und zwar hohe… aber eine, die ganz bewußt stehenbleibt.