6.08 Uhr:
[Wagner, Nibelungen ff, Siegfried.]
Erst um fünf vor sechs auf, heute fiel es zum ersten schwer, aus dem Bett zu kommen. Ich hatte geträumt, und es war ganz offensichtlich um Musik gegangen. Schliefe ich noch ein wenig, nähme ich diesen (guten) Traum wieder auf. Über dieser gedämmerten Überlegung verstrichen die fünf Minuten, dann hatte ich die Falle erkannt – und umging sie. Mit etwas schweren Knochen in die Küche, den latte macchiato bereiten, nun sitze ich schon in Mimes Höhle, den Milchkaffee berets neben mir, und hör im Hintergrund meiner Kopfhörer den heimlichen, dräuenden Baß des Drachen.
Tagesplanung
6.30 Uhr;
Internetverbot
ARGO.
Internetverbot
11 bis 13.45 Uhr:
DIE DSCHUNGEL.
Korrespondenzen usw.
KETTE.
14 bis 15 Uhr:
Analyse.
15 bis 16 Uhr:
Mittagsschlaf.
16 bis 20 Uhr:
KETTE.
ab 20 Uhr:
KETTE.
DIE DSCHUNGEL.
11.03 Uhr:
Das gesamte dritte Kapitel des zweiten Teils abgeschlossen (Rohfassung freilich) und ins vierte hineingeschrieben. Das läuft und läuft. Ich kann aber noch nicht ausdrucken, weil ich ständig nach vorn revidiere, ergänze umschreibe. Diese Art der flüssigen, sich ständig wandelnden Narration ist ohne den Computer völlig undenkbar oder erforderte stundenlanges Herumschnibbeln und Einkleben neuer oder veränderter Textsegmente. Das wird möglicherweise ein Problem, später, wenn ich auf fixiertem Text korrigieren will. Vielleicht schreibe ich immer erst eine Abteilung g a n z, also so um die dreihundert Seiten, bis ich das Ding je zusammenfasse und sich materialisieren lasse. Andererseits hätte ich dann dauernd Angst, Daten zu verlieren, die nicht Papier geworden sind. Gebe ich wiederum i h r nach, dann werd ich Tausende von DIN-A-4-Seiten brauchen.
[Ganz erstaunlich übrigens, welchen K l a n g mein LINN aus diesen alten Wagner-LPs der Deutschen Grammophon in die STAX-Hörer zaubert. Derart viel Tiefe und solche Streicherseide. Und diese Dynamik!]
Jetzt kurz Frühstück, dann Post und DIE DSCHUNGEL. Rasieren, dringend. Und unter die Dusche. Eine Mail an Ralf Schnell schreiben: Was heißt „Shakaden“? Nochmal Kühlmann ans Telefon zu bekommen versuchen. Und den Newsletter rausschicken.
[Martinu, Doppelkonzert.]
13.38 Uhr:
An Ralf Schnell geschrieben. Den Newsletter fertiggemacht, mit dem es ein Programm-Problem gab. War etwas mühsam. Dann kam die Erwiderung der Erwiderung des Klägers im Fall des verbotenen Buches. Weggespeichert, ich kann mich damit nicht belasten. – Und ein komisches Gefühl, weil zweimal der Berliner SPD-Vorstand auf meine Site geschaut hat. Wenn die jetzt a u c h glauben sollten, Literatur sei 1:1 Realität, dann wird insgesamt alles fraglich, – und die ANDERSWELT-Mythologie tritt tatsächlich in die Welt. Mulmig ist mir dabei allerdings s c h o n.
15.23 Uhr:
[Skrjabin, 1. Sinfonie.]
Von der Analyse zurück, schnell zwei Brote gegessen, um einem neuen Magen-Raptus vorzubeugen. Dennoch den Mittagsschlaf gestrichen, ich bin viel zu aufgeregt, fast aufgescheucht. In der Analyse durchgespielt, ob wirklich die Gefahr besteht, daß man mich wegen NULLGRUND für einen Terroristen oder wenigstens Sympathisanten hält. Obendrein gibt es auf der fiktionären Website auch noch das Bild mit Arafat. Zum Analytiker: „Ich m u ß, wenn ich über Gegenwartspolitik schreibe, auch über Terroristen schreiben. Und lasse ich einen als Person auftreten, was in ANDERSWELT von allem Anfang an geschah, dann muß ich mich in ihn hineinversetzen und er in der Fantasie auch s e i n, und zwar ebenso, wie ich Markus Goltz, der Gegenspieler, und Ungefugger und Elena Jaspers bin. Anders geht das gar nicht in einem Roman.“
Aber das Gespräch brachte mich auf eine Idee, die den Romankosmos n o ch einmal enger schnüren wird. Ich nehme ohnedies schon die „Realität“ hinein, also dort, wo der Sohn des Erzählers „stört“ usw. Nun lasse ich diesen Erzähler auch noch vom BND überwachen oder vom Verfassungsschutz, egal. Ich ziehe also die „Realitäts“ebene mit in den Roman, und zwar in die Romanp o l i t i k mit hinein.
Eine halbe Stunde lang DIE DSCHUNGEL bearbeiten, nach Post gucken usw. Dann an KETTE gehen. Heute nacht will ich fertig sein damit.
20.38 Uhr:
KETTE ist in der ersten Überarbeitung fertig. Sämtliche Übergänge stimmen, ich habe eigens einen Strukturplan angelegt und auch hier in Die Dschungel gestellt, allerdings lediglich im Arbeitsjournal, nicht als Beitrag auf der Hauptseite. Jetzt muß ich die Übergänge noch in den Fließtext übertragen, dann das Ding ausdrucken und auf dem Papier korrigieren. Das schaff ich heut abend bequem, wahrscheinlich auch die Übertragung von Korrekturen ins datische Typoskript. So kann der Text denn endlich hinaus zum Verlag. Allerdings würde ich gern später noch ein Shawarma essen gehen und ein Bier trinken. Mal sehen.
Ralf Schnell hat sich gemeldet, er fragt in Tokyo wegen des Shakadens nach. Auch die Architektenkammer hat sich gemeldet und mir die Adresse der für den Lehrter Stadtbahnhof=Hauptbahnhof=Bahnhof Atocha zuständigen Architekten herübergemailt.
22.56 Uhr:
Noch einmal KETTE ganz auf dem Screen gelesen, auch da noch kleine Mißbildungen entdeckt und revidiert. Nun ausgedruckt, das werden knapp 30 Buchseiten sein. Sollte ich heute nicht mehr dazu kommen, les ich halt morgen auf dem Papier. Viel ist das nicht mehr. Es wird Zeit für das Abendbrot.
23.54 Uhr:
Zurück. Einen Imbiß auf der Danziger (ich denk noch immer, als Wessi!, „Dimitroff“), wo man einen prallen Döner und einen halben Liter Bier für 2,20 Euro bekommt. Das hat Berlin mit Neapel (und Bombay) gemein: Auch Leute können überleben, denen das Geld nahezu völlig fehlt. Denn zweizwanzig kann man sich pumpen, es verhungert keiner in diesen Städten, auch wenn er nicht zum Sozialamt will. Ich muß an meinen Sanften denken. Sehr oft. Auch in dieser Hinsicht ist Berlin für Deutschland einzigartig.
Jetzt bin ich zu müde, um noch den KETTE-Text auf dem Papier durchzusehen, will auch keinen Fehler machen; vor allem nicht die 6 Uhr früh gefährden. Das also morgen. Es wird nicht viel sein.
Seltsam, der Prozeß rückt wieder näher, aber er bekümmert mich nicht. Momentan ist es mir fast egal, was mit dem verbotenen Buch wird. Fast. Denn die Literaturgeschichte wird es nicht vergessen. Schönheiten gehen nicht verloren, sie bleiben im Gedächtnis der Zeit. Und ich muß mich um das ARGO, um das n ä c h s t e Buch kümmern. Es wurde Zeit, daß ich es anging.
Arbeitsfortschritt:
ARGO, bis TS 26. Außerdem Notizen.
KETTE: roh fertiggestellt. Übergänge abgeglichen. Im Screen den gesamten Text korrigiert.
DIE DSCHUNGEL: Wie immer. Ich starr nur nicht mehr auf die Zugriffszahlen.
Ein bißchen Korrespondenz noch.