An den FREITAG. Sonntag, 14.November vormittags:
Lieber Ingo,
evtl. schaff ich den Artikel nicht. Mein Junge hatte gestern nacht Zahnschmerzen, wir waren heute (Sonntag) beim Notarzt, und das Kind muß nun morgen mit mir in die Zahnklinik. Selbstverständlich laß ich ihn da nicht allein. Es ist nicht sicher, wie lange Behandlung und Betäubung dauern; das haut jetzt erst einmal alles um. Und morgen abend hab ich einen Operntermin; selbst könnte ich den canceln, würde alles sehr knapp. Und ich reiße Texte auf keinen Fall runter, zumal nicht, wenn sie, wie im Arafat-Fall, heikel sind.
Wenn Dir das nun zu unsicher ist, dann sorgt bitte anderweitig für Ersatz. Ich melde mich aber telefonisch morgen, sowie der Junge es überstanden hat und bei seiner Mama ist. Für solch einen Grund muß man sich nicht entschuldigen, oder?
Herzlich
Alban
Vom FREITAG. Sonntag, 14.November nachmittags:
Lieber Herr Herbst,
das ist leider sehr unerfreulich – Ihr Artikel war als ausdrückliches Angebot unserer Kulturredaktion für die Themenseite 3 fest eingeplant. Darf ich das jetzt als endgültige Absage verstehen?
Herzlich – lutz herden
An den FREITAG. Sonntag, 14. November nachmittags:
Sehr geehrter Herr Herden,
unerfreulich oder nicht: Kinder gehen vor. Wenn Sie dafür kein Verständnis haben, sollte sich unsere Zusammenarbeit insgesamt erledigen. „Unerfreulich“ ist der nötige Klinikaufenthalt eines Kindes, nicht aber, daß ein Vater deshalb eine Arbeit nicht fertigbringen kann und das so rechtzeitig vorwarnt, wie die Situation ihm erlaubt. Das ist allenfalls bedauerlich. Wer so etwas nicht kapiert, hat auch politisch nichts zu sagen. Ich werde mir im Zweifelsfall deshalb vorbehalten, unseren Mailwechsel in meinem Weblog zu veröffentlichen, und bin mir sicher, das wird vor allem diejenigen meiner Leser interessieren, die zugleich Abonnenten des FREITAGs sind.
Von endgültiger Absage war noch keine Rede, allerdings von dem (hohen) Risiko, daß ich den Artikel aus den genannten Gründen nicht schaffe. So war meine Mail an Ihren Kollegen auch formuliert. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich morgen im Krankenhaus werde bleiben müssen. Und Hingerotztes liefere ich nicht ab.
ANH
Vom FREITAG. Montag, 15. November, 10.41 Uhr:
Werter Herr Herbst,
schreiben Sie den Artikel nun oder nicht? Ich muss mich ansonsten um eine Alternative bemühen, wir haben morgen Red.schluss.
Herzlich – lh
An den FREITAG.Montag, 15.November, 13.24 Uhr:
Sehr geehrter Herr Herden,
ich bin noch nicht einmal in meiner Arbeitswohnung, da finde ich Ihre Mail. Hätten Sie meine erste Nachricht tatsächlich gelesen, wäre Ihnen nicht unbekannt geblieben, daß ich mich um 10.41 Uhr, als Sie Ihre letzte Mail sandten, in der Kinderabteilung einer Zahnklinik aufhielt. Doch kann ich Ihnen nach der gestrigen „Unerfreulichkeit“ nunmehr mitteilen, daß mein vierjähriger Sohn den sehr nötigen Eingriff tapfer überstanden hat und von Ihrer Seite aus eigentlich eine Entschuldigung erwartet hätte. Da wiederum ich keine Lust auf Spielchen à la „Werter Herr“ habe, schauen Sie sich für Ihren Artikel bitte anderswo um.
Was ich bislang über meine kleine Begegnung mit Jassir Arafat skizziert habe, läßt sich gut meinem neuen Roman integrieren, so daß meine Arbeit ohnedies nicht vergeblich war.
Mit bestem Gruß
ANH
Was mischt sich … … dieser Lutz denn da überhaupt ein? Und hat Ihr vierjähriger Sohn tatsächlich eine Entschuldigung von dem
PennerHerrn erwartet?Anyway, den FREITAG werde ich nun wohl nicht mehr kaufen.
List der Geschichte Vielleicht sind wir soeben Zeugen einer List der Geschichte geworden, die darauf hinaus will, den beabsichtigten Artikel jetzt nicht erscheinen zu lassen. Die Leute von FREITAG sind wie alle darauf aus, Arafat jetzt endlich ordentlich zu begraben. Der Artikel wird aber nicht darum herumkommen, dies so nicht zuzulassen.
Möglicherweise ist Arafat. In einem Epischen Roman tatsächlich besser aufgehoben. Aufgehoben ebenfalls in hegelschem Sinn.