Wenn indes schon des Erzählers Perspektive fragwürdig ist, wie soll dann der Leser eine gesicherte gewinnen? Jemand, der solche Lektüre ernst nimmt (und nur, um sie zu konsumieren, ist sie zu schwierig nachzuvollziehen), sieht sich der Dekonstruktion seiner normierten Wirklichkeit gegenüber. Er muß nun nur noch überlegen, daß er die Krümmung der Zeit so wenig wie die „Organotronik“ seines eigenen Gehirns begreift, um ebenso ins Schlingern zu geraten wie der Autor der kleinen Erzählung. Wenn der denn geriet und nicht alles nur eine Fiktion ist, was sich aber nicht anders entscheiden läßt, als indem man das eine oder andere glaubt. Das ist kein überaus sicheres Fundament, dieser Rückzug in den gesunden Menschenverstand. Der würde schon, und wir wissen das, in Krankenhäusern versagen.
Phantastik kennt insofern nicht etwa nur nicht die Antworten auf ihre Fragen, sondern diese selbst formulieren sich überhaupt erst durch die erschriebene Lektüre. Man kann hilfsweise sagen: Der Text selbst stellt sie dem Autor. Selbstverständlich ist es komplizierter, da der Autor seinen Text ja schreibt. Dennoch ist seine Autonomie ebenso wie später die des Lesers aufgehoben. Genau darum geht es in Fantastischer Literatur: Das Es zum Sprechen zu bringen. Hier liegt die Verwandtschaft mit den Träumen, die sich geradezu nach Art einer Feldforschung die surrealistischen Traumversuche zum Gegenstand erkoren, was wiederum eine Erbschaft des romantischen Einspruchs gegen die allewelt funktional zurichtende Industrialisierung war und logischerweise ein Reflex auf die Aufklärung. Horkheimer und Adorno haben gezeigt, wie diese selber mythisch wurde. Auch davon legt Phantastik bildhaft Zeugnis ab. Vielleicht hat sie das Privileg, wie in seinen besten Arbeiten Lem, ungefähre Perspektiven einnehmen zu können, vielleicht weiß sie, wie Borges, um ihren Rang. Doch immer schreibt sie mit Tinte in Sand. Oder zeitgenössischer: Sieht Tiefe, wo nur Screen ist. Und weiß zugleich, der Screen i s t nicht tief, kaum räumlich, doch die flachen digitalen Zeichen sind wie spins unendlich ineinandergerollt. Eine andere Tiefe hat Phantastik weniger vor Augen und schon gar nicht im Begriff, als daß ihr Instinkt sie spürt. Deshalb wittert sie der Fährte nach, wie einer sich durch einen knalldunklen Raum tastet, der ungefähr weiß, wo die Tür ist.