Leere Mitte: Lilith. Proben 1 + 2. Stuttgart. (25.1.2005).

16 – 20.30 Uhr: Glashaus

Roher einfacher Probenraum mit schlechter Beleuchtung. Es gibt keine Stereo-Anlage für das Zuspielband, nur ein Koffer-Tragegerät, über das sich die Zuspielung nicht auf die Sekunde genau, was erfordert ist (Zehntelsekunde ist erfordert), abspielen läßt. Immerhin ist es gut, daß ich den Laptop und darauf die Musikprogramme dabeihab; so kann ich immerhin die Musik von der CD-ROM gleich in eine Datei importieren. Meine kleinen Aktivboxen genügen allerdings nicht im entferntesten, und heute ist vom Theaterhaus auch kein weiteres Equipment zu bekommen. Also muß es bis abends, wenn wir im Hauptsaal im uns zugewiesenen Container proben und die gesamte Technik anwesend sein wird, erst einmal so gehen.
Es ist jetzt deutlich: Dadurch daß die Musiker aus verschiedenen Ländern kommen, hat es keine Chance für gemeinsame Proben gegeben, und die Partitur ist extrem kompliziert. “Das ist wie Kopfschuß”, sagt Nicholas Isherwood und hält sich den ausgestreckten Zeigefinger an die Schläfe, während die anderen Finger Hahn und Magazin spielen, “hier muß ich fis hören und g singen”.Ohnedies ist die Partie über Strecken arg hoch für seinen mächtigen Bariton (wenn er spricht, hat er einen Baß, der durch Glasscheiben dringt). Laszlo, unser Schlazeuger, der auf drei einmeterbreiten, vom Gestell hängenden Stahlplatten spielt, war bis letzte Woche noch voll in anderen, auch sinfonischen Engagements; man merkt ihm an, daß er nicht perfekt üben konnte. Robert HP Platz wird schnell nervös. Einmal grantet er, entschuldigt sich aber gleich wieder, die Stimmung löst sich. Bis halb acht proben wir durch, dann muß, Isherwoods Stimme wegen, Pause gemacht werden. Er hat nach Zuspielband geprobt, der Bratscher auf Zeit, das geht noch nicht zusammen.
Szenisch kann ich eigentlich überhaupt nichts tun, da alle an den Noten hängen und auch zur UA mit Noten auftreten werden. Wie das schließlich eine Oper werden soll, ist mir völlig unklar. Ich kann nur auf Betonung und Aussprache achten, mehr erstmal nicht.

Noch mittags kommt uns der zuständige Redakteur, ohne daß wir eigens etwas sagen müssen, entgegen: Es wird nun doch ein gedrucktes Libretto vor der UA verteilt werden. Damit ist wenigstens gesichert, daß die Hörer wissen, worum es geht. Aufgrund der rapiden Gesangsgeschwindigkeit wird ganz vieles nämlich unverständlich bleiben und sich erst bei merhmaligem Hören erschließen. Wie das bei vielen großen Opern tatsächlich und, wie ich unterdessen glaube, aus guten Gründen sein muß: Erst die mehrmalige Beschäftigung läßt nämlich aufscheinen, was eine Musik mit einem Text tut und wie dieser dann in den kleinsten Phrasierungen zu leuchten beginnt.

20.30 bis 22.30 Uhr: Theatersaal.

Hier sind nun die Container aufgebaut, in denen gespielt werden soll. Die gesamte Technik ist da, aber mitnichten alles vorbereitet. Kabel werden verlegt, Mikros angebracht. Bis wir überhaupt zu einer musikalischen Probe kommen, vergehen fast anderthalb Stunden. Aber dann ertönt die Musik vom Zuspielband, und die Musiker beginnen. Man merkt im Raum, die Leute h ö r e n. Hier wird tatsächlich musiziert. RHPP ruft nach einem Regiepult, das es nicht gibt. Ein improvisiertes wird aufgebaut. Als ich meinen Skizzenblock und meine Partitur darauf ausbreite, sagt ein Techniker leise: “Ihr seid das erste Team, das danach verlangt. Also ich will ja nichts sagen: Aber das sagt ja e i n i g e s.” Grinsend ab.
Es wird sehr deutlich, der Charakter unseres Stücks bisher ist ein konzertanter. Da fehlt unbedingt S z e n e. Ich komme auf die Idee mit einem Flak-Suchscheinwerfer, der über der Bühne kreisen und übers Publikum rotierend leuchten soll. “Da wird man sagen”, wendet RHPP ein, “das sei von B.A.Zimmermanns Soldaten-Uraufführung hergenommen.” “Das ist prima”, entgegne ich, “dann bekommen wir über das Zitat einen imaginären Bühnen-Verweis.” Da nicht heraus ist, ob wir für den Suchscheinwerfer noch einen eigenen Mann gestellt bekommen werden, werde ich am Samstag den Scheinwerfer wahrscheinlich selbst fahren, von einer Seitenempore aus.
Auch erweist sich nun meine Idee mit den Bundeswehr-Uniformen als völlig richtig. Mit einem Mal schwenken alle darauf ein. Also werden wir das Problem haben, auf die Schnelle welche auftreiben zu müssen. Das wird den nächsten Tag ein wenig bestimmen. Außerdem brauchen wir eine Maschinenpistole, Karten usw.

Nachts kommt RHPP auf die zündende Idee: Wir lassen Isherwood, den Offizier in diesem vom Terror gezeichneten Bürgerkrieg, vom Tisch aus singen, die MP aus vor sich, auch die Karten. Da fallen dann die Noten überhaupt nicht auf.

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