4.45 Uhr:
[Mozart, Sinfonie Nr. 39. CSO, Bruno Walter.]
Keinerlei Schwierirgkeiten aufzustehen; ich scheine auch diesen grippalen Anfall von gestern nachmittag/abend weggeschlafen zu haben. Allerdings ist es fraglich, ob ich nachher joggen sollte oder aus Klugheit besser aussetzen sollte. Furchtbar unangenehm ist mir solch eine Klugheit stets gewesen, denn ich verdächtige sie, letztlich nur Unlust und Bequemlichkeit verbergen zu wollen. Außerdem bringt sie mich aus dem Fluß der Tagesarbeit. Mal sehen. Auch die Analyse fällt heute aus, wegen der Probe in Hannover. Und sogar für Mittwoch werde ich absagen müssen: Da wird eine Freundin bestattet.
Den latte macchiato bereitet, etwas sehr Dickes übergezogen, weil es mittlerweile objektiv kühl geworden ist morgens. Keine Meldung mehr von EvL. Vielleicht erfinde ich sie mir also nun weiter, da ich nicht betteln mag. Man kann sich so jemanden in der Nähe bewahren, wenn man ihn (sie) dort hineinschreibt: ARGO.
Las gerade, wegen eines Statuszeilen-Zitats, bei Ungaretti: „Noch bleibt mir etwas Kindheit (Ancora mi rimane qualche infanzia).“ – Daß man so etwas empfinden kann!
9.29 Uhr:
[Ruzicka, Sinfonia. Ein Stück, das seinerseits eine ‚Sinfonia’ verarbeitet, nämlich Berios, die sich ihrerseits auf Gustav Mahler bezieht. Ruzicka zitiert sozusagen bereits ein Zitat.]
Knappe zwei ARGO-Seiten weiter fielen mir die Augen zu, so daß ich mich noch einmal für eine halbe Stunde aufs Ohr legen mußte. Und wenn ich mir so anschau, was mein Stoffwechsel grad mit mir anstellt, hab ich mir wohl doch irgend einen Infekt zugezogen. Egal, ich werde gegen zehn dennoch laufen, allerdings nur locker, nicht die Grenze ausreizend wie sonst; um den Körper also zu s t ä r k e n. Dann, gegen elf, duschen, packen und um zwölf Richtung Ostbahnhof ab für die Probe in Hannover. Im Zug wird wieder für ARGO gut Zeit sein. Für die anderthalb Stunden Fahrt brauche ich dann nicht mal einen Netzanschluß.
18.45 Uhr:
[ICE Hannover-Berlin.]
Oh je, was eine Veranstaltung. „Warum nehmen Sie dann daran teil?“ fragt mich S. hinterher, mit der ich mich noch auf einen Wein getroffen habe, bevor der (selbstverständlich verspätete) Zug mich zurück nach Berlin bringt. „Ich brauche das Honorar“, sage ich, „und ich habe es mir s o dilettantisch nicht vorgestellt.“ Das Problem besteht vor allem darin, daß ich über die enormen Kitschstellen der morawietzschen Texte nicht einfach hinweglesen kann, sondern sie sogar noch besonders dehnen und ausstellen muß, weil die mehr als nur charmante Gebärdensprache-Dolmetscherin simultan mitübersetzt, also Zeit braucht. Die Veranstaltung richtet sich eben auch an Gehörlose. – Das Konzept ist sehr schön, es sind wirklich wundervolle Ideen von Magis, der es entworfen hat und auch die Regie führt. Es hapert nur an der Professionalität der Umsetzung. Insofern mach ich mich für Sonntag schon mal auf ein kleines Desaster gefaßt.
Jetzt auf der Fahrt etwas ARGO, neben mir schläft, in den Doppelsitz gedrückt, eine hübsche, offenbar sehr geschaffte Blondine, aus den kurzen Socken schauen lockend die Wadenknöchel heraus. Schräg rechts mir gegenüber am selben (kleinen) Tisch eine etwas untersetzte, klug wirkende, lernende Frau: mein Blick fällt auf eienen medizinischen oder pharmazeutischen Lern-Kit der Industrie. Die Frau schreibt in einer sehr unweiblichen, engen, ausgesprochen winzigen schwarzen Schrift in einen karierten Block.
22.54 Uhr:
[Zurück in der Arbeitswohnung.]
Mich noch in der Lützow-Batr mit G. getroffen, je für einen Cocktail, danach waren wir in Klärchens Ballhaus, Mitte, eine Kleinigkeit essen. „Wieso m u ß t du eigentlich immer auch die vor den Kopf stoßen, die dir gutgesonnen sind?“ fragt er. Ich kann darauf wenig antworten, mir ist das ja selbst schleierhaft.
Eine Irsinns-Szene in ARGO geschafft, im Zug. Jetzt will ich noch nach Post schauen und dann sofort schlafen gehen.