Der Duft des Weiblichen ist der Geruch der sizilianischen Nacht.

Einem Buch verfallen, weil man es kannte, bevor man es las:


Oh, das giechische Meer Siziliens, oh, der rote Felsen von Scilla, dort gegenüber Charybdis, und der schneebedeckte Gipfel des Aspromonte, und die leuchtend weiße Schulter des Ätnas, des sizilischen Olymps. Wirklich, es gibt, wie Theokrit singt, nichts Schöneres in der Welt, als von der Höhe einer Steilküste aus das Meer Siziliens zu betrachten. Auf den Bergen loderten die Hirtenfeuer, ins Meer hinaus glitten die Boote, aufwärts, dem Monde entgegen, und der klagende Ton der Seemuscheln, mit denen die Fischer sich über das Meer hin miteinander verständigen, verklang in dem silbrigen Mondnebel. Der Mond stieg über dem Felsen von Scilla empor, und der Stromboli, der hohe, unzugängliche Vulkan mitten im Meer, flammte wie ein einsamer Scheiterhaufen in der Tiefe des grünblauen Waldes der Nacht. Wir blickten aufs Meer hinaus, atmeten den herben Geruch des Salzes, den kräftigen, berauschenden Duft der Orangengärten, den Geruch der Ziegenmilch, den der brennenden Wacholderzweige der Feuerstellen, und jenen warmen und tiefen Duft des Weiblichen, welcher der Geruch der sizilianischen Nacht ist, wenn die ersten Sterne sich bleich am Horizont heraufheben.
Malaparte, Die Haut


3 thoughts on “Der Duft des Weiblichen ist der Geruch der sizilianischen Nacht.

  1. Ich habe Die Haut schon bestellt, möchte das Buch unbedingt lesen, danke für die Exzerpte. Kannte bislang nur Kaputt von Malaparte.
    Wussten Sie, dass es eine Verfilmug * der Haut gibt? Von Liliana Cavani, 1980.
    Wünsche ein schönes Fest. Gruß, m.

    * mit Claudia Cardinale, Burt Lancaster und Marcello Mastroianni

    1. Von der Verfilmung wußte ich nichts. Ich bin mir aber auch unsicher, ob ich sie sehen möchte. Das Große an Büchern wie diesem – dessen Handlungsführung sich nicht durch besondere Konstruktion auszeichnet – ist ja ihre S p r a c h e, und n i c h t die Handlung. Sondern w i e etwas beschrieben wird, ein Sonnenuntergang, eine Gasse, ein Gesicht – welche Assoziationen freigesetzt werden usw. Das Große ist gerade das, wovon so viele neuer mainstream-Literatur meint, man habe drauf zu verzichten: also lange beschreiben, lange kommentieren – ganz im Gegenteil: Beschreibung und Kommentar sind wesentliche – tragende – Bestandteile jeder guten Prosa-Poetik, ob man sich da nun Pynchon oder Musil anschaut, ob Th. Mann oder Alfred Döblin, ob Gaddis ob Herbst.

      Dennoch sollte man eigentlich auch künstlerischen Interpretationen, wie eine Literaturverfilmung sie darstellt, unvoreingenommen entgegentreten – sowieso, wenn Cavani daruntersteht.

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