Sehr geehrter Herr W.,
Ihr Schreiben vom 25. habe ich erhalten.
Die Forderung Ihrer Mandantin bestreite ich nicht. Allerdings bin ich, das habe ich Ihrer Mandantin so auch bereits per email mitgeteilt, zahlungsunfähig. Ich könnte mich allenfalls auf sehr kleine Raten einlassen, aber auch da wäre immer die Gefahr, jedenfalls gegenwärtig, daß ich sie nicht regelmäßig bezahlen kann; wohl aber nach und nach.
Ich bin ein deutscher Schriftsteller, der nicht unbekannt, aber heftig umstritten ist. Durch den Ihnen ganz sicher bekannten Prozeß gegen eines meiner Bücher bekomme ich derzeit keine Verlagsverträge mehr und bin seit fast einem Jahr nahezu ohne Einkünfte. Freunde und Leser finanzieren mich durch gelegentliche kleine Beträge. Einige davon gehen nicht direkt an mich, sondern direkt zum Beispiel an meinen Vermieter. Meinem Bankkonto droht wegen in Anspruch genommenen Dispo-Kredites die Kündigung, ein Kredit wurde bereits gekündigt.
Zur Zeit suche ich energisch nach einem Mäzen, der mein Werk, also auch mich, weiterhin an der Existenz hält. Das Werk ist zwar in der Kritik umstritten, aber unterdessen in der Literaturwissenschaft geehrt und auch Lehrgegenstand. Was seine ästhetische, also poetologische Valenz anbelangt, ist so etwas für einen fünfzigjährigen Dichter sehr viel. Sollte es diesen Mäzen nun geben, so wird wohl auch ein weiterer Verlagsvertrag nicht auf sich warten lassen. In dem Moment wäre es mir möglich, einen Großteil meiner Gläubiger auf einen Schlag zu befriedigen.
Teilen Sie das bitte Ihrer Mandantin so mit? Vielleicht gibt es eine Möglichkeit. Ein Zwangsvollsteckungsverfahren gegen mich mag zwar zu einem Titel, würde in jedem Fall aber zur Unpfandbarkeitsbescheinigung führen. Es wäre deshalb auf allen drei Seiten, auf Ihrer, Ihrer Mandantin sowie meiner sehr schade um das durch juristische weitere Maßnahmen aufzuwendende, von mir in irgend einer Zukunft ebenfalls abzuzustotternde Geld.
Mit dem besten Gruß
ANH