5.38 Uhr:
[Kinderwohung.]
Verschlafen. Es g i n g einfach nicht, um 4.30 Uhr aufzustehen. Ich stellte den Wecker um eine Stunde weiter. Der Junge, im siebenanchtel Weiterschlafen, merkte das und rückte mit einer geradezu entschiedenen Bewegung von seiner Bettseite zu mir hinüber, nahm meine Decke, zog sie über sich und drängte sein Körperchen an meinen Körper. Wie Tiere aneinandergelegt, so schliefen wir wieder ein. Die vergehende Stunde war ein Moment. Dann klingelte der Wecker erneut.
Jetzt hab ich immer noch einen ziemlich dicken Kopf, was von einem Dickkopf zu unterscheiden ist, bei mir aber zusammengeht. Es muß ziemlich viel Wein gewesen sein gestern abend, vor allem war’s auch roter. Der Besuch brachte ihn mit, und ich vertrag ihn nicht. Also ein wenig in ARGO hineinsehen, wenn der Kaffee neben mir steht, für eine knappe Dreiviertelstunde. Dann ist der Junge wachzubekommen und für den Schulfasching vorzubereiten.
6.24 Uhr:
[Goldberg-Jazz.]
Unfaßbarerweise, anstatt poetisch zu stottern, wie ich befürchtete, mit einem Mal die erzählerische Lösung für das Oìsin-Problem gefunden. So reicht manchmal eine halbe Stunde schweifender Konzentration, und ein Ruder reißt sich herum. Gut. Darüber ist der Kater nahezu weggespült.
8.16 Uhr:
[Dallapiccola: Tre Poemi. Arbeitswohnung.]
Versehentlich einen Beutel Kamillentee in die Kanne geworfen; jetzt trink ich halt den. „Normales“ Arbeitsgetränk ist – wenn ich die beiden latte macchiati, bzw. den Kaffee intus habe – Pfefferminztee. Na gut. Ich höre die mir von Bernd Leukert vom hr hergesandte Dallapiccola-CD, aus der ich nächste Woche Musiken für die >>>> SAN-MICHELE-Produktion (witzig, daß die zwar angeben, man zeige den Golf von Neapel, tatsächlich aber das Foto des Hafens von Neapel in die Ankündigung gestellt haben) verwenden will. Und mir kam vorhin, meine seltsam sehnsuchtsvolle Einsamkeit bedenkend, der Gedanke, imgrunde sei alles ganz richtig so. Fände ich denn tatsächlich Zeit für eine befriedigend ausgefüllte Liebes- und Familienbeziehung? Ist es denn nicht w i r k l i c h so, daß ich Freizeit gar nicht kenne und auch nicht unterzubringen wüßte? Die Liebe zu meinem Kind und die Zuwendung zu ihm ist das eine, eine gelegentliche, durchaus intensive erotische Affäre ein weiteres, doch eine tatsächliche Partnerschaft ließe sich angesichts meiner Arbeit gar nicht führen. Vielleicht schraubte ich sie für ein paar Wochen etwas zurück, aber dann bräche doch wieder der unbedingte Kunstdrang durch und brächte der Partnerin das Gefühl, eigentlich von mir getrennt zu sein. War das imgrunde nicht Lakshmis latenter, sie derart traurig stimmender Vorbehalt, daß i c h einen solchen Vorbehalt hätte? Vielleicht gibt es Menschen, die sich rein objektiv nicht für eine tief vertraute Familie eignen. Vielleicht gehöre ich dazu.
Wie auch immer. ARGO.