5.27 Uhr:
[Scelsi, Khya.]
Schwer nur auf, aber auf. Derart verschmiert im Kopf, daß ich nahezu zehn Minuten brauchte, um mir die Morgenmusik auszusuchen; andererseits klingt das Dessau Thema aus Verbeens Klaviervariationen wie eine Ohrschlange nach. Also durchpusten: Scelsi. Imrat Khan, fällt mir ein, wäre a u ch gegangen.
Bei alledem eine leise Freude darüber, daß ich heute früh nicht hexametern muß, sondern das LiebesNotturno in ARGO weiterschreiben kann. Es ist das einzige Kapitel dem ich eigens eine Überschrift gegeben habe; jedes andere hat nur eine Nummer, die aber nicht tatsächlich nach Sinngefüge, sondern nahezu beliebig, bzw. – damit ein Gleichgewicht zwischen den Abschnitten entsteht – nach einer bestimmten Seitenzahl mitten in den Satz hinein vergeben wird. Die Kapitel sind also bis auf dieses eine nun nach einem reinen Formkriterium aufgeteilt – wobei ich diese ‚Harmonie’ für die Zweite Fassung ganz bewußt wieder zerreißen will: so, wie ich das bereits in BUENOS AIRES. ANDERSWELT tat. Allerdings mag ich im allgemeinen keine nicht-geerdeten Stilmacken kultivieren; deshalb werde ich dieses Zerreißen nur an zweidrei Stellen anwenden, gleichsam zitieren.
Erst noch das DTs.
Habe, fühl ich, das graue Gegenstück zum hellen Klartraum von gestern getäumt. Das macht so benommen.
Heut am frühen Nachmittag kommt >>>> Heinz D. Heisl zu Besuch. Hab ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil ich sein Romanmanuskript noch nicht zu Ende gelesen habe. Aber ging halt nicht, ich hoffe, er nimmt’s mir nicht übel.
9.24 Uhr:
Bis eben ARGO, Notturno ff., dann gab mir etwas ein, Herrn Drehmann aus THETIS wiederaufzunehmen und den Argonauten beizugesellen. Also nach hinten hin, quer durch die rund 500 Seiten von Teil 4 und Teil 3 des Romans, dieses Motiv hineingefädelt; die übliche Prokelei, bei der die meiste Zeit dabei draufgeht, für den TS-Ausdruck die entsprechend geänderten Seiten umzuformatieren. Die Hineinfeilerei in die Sätze selber macht Spaß. >>>> EA Richter, übrigens, paart sich mit Shakti; er kann sich nicht beschweren: das ist eine der schönsten Frauen aus Deidameias Truppe – und den Vorgang für sich, aus Diskretionsgründen, schildre ich nicht, sondern nur, wie es zu dem Entschluß kommt. Auf meine ihm per email gestellte Frage, ob er noch mal Vater werden wolle, hat er bislang nicht reagiert. Er fürchtet vielleicht, ich wolle, als Vormund seines literarischen Kindes, Alimente fordern. So, Frühstück. Dann VERBEEN.
23.39 Uhr:
Bis eben mit Heisl zusammengesessen und lektoriert und über Literatur gesprochen. Soeben ist er gegangen.
Ach, das war ein guter Tag, auch für die Arbeit, auch persönlich. ARGO gut vorangetrieben, VERBEENs Musiken ein wenig in den Griff bekommen; wegen eines seiner erotischen Gedichte, auf Farsi geschrieben, gibt es kleine witzige Probleme mit orientalischen Übersetzern, die sich weigern, den Text ins rhythmisierte Deutsche zu bringen – eine Rohübersetzung ist dank Markwart kein Problem. Von ihm weiß ich eh, worum es geht. Also, Leser und vor allem LeserInnen, in vielen (allen?) Ländern des Orients gilt die orale Liebesehrung und -lust des Mannes an der Frau (‚wissenschaftlich’ Cunnilingus geheißen und Allah sei gepriesen) als unrein. Umgekehrt (Fellatio) übrigens nicht. Also gebe es, heißt es, dafür keinen Begriff. Statt dessen werde dafür gesagt „wie es die Europäer tun“. Klasse, gell? Von meinen orientalischen – auch asiatischen – (ehemaligen) Geliebten weiß ich nun aber sehr genau, wie diese Frauen es schätzen – und es erzähle mir kein orientalischer Mann, so etwas komme in ihren Ländern nicht vor. Es ist nun jedenfalls ein ulkiges Hickhack um diesen kleinen Verbeen-Text. Ich verstehe Verbeen plötzlich überaus genau, weshalb er gerade d a s auf Farsi gedichtet hat. Aber ich bekomme den L a u t nicht hin, dafür brauche ich halt diese Hilfe. Wahrscheinlich kommen wir um eine professionelle Übersetzungsagentur nicht herum: die m ü s s e n dann, weil sie Geld bekommen. Also wenn der SWR das zahlt. Sonst muß es, leider, ohne das gehen. (Bei einer ganz anderen Verbeen-Stelle hat mir vorgestern Otto Mellies gesagt: „Meine Frau hat gesagt, die senden das n i e!“)
Und mit O. telefoniert. Lange. Schön. Heiter. Gelockert. In den Mittagsschlaf sozusagen hinein. Ich fasse den Plan, vielleicht mit meinem Jungen und ihr am Sonntag auf einen Spielplatz zu gehen. Da erreicht mich – ich lese dem Kind gerade zur Nacht vor – eine SMS Lakshmis: „Wollen wir den Sonntag gemeinsam verbringen?“ Ich kann Ihnen gar nicht sagen, welch eine Achtung ich vor dem Instinkt dieses so völlig anderen Geschlechtes habe. Leute, wie schlimm es immer auch ist: dieses Leben ist großartig. Um es mit Heisl zu sagen: Schloaft’s Ihna guat.