Sonntag, der 23. April 2006. Bamberg/Berlin.

5.16 Uhr:
War in die Regnitz pinkeln.
Mein Junge tat das vorgestern schon, und ich beneidete ihn etwas drum. Nun bin ich heute so früh hoch, daß auch ich es konnte: es ist ja alles dunkel noch, zumal ein Sonntag, an dem Früharbeiter nicht zu erwarten sind; hier in der Villa sowieso nicht, aber auch nicht auf der Promenade am drübigen Ufer. Nicht, daß ich mich andernfalls scheute: doch will ich niemandes Schamgefühl verletzen; es geht ja nicht um Provokation.
Wie auch immer, ein warmes Gefühl, so etwas – und eben hier: d a s – zu tun; es verleiht einem momentane Sicherheit Festigkeit, als markierte man sein Gebiet im festen Instinkt, die Grenzen würden nun, in aller Regel jedenfalls, akzeptiert. A u c h ein Atavismus, ganz gewiß. Aber einer, der, betrachtet man ihn, leise lächeln macht.

Ich höre nicht Musik. Sondern durch die geöffnete Glastür, von welcher es kühldunkel hereinweht, das vielstimmige Vogellärmen über dem tiefen Rauschen des Wehrs. Das ist dem unentwegten Verkehrsrauschen der Städte durchaus ähnlich und wird wie dieses bei Tag kaum wahrgenommen; d a denkt man: Stille. WELT ERZEUGT KLANG steht in der Berliner Kinderwohnung auf einer Postkarte, die ich an meinem dortigen Arbeitsplatz, also in der Küche, auf dem Tisch aufgestellt habe.
Hatte eben, als ich den kleinen Morgengang hinaus in den Garten machte, den deutlichen Impuls, an ARGO zu gehen, und werd das gleich auch machen. Doch um sieben ist der Junge zu wecken, ist zu frühstücken, sind zweidrei Brote für die Fahrt zu schmieren; dann, um acht, geht’s hinfort.

Bin etwas weniger verstört heute morgen, kann doch spätnachmittags ein einziger Blick alles wieder geraderücken. Stimmungen… ich hab damit immer schlecht umgehen können. Meine eigenen Stimmungen sind immer sehr genau umrissen und ihre Gründe definiert; bei einer langjährigen Partnerin kam ich deshalb mit den prämenstruellen Depressionen nie klar, unter denen sie litt; ich bezog ihre schlechte Stimmung jedesmal wieder, unmittelbar, instinktiv, auf mich: auf etwas, das ich getan oder n i c h t getan hatte; erst, wenn sie sagte: „Ich krieg doch meine Tage“, war es für mich gut; dann w u ß t e ich, begriff es – und wurde wieder ruhig.
Was einem so einfällt.
Während das Licht heraufdämmert.
(Noch ist die Sonne nicht zu sehen, aber ein leiser leiser Anhauch von Rosa, den man freilich vorausahnen muß, um ihn zu bemerken.)

Vor dem Aufbruch:Nach dem Aufbruch:

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