Donnerstag, der 27. April 2006.

6.58 Uhr:
[Caspar Johannes Walter, Vier Stücke gegen den Zeitstrahl.]
Ich habe wirklich einmal wieder Schwierigkeiten, früh hochzukommen, was immer ein Zeichen dafür ist, daß ich noch nicht g a n z in meiner Arbeit bin. Morgen früh allerdings m u ß ich früh aufstehen, weil ich den 7.09er nach Berlin bekommen will, um noch am selben Tag meinen Jungen wieder herzuholen und außerdem ein paar Kleinigkeiten zu erledigen. Immerhin, in einer dichten Szene ARGO bin ich drin, außerdem beginne ich auch, wieder zu denken, was meint: theoretisch ins Wasser zu leiten.
Grau ist’s draußen, und es regnet.
Gegen halb eins schaut Tanja Dückers nachher herein, bis dahin sollten zwei weitere ARGO-Seiten stehen. Hier in meinem Studio gibt es ein Druckerproblem; ich hab nämlich meinen aus Berlin nicht mitgenommen, er ist mir zu sperrig, um ihn zu transportieren, und in dem in der Bibliothek ist ständig die Tintenpatrone leer. Vielleicht ergatter ich was über ebay. ABER: Ich habe mein geliebtes Parfum wieder, ebenfalls dank ebay: aus Australien wurde es hergeschickt. Nun kann ich die Miniflacons, die ich nach und nach erwarb, nachdem >>>> mir U. ein Fläschchen zum Geburtstag besorgt hatte, für Zeiten ins Kühle Dunkle stellen, in denen mir der Duft wieder ausgeht. >>>> PATOU POUR HOMME, in Euopa seit Jahren nicht mehr zu bekommen und selten aus den USA, dann aber so schweineteuer, daß ich die Ausgabe in zehn Jahren nur einmal getätigt habe. Kaum jemand trägt dieses Parfum; das ist einerseits fein: keiner riecht wie man selbst; andererseits hat genau das dazu geführt, daß die Produktion eingestellt wurde. Das sind so die Haken des ‚Kunstwerks im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit’.Bei ebay indessen hatte ich diesmal Glück, die Finanzierung ging auch, wegen des VERBEEN-Vorschusses. (Natürlich darf ich nicht dran denken, was alles eigentlich zu bezahlen gewesen wäre und ist.) Jedenfalls hat das meinem Gestern einen großen Schub Freude gebracht, als das Päckchen da auf den Briefkästen stand. 120 ml, das ist richtig viel, obendrein mit passendem Zerstäuber; immer wieder, während ich tippe, nehm ich ein wenig von dem Duft. Er ist überaus eigen, es bringt rein gar nichts, direkt am Flacon zu schnuppern: damit der Geruchscharacter bemerkt wird, muß die Flüssigkeit erst ein paar Minuten auf der Haut sein:: das ist bei vielen guten Parfums so, bei d i e s e m aber ganz besonders ausgeprägt, und er entwickelt sich dann ständig weiter, wird immer herber hölziger orientalisch-gewürziger; ich hab den Eindruck, die Haut stellt sich auf ihn ein, so, wie man allmählich die Mentalität der Bewohner eines anderen Landes übernimmt, wie Haut insgesamt sich auch auf das Wetter eines anderen Landes einstellt; früher wurde ich in der Sonne immer nur rot, seit ich in Italien lebte, begann sie, sich auch zu bräunen. Seither werde ich tiefkupferbraun, wenn ich im Süden bin. Ebenso der Geist, der sich wandelt, wenn man andere Eßgewohnheiten, Geschmäcker insgesamt, übernimmt oder, das ist eher richtig, von ihnen übernommen w i r d. Wenn sich die innere Uhr umstellt, in den Tropen etwa, wo jedermann schnell von sich aus sowas um zehn zu Bett geht und dann morgens ebenso früh und frisch erwacht wie die Sonne: knalleplötzlich kurz vor sechs.

Im Netz mit einer hier in Bamberg lebenden jungen Frau Kontakt bekommen, die mich mysteriöserweise zu kennen scheint, bzw. einiges ü b e r mich weiß, sich selbst aber – also wer sie ist – höchst bedeckt hält. Einmal kurz, wegen einer Nebenbemerkung, dachte ich, Alexandra leime mich. Dem war dann aber so nicht. – Spannend.

19.58 Uhr:
[Scarlatti, Klaviersonaten.]
Hänge in einem ziemlichen handlungslogischen ARGO-Problem, grüble und grüble, lese THETIS nach, denn mit d e r Erzählung klafft der Widerspruch. Zugleich kommt er über etwas zustande, das das Material selbst verlangt: Es hat sich hier Möglichkeit gerufen, daß sie real werden will. Wenn ich das ignoriere, ignoriere ich das RomanHandwerk und verfälsche damit den ganzen Text. Also komm ich, nach Seiten gerechnet, nicht voran. Ich weiß aber, daß es eine Lösung – d i e Lösung – gibt. Es würde zu weit führen, Ihnen zu erklären, worum es geht, zumal ich leider nicht voraussetzen kann, daß Sie die beiden ersten ANDERSWELT-Bücher gelesen haben. Nur soviel: Ich hänge mitten in Skamanders Geschichte und binde sie an eine Zeit zurück, in der Ungefugger noch nicht Präsident Europas war, aber seinen christlich-kybernetischen Feldzug bereits vorbereitete. Das heißt, gegen Ende von ARGO laufen die Fäden in THETIS zurück. Man kann sagen, ich verschnüre nun das Paket – oder auch: ich klappe das Triptychon z u. Ein Faden aber findet sein Endstück noch nicht.

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