7.47 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg, bewölkt.]
Den Tag heute, da abermals traumeshalber verschlafen und erst um 7 Uhr hochgekommen, g a n z anders begonnen, nämlich mit einem Brief an Wend Kässens, worin es um meine Hörstücke geht; er hat Interesse an Übernahmen, aber die Sendelängen des Deutschlandfunks (49’30’’) passen nicht in die 55’’-Maske des Norddeutschen Rundfunks. Der WDR hat für so etwas zweimal je eine andere Lösung gefunden; das lege ich nun auch Kässens nahe. Und abermals wird mir heute früh deutlich, welch eine schöne CD-Edition das gäbe, eine Kassette ergäbe das, einen Schuber. Nur werden von den Hörbuchverlagen so gut wie keine Primär-Hörproduktionen verlegt, sondern fast durchweg Zweit- oder Drittverwertungen von Büchern, die sich in ihrer Printform am Markt schon behaupten konnten; ganz besonders von Bestsellern oder Klassikern. Es handelt sich also im Wesentlichen um merchandising-Projekte, deren Rechnung dann fast immer aufgeht. Die Bewegung ist, hörte ich, längst auch aufs Hörspiel übergeschwappt: die meisten neuen Hörspiele sind nicht etwa aus dem Gedanken oder gar einer Ästhetik der Hörkunst produziert, sondern als Dramatisierungen etwa von bereits gut verbreiteten Romanen. Immer mehr wird über den Markt gedacht, immer weniger über eine Ästhetik.
Gesten nacht endlich mit >>>> June sprechen können; über meine Trauer und Ratlosigkeit wegen Ω, auch meine einander nun oft völlig entgegengesetzten Gefühlszustände („weggehen“, „g a n z weggehen, „dableiben“, „für m i c h lieben“ usw.), über die Depression, die mich immer wieder in meinem doch zugleich geliebten Berlin anfällt, und die einigermaßen solide innere Ruhe, von der ich dann wieder hier in Bamberg erfüllt bin; einiges versteht auch June an der neuen heftigen Reaktion wegen Der Dschungel nicht, bei anderem entzog sie mir gestern abend sanft den vielleicht wirklich allzu-fixierten Boden. Usw. Wir sprachen über zwei Stunden miteinander, es war erleichternd, ich schaute dann noch in einen Holmes-Jeremy-Brett-Film, dann sackte ich in Schlaf. (Eigentlich hatte auch s i e zu erzählen; das hatte sie vor anderthalb Wochen, als wir uns das letzte Mal kurz sprachen, gesagt; das ist nun völlig untergegangen. June, wenn Sie dies hier lesen: entschuldigen Sie.)
Neu ist, daß es mich gar nicht beunruhigt, wenn ich mein eigenes strikt diszipliniertes Arbeitskonzept nicht einhalte; ich setz mich dann einfach ‚irgendwann’ an den Schreibtisch und fang an – egal um welche Zeit. Nur Spätabend- und Nachtarbeit ist mir nach wie vor unmöglich; ich brauche den T a g. Aber: ruhig arbeiten; nicht, wie sonst, gedrängt.
ARGO läuft. Eigentlich wird die Arbeit daran nur davon unterbrochen, daß ebenfalls andere Arbeiten zu schreiben sind; psychisch ist das – bei einem so umfassenden Roman – innerlich ein ziemlicher Spagat; so schreib ich dann auch nicht etwa an dem andren, sondern allein die Vornahme stört den ARGO-Prozeß, ohne daß sie doch eigentlich umgesetzt wird (Libretto, Kaschmir, Mozart für Salzburg, die Ellis-Rezension usw.). S c h o n absurd.
Sò. Einen zweiten Kaffee und loslegen. „So wurde indes der Frankfurtmainer Gegenregierung überaus deutlich, wie unwahrscheinlich es war, daß Nullgrund vom Dritten Jihad – …“ da hab ich gestern abgebrochen, da setz ich den Roman nun fort.