In unseren Verzweiflungen. In unsren Lüsten.

„Daß >>>> dieses Tagebuch sich nicht schämt!“ So rufen sie oder wispern sie, heimlich. Denn daß einer es w a g t, wird wie ein Angriff abgewehrt, der sich nicht zeigt, weil er als confessiones daherkommt. Er muß Angriff s e i n, wo allewelt darauf bedacht ist, sich als Ikone der Selbstbestimmtheit zu geben. Doch allewir, beim Einschlafen, liegen wie Föten und sind voller Hoffnungswärme um den Nabel gerollt, durch den die Mutter uns speist: allewir Angestellten, allewir Mörder, wir Dominanten, wir Devoten, wir Soldaten und Zivis, wir Richter, wir Lektoren und Ärzte, wir Professoren Busfahrer Maurer, wir Hotelkaufleute wie Pfarrer, ob Frauen ob Männer, wir Kinder, wir Alte – a l l e w i r: Föten. Die Jauchzer und die Klagen des Öffentlichen Tagebuches verraten das. Es soll aber vergessen sein, man will es vergessen m a c h e n, wir wollen für etwas gelten, wollen für unabhängig gelten und nicht für so schutzlos, so machtlos, wie jeder Schlaf uns macht. Kommt nun einer daher, der heftig ist und wenig kompromißbereit, der gegen vielerlei Widerstände auch mit vielerlei Opfern durchkämpft, was er meint, und ausgerechnet der gibt Schwäche zu, gibt Leiden zu, gibt Zweifel zu – dann geraten die Bilder ins Wanken, dann merkt man: auch wir fühlen so. Aber wir haben Angst, es zu zeigen. Er aber zeigt es und zeigt damit uns unsre Angst. Wir w o l l e n sie aber nicht zeigen: Also greift uns das an. Greift uns persönlich an und attackiert, was wir uns wohlweislich im Persönlichkeitsrecht garantieren: daß Wahrheit anonym bleiben soll. Daß es uns um Wahrheit nicht g e h t, sondern immer und immer um Vorschein. Dieser Dichter aber sagt, dieser Unhold: Ihr seid Betrüger. Eben dafür, für diese Wahrheit, gehört er bestraft.

[Natürlich sind allewir das je Andere a u c h. Aber „auch“ eben. N u r „auch“.]

(CCCLXXXXVI).

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