Freitag, der 16. Juni 2006. Bamberg – Berlin – Bamberg.

5.33 Uhr:
[Imrat Khan, Raga.]
Es regnet leicht. Kurz nach fünf auf. Die DSL-Verbindung ist tot. Es liegt aber offenbar nicht an der Fritz!Box, sondern an DSL direkt, also an der Telekom. Ich überlege, ob ich vielleicht eine Rechnung nicht bezahlt habe, kann das aber nicht kontrollieren, da ich ja nicht ins Netz komme. Außerdem hätte es dann eine Mahnung gegeben. Und die gab es ganz sicher nicht.
Ah, jetzt geht’s wieder! Seltsam, ich hab den AntiVir-Wächter kurz ausgeschaltet, die Verbindung wiederhergestellt, sie klappte auf Anhieb, dann den Wächter wieder eingeschaltet. Irgendwas hat da offensichtlich blockiert. Seltsame Technik, die sich verstellt, ohne daß man selbst etwas tut…
Jetzt regnet’s s t a r k. Das wird gleich ein lustiger Gang zum Bahnhof. In einer ¾ Stunde muß ich los. Und werd dann wegen der neuen Strecke über Berlin Hauptbahnhof und Gesundbrunnen bereits um 11.17 Uhr am Gesundbrunnen und fünf Minuten später in der Schönhauser sein. Im Zug will ich an ARGO durcharbeiten. Und in Jena nicht aufsehen.

Nun grollte auch kurz ein Gewittern; gute Luft kommt durch die Terrassentür herein, die bei mir quasi immer offensteht. Ich pack mein weniges Zeug, ’s ist ja nicht viel, bin ja spätabends bereits wieder hier. Mit meinem Sohn.

7.28 Uhr:
[ICE Bamberg-Berlin. Händel, Samson. Und Kakao.]
Vielleicht hat Zschorsch recht mit seinem „wunderbar!“: vielleicht sollte ich genießen, daß Sehnsucht >>>> solche Einfallsschübe auslöst, also den Schmerz begrüßen, weil er etwas entstehen läßt, das ohne ihn ganz sicher nicht entstande wäre. Man denke an Schuberts Liebeslieder, und was war das arme Schwammerl einsam! Aber was ist dabei herausgekommen! Man zahlt. Das ist halt so.
Auf dem Weg zum Bahnhof spielte ich mit dem Gedanken, ein Bändchen herauszubringen, das „Liebesgedichte“ heißt – vielleicht einen 16er bei >>>> Dielmann, sofern er die Heftchen denn noch macht. Ich ruf ihn nachher mal an. Dann hätt ich doch auch in diesem Jahr wieder eine Publikation. Jetzt aber, Leser, ran an den Roman.

8.44 Uhr:
„Sehr geehrte Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir Jena Paradies…“ Blicke hinaus? Den Blick besser auf den Laptop-Bildschirm richten? Nicht einmal zur Seite schauen? (Mir ist kühl hier im Waggon, ich habe mir beide Schals über Schädel Schulter Nacken gehängt.) Wir halten.












Wir fahren wieder.

11.53 Uhr:
[Berlin Kinderwohnung.]
Gerade angekommen. Erst muckt der Netzzugang auch hier, dann geht er anstandslos. Zwei Seiten ARGO im Kasten. Katanga kommt grad rein, jetzt gibt’s Kaffee.

Nachmittags:

23.40 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg. Beethoven, Streichquartett B-Dur op.130,]
Zurück. Der Junge schläft nun, was er auch schon im Zug getan hatte. Es ist dann immer schwer, ihn zu wecken; na klar, 22.48 Uhr kommt der ICE hier an. Aber liegt mein Sohn dann endlich im Bett, muß doch noch lange lange vorgelesen werden (wir haben Twains „Tom Sawyer“ begonnen). Mit welchem Glück dieses Kind dabei aus dem Fenster – aus der Fensterfront – schaut! „Und hier sind wir für ein Ja h r?“ wiederholt er wie schon beim letzten Mal. „Es hat Papas Beruf“, sage ich, „halt auch mitunter Vorteile.“
Bin in der Arbeitswohnung gewesen, hab nach dem rechten geschaut und noch Musik mitgebracht, nach der mir war: ein wenig Tschaikowski, weiteren Händel, vor allem aber die späten Streichquartette Beethovens, die ich, besonders >>>> vom Alban-Berg-Quartett gespielt, so sehr liebe, die in mir zuweilen Rausch auslösen und zwar nicht ein solches Glück, wie Händel oft, aber dafür etwas unentziehbar Heilsames Heilendes haben. Worin sie Bachs Goldberg ungemein ähnlich sind. Nachmittags brachte mich die Musikschule dann etwas aus dem Gerück, weil die Stunde zusammen mit den Eltern verbracht wurde. Also wurde es, bzgl. nötiger Einkäufe, schließlich noch etwas knapp vor der Abfahrt des Zuges. Aber es ist ja geschafft. Und noch eines: Kaum bin ich meinem Sohn wieder körperlich nah, ist auch die (weiterhin schweigende) Präsenz Δ’s unmittelbar zugegen, strömen Bilder und klingt ihr Stimmfall in den Kopf, ganze einzelne Sätze, die leisen vorsichtigen VersprechensAndeutungen dieses langen Winters, kurzen Frühjahrs. Was dann ein solcher Schock zertrat. Vergeblichkeit zu begreifen, ist nicht leicht, Leser. Sie wirklich zu begreifen.
Ich werde jetzt noch die Bilder hochladen und einstellen, dann Post anschauen, dabei das Quartett zuendehören und schlafen gehen. Und nicht an die denken, an die ich denken möchte. Da sind, wie auch dort, andere Arme.