Ernst Jünger und D’Annunzio. Aus einem Briefwechsel.

LH
(…) Die beiden Schmittbücher stehen nun in trauter, reaktionärer Gemeinsamkeit neben Jünger und de Maistre im Regal. Da können sie miteinander quasseln und noch schwärzer werden. (…)

ANH
(…) Was Sie über Schmitt schreiben, dazu kann ich wenig Einschätzung beitragen, da ich ihn nie las. Anders für Jünger, der ein ausgezeichneter Stilist ist und daneben zwar sicherlich ein ErzKonservativer, aber kein Schwarzer, schon gar nicht Brauner. Man muß bei ihm wissen, daß er – anders als der ihm eigentlich verwandte D’Annunzio – den ersten Weltkrieg nicht wie dieser als ein Ritterturnier auffassen konnte. Das hätte er junkerhaft gern getan. Nur geriet er, indes D’Annunzio Husarenstücke ritt, in die Materialschlacht – ein lebenslanges Trauma, das man so gut wie allen seinen Büchern anmerkt und das diese Bücher gerade so spannend macht.
Die in Stahlgewittern vorgenommene kalte Ästhetisierung ist eben eine K u n s t form, die den Schrecken zu bannen versucht. „Kälte ist zu empfehlen, wo es anrüchig wird. Es geht sich leichter über gefrorenen Schlamm“, schreibt er zu recht. So etwas darf man bei einem Autor seines Kalibers nicht übersehen. Deshalb möchte ich gerne Ihnen gegenüber eine Lanze für ihn brechen. (…)

LH
(…) sicher ist Jünger buchstäblich näher an Gracian zu rücken als an einen Rechtstheoretiker (der doppelte Sinn des Wortes fällt mir jetzt beim Lesen auf ), der Schmitt heißt. (…) Ihre Einschätzung Jüngers, als kalte Persönlichkeit, teile ich und bin ebenso fasziniert von ihr, wie ich es von Gracian bin. Helmuth Lethen hat zu dieser Thematik, Jünger wird auch genannt, ein ganzes Büchlein verfasst: „Verhaltenslehren der Kälte“. Monatelang war es mir Kopfkissenersatz.
D’ Annunzio hat für mich als Person immer etwas Komisches. Pirandellos Theaterstück „6 Personen suchen einen Autor“ ordne ich seltsamerweise immer ihm zu. Literarisch kenn ich von ihm wenig, aber seine Performances incl seiner Kulissen am Gardasee habe ich mir sehr genau, schon wegen Pound, zu Gemüte geführt.

ANH
(…) D’Annunzio gehört für mich d e s h a l b zu den nachdrücklichsten Einflüssen, weil er – wie Wagner es mit dem Orchester im Orchestergraben tat – sämtliche tief-seelischen Ereignisse aus den Personen herausnimmt und in die Dinge projiziert. Hat ein Protagonist Schmerzen, fallen etwa Blätter von den Blüten der im Zimmer befindlichen Schnittblumen. Das klingt dann so:

SPRECHER 1: Weiter oben, auf dem Kaminsims, rieselten aus einem der Kelche die Blütenblätter einer großen weißen Rose, die sacht zerfiel…
SPRECHER 2: …che si disfaceva a poco a poco, languida, molle…
SPRECHER 1: …sehnsüchtig, weich, weiblich, fast könnte man sagen fleischlich…

In der Hinsicht beherrscht er eine g a n z-große Kunst. Diese Art Weichheit war Jünger nach der Materialschlacht nicht mehr erlaubt. Diese w a r m e Blick, der zugleich die Manier der gesamten Umstände erfaßt, war auf die Leichen-, Blei- und Scheißefelder nicht mehr anzuwenden. N i e wieder.

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