[14.42 Uhr. RE nach Coburg.]
In Carlos Kleibers 1980 aufgenommenen Verdi Otello von Covent Garden hineinhören, in den Vierten Akt – und vom allerersten Einsatz an sprachlos sein. Nicht lesen können. Weiter zuhören müssen. Welch ein Herzzerreißen richtete dieser Mann im Orchester an! Und wie Margaret Price die Desdemona singt! im ave maria in ständiger Beherrschung ihres Schmettern-Wollens – ich hörte sie einst aus der Berliner Philharmonie, an der ich vorbeispazierte, proben, das ging bis auf die Straße hinaus. Und nun solche Zurücknahme, durch die hindurch der ganze Trauerdruck spürbar ist – ach, so gebunden im Leid.
(15. 20 Uhr. Unfaßbar. Das übertrifft an Gewalt und zugleich Sensibilität die Karajan-Aufnahme mit Vickers und Freni; es ist die erste, die das schafft, die m e h r als Karajan die Leidenschaften toben und eben sich halten läßt. Jede Note g e a t m e t, keine Phrasierung auf irgend eine Absicht hingetrimmt oder unter ein Konzept gebeugt. Sondern alles ist – wie im Leben – intensivster A u g e n b l i c k, der das Subjekt zerschmettert. In dieser Aufnahme wird das Geschehen in jedem Moment wahr. Kleiber nimmt immer das höchstmögliche Risiko in die Textur seines Dirigierens. Nur wenn ich w a g e, schaffe ich. Und welch ein unabgelutschter Domingo dabei! Auch wenn er an Vickers’ Schlußseufzer nicht reicht.)
Carlos Kleibers Otello. Glühende, radikale Verfeinerung. Das geht! Das geht!
[Aus dem Notizbücherl.]