B.L.’s 11.9. – in der eigenen Haut

18:07
Die endliche Abwärtskurve ins Innere. Einmal abgesetzt nach einem Tag des Außenseins, ist es schwer, das Auge vom Punkt fortzuzerren, an dem es abgesetzt wurde. Es dirigiert vielmehr den Kopf, sich dem Fenster bzw. der Tastatur abwechselnd ab- und zuzuwenden. Als wollte es damit ein Kopfschütteln bewirken. Aber damit sind ja schon zwei Punkte fixiert. Die Sache mag sich eventuell doch noch entwickeln. (Aber jetzt nicht wieder die vielen Inseln mit zwei Bergen, die ich in der Stadt heute sah! An die ich um Punkt 18:07 dachte. Wie schrieb Rilke „—> Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens“!) – (Noch eine Parenthese: draußen irgendwo ein wildes Geschrei: „Lügner“, „Ich hab’ die Nase voll“, höre ich heraus.) – Und dieweil die Rückkunft der Frau. Sie hat die Blumenvasen nachgekauft, die ich neulich zerdeppert habe. Give me the bill. Sagt’ ich.
Ich merke schon, es wird fragmentarisch, und könnte noch ihre Klage über die Preise der Arzneimittel miteinbeziehen, und meine Preisprognose von wegen Viagra. Aber den Wunderdoktor habe ich noch nicht gesucht, eher schon die Berührung mit ihrem gar nicht abweisenden Körper. Körper sind Wunder und Wunden, wunderbar und schrecklich verwundbar. Und leider – manchmal – mit einem Kopf versehen… Umgekehrt mag dasselbe gelten, aber wahrscheinlich läßt sich beides eben doch nicht voneinander trennen: praktisch ein siamesischer Zwilling dieses Ich in seiner Dreieinigkeit. Und dann dieser verwunderliche Satz bei Sloterdijk: „Die ‚Menschheit’ nach der Globalisierung – das sind in der Mehrheit die in der eigenen Haut Zurückgebliebenen, die Opfer des Standortnachteils Ich.“
Ich deklariere hiermit den Standort Ich. (Ist das nun ein Aussteiger-Syndrom?). Aber schon der Gedanke, daß ich mich zu Viagra bekehren lasse, ist doch auch ein Symptom der Anpassung, weil ich ja dadurch meine eigene Haut verlasse und mich auf eine Pille verlasse. Das bin ja dann gar nicht mehr Ich, sondern das, was man als Standortnachteil deklariert. Die Frage meiner Ichheit wird immer komplizierter, weil nicht nur die Ichheit selbst dadurch in Frage gestellt wird, sondern auch die Ichheit im Verhältnis zur Du-, Ihr-, Wirheit (meinetwegen und nicht nebensächlich die Sieheit in allen ihren Implikationen).
9-11? Vor genau fünf Jahren war ich beim Zahnarzt, der zog mir einen Zahn. Das Schmerzmittel ließ im Zug nachhause nach, und mit schmerzverzerrtem Gesicht kehrte ich heim.

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