B.L.’s 23.9. – zurückgeblieben

8:41 (24.9.)
Wohin aber ist das Begehren entschwunden, wenn man nicht mal mehr in der Lage ist, ihr zu sagen, sie habe ihr Rouge auf der Wange nicht genügend verwischt? Die Berührungen beschränken sich in diesen Tagen darauf, daß ich ihr das jeweilige Armband umlege, das sie für den Tag auserkoren hat.
Sie ist wieder einmal fort übers Wochenende. Gegen 9 fuhr sie los, zunächst zu ihrer Schwester, dann sollte es heute (ich schreibe heute, am Sonntag, was gestern war) weitergehen Richtung Geburtsdorf. Keine Ahnung, wozu, schließlich gibt es dort nur noch den Friedhof und eine Cousine zu besuchen. Und die Erbschaftsangelegenheiten sollten mittlerweile auch geregelt sein. Allerdings hat dies kaum meinen Tag geändert: drei Übersetzungen gleichzeitig. Dabei extrem öde diese ganzen Eisenbahnunterlagen, die Verben variieren zwischen realisieren, definieren, spezifizieren, identifizieren, ermitteln, prüfen, durchführen, verifizieren, validieren. Was zwar den Text einfacher macht, aber die Zeit nicht verkürzt. Ansonsten arbeite ich mich durch die Pharmakokinetik eine Leukämie-Mittels. Je mehr dann aber am Nachmittag der Pegel in der Flasche langsam sank, desto schwieriger ließen sich die zehn Finger auf ein leichtes Anschlagen der Tasten ein. Also wechselte ich die Taktik und machte ab und zu Gymnastik, die darin bestand, meine Bibliothek neu zu ordnen und gleichzeitig den Staub wegzuwischen. Großes Vergnügen fand ich auch noch daran, alte Belege von vor 2000 in kleine Stücke zu zerreißen. An Tagebuchschreiben war dann irgendwann gar nicht mehr zu denken, schaute nur immer, ob nicht ANH endlich von der Frankfurter Veranstaltung berichtet, aber als er’s dann tat, lag ich bereits im Bett, nachdem ich mir Dokumentarisches über Buschmänner und Himba in Namibia angeschaut. Eine Art Vorführkabinett, bei dem der wissende Berichterstatter sich erklärend zwischen diesen scheinbar Primitiven bewegte, als wären sie Chargen, extra fürs Fernsehen angeheuert. Und der Gedanke: was machen die den ganzen Tag? Fürs Essen sorgen und dem heiligen Baum danken. Wie öde kamen mir da die beiden Minipizzas vor, die ich nebenbei lustlos verspeiste.
So, nun wieder an die Arbeit.

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